Komfortabel und schnell: Canyon Endurace CF SLX im Test

Endurance sportlich interpretiert
Canyon Endurace CF SLX 8 Di2 im Test

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Zuletzt aktualisiert am 15.03.2024
Canyon Endurace CF SLX 8 Di2
Foto: Bjoern Haenssler

Endurance-Rennräder erfreuen sich großer Beliebtheit. Kein Wunder, denn ihre Grundphilosophie dürfte viele Rennradfahrerinnen und -fahrer ansprechen: etwas entspanntere Sitzposition und mehr Dämpfungskomfort als bei einem Wettkampfrennrad, dennoch sportlich und schnell. So zumindest die Theorie. Doch ebenso lang, wie es die Endurance-Kategorie bei Rennrädern gibt, existieren auch unterschiedliche Interpretationen davon, was ein Komfort- oder Langstreckenrennrad genau ist. Manche Hersteller setzen auf aktive Federelemente an Rahmen oder Gabel, um maximalen Komfort zu generieren, andere bieten immer mehr Reifenfreiheit, um auch Gravelausflüge zu ermöglichen – und manche interpretieren Endurance sehr sportlich und nah dran am klassischen Rennrad. Zu letztgenannten zählt das Canyon Endurace – hier zeigt schon das Wortspiel im Namen den sportlichen Anspruch...

Canyon Endurace CF SLX 8 Di2
Bjoern Haenssler

Neu: Endurace CFR und Endurace CF SLX

Neu vorgestellt zur Saison 2024 wurden das Endurace CFR und das Endurace CF SLX. Die Kürzel hinter dem Namen stehen für die Qualitätsgüte der eingesetzten Carbonfasern: CFR bezeichnet das hochwertigste Carbonmaterial von Canyon, aus dem die Wettkampfräder der Profimannschaften gefertigt sind, welche die Koblenzer Marke ausrüstet; SLX bezeichnet die zweithöchste Güteklasse.

Als verkaufsstarkes Rennradmodell bietet Canyon das Endurace zudem als preisattraktive CF- und AL-Versionen an: mit Aluminium- bzw. einfachem Carbonrahmen. Doch hier liegt der Teufel bereits im Detail: Endurace CF und AL kommen nicht nur mit anderem Rahmenmaterial, sondern auch mit abweichender Geometrie und teilweise anderen Features.

Test: Canyon Endurace CF SLX 8 Di2

Bereits im Herbst 2023 überzeugte das Top-Modell Canyon Endurace CFR im ROADBIKE-Test. Mit einem Kaufpreis von deutlich über 8000 Euro dürfte es aber einen kleineren Interessentenkreis ansprechen als das Endurace CF SLX, das ab 3999 Euro zu haben ist. Deshalb Vorhang auf für dessen ersten Labor- und Praxistest!

Konkret unter die Lupe genommen haben wir das Endurace CF SLX 8 Di2 für 4399 Euro. Es markiert eine preislich attraktive Basis – mit nur wenig Tuningpotenzial. Doch dazu später mehr.

Das Rahmen-Set

Beim neuen Endurace wurde wie erwähnt die Geometrie angepasst, man sitzt deutlich kürzer und aufrechter als bei den Wettkampfrennern Ultimate und Aeroad. Von diesen übernimmt das neue Endurace aber manche Erkenntnis in punkto Aerodynamik – denn warum soll ein komfortables Rennrad langsam sein? Dank des One-Piece-Cockpits, eines schmalen Steuerrohrs, filigraneren Gabelscheiden und einem recht schlanken Unterrohr soll das neue Endurace gegenüber dem Vorgänger satte sieben Watt schneller geworden sein.

Canyon Endurace CF SLX 8 Di2
Bjoern Haenssler

Montagepunkte für Schutzbleche oder Taschen, wie man sie an vielen Endurance-Rennern findet, sucht man beim Endurace CF SLX vergeblich. Stattdessen versteckt Canyon wichtige Essentials für unterwegs – Kartusche, Minitool und Reifenheber – aerodynamisch vorteilhaft in einem kleinen Fach im Oberrohr. Ein Satteltäschchen wird dadurch überflüssig – Daumen hoch für die aufgeräumte Optik! Nach ROADBIKE-Meinung ist das Fach im Oberrohr dennoch eine zwar gute, aber nicht ganz zu Ende gedachte Idee. Denn ein Ersatzschlauch findet ebensowenig Platz wie eine Mini-Pumpe.

Canyon Endurace CF SLX 8 Di2
Bjoern Haenssler

Sprich: Wer einen Reifendefekt "nur" mit dem Inhalt des Oberrohrfachs beheben möchte, muss bereits vorher tubeless unterwegs sein und dann hoffen, dass die Dichtmilch im Reifen mit Hilfe der Druckluft aus der Kartusche das Loch im Mantel verschließt. Andernfalls steht man mit plattem Reifen ohne Ersatzschlauch da und hat sein Pulver bzw. seine Druckluft verschossen.

Wem das zu riskant ist, montiert doch ein Satteltäschchen oder transportiert die fehlenden Defekt-Retter in der Trikottasche – hat dann aber wenig durch das Oberrohrfach gewonnen. Deshalb die Anregung an die Canyon-Entwickler: Ein Gamechanger wäre ein so großes Fach, das die genannten Teile ebenfalls aufnimmt – oder eine andere Bestückung des vorhandenen Fachs.

Ausstattung

Wenig zu meckern gibt es grundsätzlich bei der Ausstattung (Detailkritik siehe weiter unten). Für 4399 Euro erhält man neben dem überarbeiteten Endurace-Rahmen-Set eine komplette Shimano Ultegra Di2-Gruppe inklusive 4iiii-Leistungsmesser, DT Swiss Endurance LN-Laufräder mit Continental GP 5000 S TR-Tubelessreifen, die Canyon-Blattfedercarbonsattelstütze mit Fizik-Tempo Argo R3-Sattel sowie das Canyon-Aerocockpit CP00018. Preis-Leistungsmäßig ist das schon eine Bank – bei manch anderem Hersteller ist für diesen Preis "nur" die Nummer drei der Elektro-Schaltgruppen montiert (also Shimano 105 Di2 oder Sram Rival AXS) sowie günstige Alu- statt Carbonanbauteile, von einem Powermeter ganz zu schweigen.

Canyon Endurace CF SLX 8 Di2
Bjoern Haenssler

Ein Hingucker ist auf jeden Fall die Lenker-Vorbau-Einheit aus Carbon, die nicht nur optisch gefällt, sondern auch mit gut gewähltem Drop und Reach sehr gut in der Hand liegt. Pfiffig: Die Lenkerbreite lässt sich im Handumdrehen um bis zu 40 Millimeter variieren, die Lenkerhöhe um 15 Millimeter absenken oder anheben, ohne dass an der Gabel herumgesägt werden müsste. Der mitgelieferte, 3D-gedruckte Computerhalter mutet ausgesprochen stabil an und verrichtete klaglos seinen Dienst.

Canyon Endurace CF SLX 8 Di2
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Labor- und Praxistest

Im ROADBIKE-Prüflabor belastet das Endurace CF SLX die Waage mit 8,33 Kilogramm – gemessen in Größe L. Das entspricht zwar einerseits der Herstellerangabe (8,26 kg in Größe M), was nicht selbstverständlich ist, ist aber andererseits ein sattes Kilogramm mehr als die 7,3 Kilogramm, die das Canyon Endurace CFR in Größe M wiegt. Das Gewicht versteckt sich aber nicht nur im Rahmen, sprich: den anderen Carbonfasern, sondern vor allem in den Laufrädern. Die DT Swiss Endurance LN bringen voll bereift, mit Bremsscheiben und Kassette als Set 3286 Gramm auf die Waage.

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Grundsätzlich gilt aus unserer Sicht die klare Empfehlung: lieber an Carbonfaserqualität, Antriebsgruppe oder Anbauteilen wie Lenker, Vorbau oder Pedalen sparen als an Laufrädern oder Reifen, da die beiden Letztgenannten ungleich stärker auf das Fahrerlebnis einzahlen. Andererseits trägt der etwas einfachere Laufradsatz natürlich zum attraktiven Preispunkt des Endurace CF SLX 8 Di2 bei...

Dennoch: Auch wenn die Conti-Reifen schnell rollen, bremsen die schweren Laufräder leider den Antritt. Wenn irgendwo Tuningpotenzial liegt, dann hier! Zumal das Endurace CF SLX unserer Meinung nach mit Hochprofillaufrädern optisch noch mal gewinnt – aber welches Rennrad tut das nicht?

Canyon Endurace CF SLX 8 Di2
Bjoern Haenssler

Was den Komfort angeht – immerhin eines der wichtigsten Kriterien bei einem Endurance-Rennrad -, entpuppt sich einmal mehr die Blattfedersattelstütze Canyon S15 VCLS 2.0 CF als sehr gute Wahl: Mit 117 N/mm liefert diese einen fabelhaften Komfortwert am Heck. Interessant: In punkto Komfort gefiel uns die SLX-Version des Endurace sogar besser als die deutlich teurere CFR-Ausführung. Denn das SLX dämpft am Heck zwar spürbar, der direkte Kontakt zur und das Gefühl für die Straße bleiben aber besser erhalten als beim CFR, bei dem die höherwertigen Carbonfasern alleine schon deutlich stärker zu dämpfen scheinen – in Kombination mit der Blattfedersattelstütze ist es fast schon zu viel des Guten, man "schwimmt" ein wenig über den Asphalt, bei hoher Trittfrequenz hat man fast das Gefühl zu "wippen"... Wir präferieren jedenfalls die Abstimmung des Endurace CF SLX.

Canyon Endurace CF SLX 8 Di2
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Handling

Dass Canyon das Thema Endurance-/Marathonrennrad eher sportlich interpretiert, zeigt sich auch beim Handling: Während nicht wenige andere Endurance-Rennräder eher auf Geradeauslauf und gutmütige Lenkung ausgerichtet sind, überrascht einen das Canyon Endurace CF SLX mit agilem, fast schon nervösem Handling – ein eher kurzer Radstand, der steilere Lenkwinkel und ein schmaler Lenker sorgen für viel Fahrdynamik. Genau das Richtige für kurvenreiche Abfahrten. Auf Schotter hingegen wünscht man sich tatsächlich etwas mehr Laufruhe. So gesehen hätte sich Canyon die 35 Millimeter Reifenfreiheit, die Ausflüge abseits asphaltierter Straßen nahelegen, eigentlich sparen können. Wir finden: Das Endurace CF SLX gehört auf die Straße!

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Bjoern Haenssler

Durch das etwas kürzere Oberrohr und das längere Steuerrohr sitzt man etwas aufrechter, aber alles andere als unsportlich auf dem Rad. Etwas mehr Streckung würde den Druck auf das Vorderrad erhöhen und dadurch die Lenkung beruhigen, durch die "schärfere" Sitzposition aber auch wieder den Endurance-Anspruch torpedieren. Ein schmaler Grat, doch Canyon trifft insgesamt eine goldene Mitte, die vielen Rennradfahrerinnen und -fahrern taugen sollte.

Kritikpunkt Übersetzung

An mehreren Punkten haben wir den sportlichen Ansatz des Endurace gelobt, bei der Übersetzung überteibt es Canyon damit jedoch: Das Endurace CF SLX 8 Di2 kommt mit Semikompaktkurbel, der leichteste Gang für Anstiege ist die Kombination aus 36er Kettenblatt und 34er-Ritzel. Für Rennen und ambitioniert gefahrene Radmarathons mag dies eine gute Wahl sein – an einem Endurance-Rennrad, das per Definition auf die Langstrecke strebt und mit dem auch der dritte oder vierte Berg des Tages noch flüssig pedaliert werden will, trüben zu dicke Gänge hingegen nachhaltig den Fahrspaß. Denn 36-34 als Berg-"Rettungsring" zwingt normal trainierte Fahrerinnen und Fahrer schon im Mittelgebirge zu hohen Wattzahlen oder ungesund niedriger Kadenz, lange Alpenpässe werden damit schnell zur Herausforderung.

Canyon Endurace CF SLX 8 Di2
Bjoern Haenssler

Der sportwissenschaftlichen Erkenntnis, dass leichte Gänge und hohe Trittfrequenzen effizienter sind und die Gelenke schonen, verweigerte sich Canyon lange Zeit hartnäckig und stattete alle Endurace CFR und Endurace CF SLX-Modelle mit Semikompaktkurbeln aus (übrigens auch Ultimates und Aeroads, selbst wenn darauf womöglich ebenfalls nicht immer nur Rennfahrerinnen und -fahrer sitzen...). Erst in letzter Zeit tauchen im Portfolio der Koblenzer zumindest beim Endurace hier und da auch Ausführungen mit Kompaktkurbel auf.

Entsprechende Anregung: Wer sich für ein Endurace interessiert, aber auch einen wirklichen Berggang am Rad haben möchte, sollte vor einem Kauf einen genauen Blick auf die Ausstattungsliste werfen.

Fazit

Canyon stellt mit dem Endurace CF SLX 8 Di2 eine sportliche Interpretation eines Endurance-Rades auf die Reifen. Die gelungene Mischung aus Komfort, Aerodynamik, geringem Gewicht sowie wendigem Handling bei etwas entspannterer Sitzposition dürfte vielen Rennradfahrerinnen und -fahrern gut gefallen. Mit dem Staufach im Oberrohr setzt Canyon einen eigenständigen Akzent, der bewusste Verzicht auf Montagepunkte für Schutzblech oder Bikepacks unterstreicht den sportlichen Anspruch.

Die Ausstattung ist für den Preis attraktiv, ein Powermeter ist in dieser Preisklasse nicht selbstverständlich. Tuningpotenzial bieten die Laufräder, einzig bei der zu "dicken" Übersetzung vergaloppiert sich Canyon.

Ausstattungsvarianten und ROADBIKE-Tipp

Insgesamt bietet Canyon das Endurace CF SLX in sechs Ausstattungsvarianten und sechs Farben an (Stand März 2024). Los geht’s mit einer Version mit Sram Rival AXS für 3999 Euro, die obere Grenze des Preisspektrums bildet das Modell mit Sram Force AXS und DT Swiss ERC-Carbonlaufrädern für 5499 Euro. Alle Versionen kommen mit Leistungsmesser und der Canyon-Blattfedersattelstütze, manche mit Aluminium-, andere mit Carbonlaufrädern. Einige wenige Ausführungen kommen neuerdings – wie erwähnt – mit Kompakt- statt Semikompaktkurbel.

Canyon Endurace CF SLX 8 Di2
Bjoern Haenssler

Müssten wir uns für ein Modell entscheiden, wäre es vermutlich das Endurace CF SLX 7 Di2 mit Shimano 105 Di2-Ausstattung, Powermeter, Kompaktkurbel und DT Swiss ERC 1600-Carbonlaufrädern für 4499 Euro – in unseren Augen ein sehr guter Kompromiss aus Preis und Leistung.