Hola Amigos! Als uns Manuel "Mani" Fumic die Tür öffnet, geht die Sonne auf. Den Schwaben mit kroatischen Wurzeln kennt man so: gute Laune, lässige Vibes, Sunny-Boy-Flair. Doch heute geht es nicht (nur) um seine XC-Karriere. Der Good-Times-Garant vom Neckar nimmt uns mit hinter die Kulissen eines der professionellsten und erfolgreichsten Cross-Country-Teams weltweit: des Cannondale Factory Racing (CFR). Fumic prägte das Team als Fahrer und drei Jahre als Teammanager. In Wernau bei Stuttgart hat sich das XC-Werksteam niedergelassen – zentral in Europa, ideal für Weltcups und nur einen Steinwurf von Fumics Heimat Kirchheim entfernt. Aus einer nüchternen Halle im Industriegebiet wurde vor drei Jahren die "Neue Weberei": ein Event- und Co-Working-Space mit Café und Catering – hier kann man das CFR-Team im Coffeehouse-Flair samt Werkstatt erleben.
Neue Ära mit Phil "Dixie" Dixon
2025 übernimmt der Brite Phil "Dixie" Dixon das Management – und das Team hat einen gewaltigen Umbruch hinter sich. Nach zahlreichen Weltcup-Top-Platzierungen, drei WM-Titeln und einer olympischen Medaille 2024 in Paris verlässt ein Teil der Stars die Equipe: Mona Mitterwallner, Simon Andreassen und Alan Hatherly sind nicht mehr an Bord, einzig Charlie Aldridge bleibt. Neu kommen Ana Santos (POR), Luca Martin (FRA) und Cole Punchard (CAN); dazu stößt mit Jolanda Neff eine Ausnahmeathletin und Olympiasiegerin. Dixon, zuvor als Performance-Manager für den sportlichen Output verantwortlich, koordiniert nun das große Orchester aus Weltklasse-Athletinnen und -Athleten, Betreuerteam, Mechanikern und zahlreichen Sponsoren – gemeinsam mit Manuel Fumic, der heute im Marketing von Cannondale wirkt und die Brücke zum US-Hersteller bildet. 15 Nationen und unterschiedlichste Charaktere zusammenzubringen, war keine leichte Aufgabe. Bei den ersten Übersee-Rennen lernte sich die neu formierte Mannschaft kennen und schätzen. Ergebnis: eine lockere, professionelle, mitunter auch spaßig-aufgeheizte Atmosphäre.
Ein Mann für die entscheidenden Details ist Kenta Gallagher. Der Schotte startete im XC, wechselte später zum Downhill und arbeitet im CFR als Race & Technical Coach. Sein Job: Materialberatung und – noch wichtiger – Linienwahl auf den Weltcup-Strecken. "So ein XC-Weltcup-Track ist wirklich ein Monster – fahrtechnisch wie konditionsfordernd. Damit geht es auch darum, im Training jede unnötige Runde auf dem Kurs einzusparen, um die Energie für den Wettkampf zu haben. Meine Aufgabe ist es, schon beim ersten Training die perfekten Linien für mein Team diktieren zu können. Aber auch in Sachen Material versuche ich, für meine Sportler da zu sein: Setup des Fahrwerks, Übersetzung, andere Materialdetails und nicht zuletzt die immer wichtiger werdende Reifenwahl. Mein Ziel ist es, dass sich unsere Racer voll auf das Rennen konzentrieren können und ich sie bestmöglich auf ihre Rennläufe vorbereite." Zweifelsohne fällt auch das Gebiet Pausenclown in seinen Zuständigkeitsbereich – dicht gefolgt von Luca Martin. Beide beherrschen reichlich deutsche Schimpfwörter und pflegen die Playlist für lange Autofahrten. Bis zu 25 Reisewochen pro Saison schweißen ein Weltcup-Team zusammen.
Facts and Figures
- Im Team sind 15 Nationen vertreten.
- Reiseaufkommen: Bis zu 25 Reisewochen pro Saison.
- 40 000 Euro kostet eine Startlizenz im MTB-Weltcup (vermarktet von Warner Bros.)
- 80 kg Gepäck machen allein die Reifen bei einem Übersee-Weltcup aus
- Zwei bis fünf Bikes pro Saison hat jeder Athlet im Einsatz; zwei davon ständig im Einsatz (Training und Rennen).
- Gelbe Startnummer: Signalisiert das gesamtführende Team in der Overall-Wertung (Damen und/oder Herren). Die Ziffer zeigt meist die individuelle Platzierung in der Gesamtwertung.
Das Team der Superlativen
Im gigantischen Bekleidungsfundus glänzen Manis Augen. "So, und der ganze Kruscht hier wird vom Team über so eine Saison getragen. Spaß beiseite: Jeder Athlet hat seine angepasste Kleidung. Vom normalen Team-Trikot inklusive langer und kurzer Hose über das Aero-Trikot für die Shorttrack-Rennen kommt da je Fahrer beziehungsweise Fahrerin noch mal ein individuelles Trikot dazu: Weltmeistertitel, nationale Meistertitel, Gesamtführender im Weltcup und so weiter – das muss, getreu den UCI-Regeln, im Wettkampf alles wiedergegeben werden. Dabei wird noch mal unterschieden, ob es sich um Shorttrack, Cross-Country oder Marathon handelt."
Schwarz auf schwarz: In Kartons stapelt sich die Blackout-Kollektion. "Der Hype bei den Rennen nimmt immer mehr zu, und die Leute sehen schon von weitem, dass da CFR-Fahrer auf sie zukommen. Das gibt immer Alarm. Damit Jolanda zum Beispiel beim Heimweltcup auf der Lenzerheide überhaupt mal zum Training oder ein paar ruhigen Minuten auf dem Rad kommt, haben wir diese Stealth-Kollektion gemacht. Manchmal ist etwas weniger Aufmerksamkeit eben auch ganz gut."
Modegefühl und Mut zur anderen Linie zählen bei Fumic zur DNA – auch modisch. Er war einer der ersten, der im XC mit Baggyshorts startete:
Ich hab mich schon immer in Mode wohlgefühlt, die mir auch optisch zusagt. Und so war es auch mit der Baggy: Warum nicht etwas Coolness von den Gravity-Sportarten zum XC rüberbringen, dachte ich mir damals. Wir hatten einen supercoolen Rennanzug, wo auch die Innenhose auf die Baggy angepasst wurde. Super komfortabel, super lässiger Look. Klar hab ich das dann gepusht, es war für mich gemeinsam mit Marco Fontana auch ein Alleinstellungsmerkmal. Irgendwann hab ich es dann vom damaligen Performance-Manager Dixie verboten bekommen, weil durch die Reibung der Hosenmaterialien und die Aerodynamik doch etwas viel Leistung verpuffte. Egal, ich fand’s richtig geil!"
Mechanik, Bikes und Service: vom Trainingsrad bis zum Sonderbike
Callum Wyllie ist einer der drei Mechaniker. Anders als in manch anderem Team gibt es beim CFR keine feste Zuteilung von Mechaniker zu Sportler. Klar ist: Jede und jeder hat klare Vorlieben – vom Remote-Hebel der Dropper Post über die individuelle Lenkerbreite bis hin zu Lieblingsreifen und spezifischen Setups.
Für die Saison stehen pro Teammitglied in der Regel zwei bis fünf Mountainbikes bereit, zwei davon sind immer im Einsatz: ein Trainingsbike zu Hause und ein Racebike. Zusätzlich werden "Sonderbikes" für Schlüssel-Events wie Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele aufgebaut – oft mit aufwendigen Sonderlackierungen. Außerdem gehören E-Bikes, Rennräder sowie Cross- oder Gravelbikes zur Ausstattung. Die Trainingsräder sammeln die meisten Kilometer und bekommen deshalb regelmäßig frische Verschleißteile. Die Athletinnen und Athleten bringen ihre Räder zu den Rennen; dort beginnt die Arbeit der Mechaniker.
Auch die Racebikes bekommen viel Liebe: Nach jedem Rennen werden sie bis ins kleinste Teil zerlegt, neu gefettet oder geschmiert und kritische Parts getauscht – egal ob Matschschlacht oder staubtrockene Bedingungen. Im Zweifel heißt es: einmal alles neu. Speziell nach Stürzen wird nichts dem Zufall überlassen. "Bei jedem Crash, mag er auch noch so klein und vermeintlich glimpflich ausgegangen sein, tauschen wir die Carbonteile. Da geht Sicherheit einfach vor – speziell wenn man so materialfordernd unterwegs ist wie unsere Sportler*innen", sagt Fumic und zeigt eine Sonderanfertigung eines superleichten Lenkers mit fast mikroskopisch dünner Außenwand, gefertigt für die leichten Fahrerinnen im Team.
Das CFR ist zudem tief in die Produktentwicklung eingebunden. An einzelnen Team-Bikes lassen sich modifizierte Dämpferanlenkungen entdecken, die auf eine neue Kinematik hindeuten. Bei den Laufrädern rollen Carbon-Prototypen von FSA mit superleichten Textilspeichen aus Vectran – Hightech-Material, das für mehr Vortrieb sorgen soll. Details, die Fumic früher nicht zur Verfügung standen: "Ich bin super happy mit meiner Karriere. Generell schaue ich lieber nach vorne als zurück. Ich würde mir auch nie meine Pokale und Medaillen ins Wohnzimmer hängen. Aber wenn ich die aktuellen Bikes anschaue, frage ich mich schon, was das damals für den Sport bedeutet hätte. Ich meine, guck dir so ein XC-Bike an, wie breit der Einsatzbereich ist. Da kannst du alle Hometrails in abartigem Tempo runtershredden. Ich denke, das ist schon eine Errungenschaft."
Im Lager stehen Bikes mit Geschichte – etwa das Olympiabike mit Startnummer samt Staub aus Paris, auf dem Alan Hatherly 2024 Bronze gewann. Die ikonischen Lefty-Gabeln reisen in eigenen Koffern und werden nach Training und Rennen von Schrauberlegende Larry Westney in Würzburg gepflegt. Wie weit sich das Team-Bike in 20 Jahren entwickelt hat, zeigt ein Blick auf ein Cannondale Scalpel von Christoph Sauser, Baujahr 2007.
Logistik: Vom 30-Tonner zu zwei Sprintern
Wie viel Logistik hinter dem CFR steckt, zeigen Fumic und Max Behrens, der das Team-HQ verantwortet: Früher reiste das Team mit einem gigantischen Dreißigtonner samt Motorhome-Auflieger an. 2025 setzt die Crew auf ein agileres Setup. "Für die Weltcups in den Bergregionen, allen voran Andorra, ziehen wir es vor, mit mehreren kleineren Autos unterwegs zu sein. Was das Material betrifft, kommen wir mit zwei Sprintern mit langem Radstand voll aus", sagt Max. Zelte, Ersatzbikes und vieles mehr werden verladen. Einen Tag Packzeit pro Weltcup muss man einplanen. Vor Ort wird’s wuselig, aber strukturiert: Rund um das Teamzelt herrscht Betrieb von Athletinnen und Athleten, Mechanikern und Trainern – für kulinarische Highlights sorgt ein Koch.
Physio, Belastung und Kopf: Sarah Bauer über Worldcup-Anforderungen
Damit auch die strapazierten Körper gute Vibes spüren, kümmert sich Physiologin Sarah Bauer ums Team. Ob die Muskulatur je nach Strecke unterschiedlich belastet wird? "Ja – so richtige Rüttel-Tracks wie Nové Město sind für die Core-Muskulatur herausfordernd. Das sieht nach spitzen, steilen Anstiegen in Leogang schon anders aus." Als Ex-Kadersportlerin auf Weltspitzenniveau weiß sie, was auf den Körper wirkt – und was Athletinnen und Athleten vor wichtigen Rennen brauchen: "Mental vor so einem Weltcup stark zu sein, ist tough. Und dabei kann ich unterstützen."
Mani Fumic: Sturz 2021, fünfte Olympia-Teilnahme und Blick auf den Sport
Der Kopf war bei Manuel Fumic schon immer ein starker, willenskräftiger Part. 2021 stürzt er in der WM-Vorbereitung schwer: Neben einer Mittelhand- und Radiuskopffraktur quetscht er sich die Lunge und bricht sich sechs Rippen; auch Schulterblatt und Schlüsselbein sind gebrochen. Aufgeben? Keine Option. Schon auf der Intensivstation fasst er den Plan, sich für einen gebührenden Rennabschied vorzubereiten: "Jetzt erst recht, dachte ich mir. Ich wollte ein fünftes Mal zu Olympia und dann einen Strich unter meine 23-jährige Karriere machen."
Was ihn im Rückblick glücklich macht? "Bei der Reise des Sports dabei gewesen zu sein – wie sich Material, Strecken und die gesamte Professionalität weiterentwickelt haben –, das macht mich wirklich glücklich und auch stolz. Aber vieles hat sich geändert: Weil überall noch mal deutlich seriöser gearbeitet wird, fehlt mir manchmal der persönliche Bezug zu unseren Fans. Früher sind uns viele Unterstützer zu allen europäischen Rennen nachgereist, und wir haben uns in den Pits getroffen. Das ist anonymer geworden. Die Topstars wirklich hautnah zu erleben, ist schwieriger, wenn nicht fast unmöglich. Heute steht Social Media im Fokus und ersetzt oft den direkten Kontakt. Das finde ich schade – genauso wie aktuell der Weltcup so in den Fokus rückt, aber die Nachwuchsklassen nur halbherzig gefördert werden."
Im Hause Fumic tritt inzwischen Sohn Hugo bei XC-Rennen in die Pedale. Leistungsdruck und Dauertipps vom ehemaligen Rennsport-Papa? Fehlanzeige: "Mir geht es darum, einen sportlich aktiven jungen Menschen zu fördern und Spaß zu vermitteln. Das lässt sich auch gut aufs Team übertragen: Egal ob Wald-und-Wiesen-Rennen oder Weltcup, die Menschen sollen ins Gespräch kommen und gemeinsam Spaß haben. Das lebe ich vor – und ich merke im Team, dass unsere Sportlerinnen und Sportler offen auf jeden zugehen. Starallüren haben da keinen Platz." Allüren hatte Fumic nie. Mit seiner warmen, sympathischen Art hat er den Mountainbike-Sport mitgeprägt – und bleibt dem CFR als Gute-Laune-Macher, Brückenbauer und Ideengeber erhalten.












