Fahrradunfall mit Auto: Welche Ansprüche habe ich?

Kennst du deine Rechte?
Fahrradunfall mit Auto: Welche Ansprüche habe ich?

Zuletzt aktualisiert am 07.12.2023
Welche Rechte haben Fahrradfahrer bei einem Unfall?
Foto: TommL / Getty Images

Da fährt man seelenruhig auf dem Radweg und ohne Vorwarnung kommt plötzlich ein Auto aus einer Einfahrt auf den Radweg geschossen. Du hast keine Chance zum Ausweichen und prallst in die Seite des Autos und stürzt.

Diese Situation möchte kein Radfahrer erleben. Zusammen mit Rechtsanwalt Dustin Hirschmeier von der Kanzlei Rechtskontor49 in Osnabrück haben wir hier zusammengefasst, welche Ansprüche Fahrradfahrer nach einem Unfall haben.

Kleiner Disclaimer vorab: Wir versuchen, einen allgemeinen Überblick über die Rechte zu geben, auf die sich Radfahrende berufen können. Aber jeder Einzelfall ist anders. Schon Kleinigkeiten können dazu führen, dass ein Sachverhalt komplett anders bewertet werden kann. Unsere Infos können deshalb keine individuelle juristische Beratung ersetzen.

Muss ich nach einem Fahrradunfall die Polizei rufen?

Bei einem Fahrradunfall braucht man nicht in allen Situationen die Polizei hinzuziehen.

Polizei sollte eingeschaltet werden:

  • Beim Unfall wurde jemand verletzt.
  • Der Unfall soll strafrechtlich aufgearbeitet werden, z.B. weil der Autofahrer Vorfahrtsregeln verletzt hat.
  • Es gibt Streit über die Unfallursache, der Verursacher bestreitet seine Schuld.
  • Der Unfallgegner weigert sich, seine Daten herauszugeben.
  • Es besteht Verdacht auf Alkohol oder Drogenkonsum.

Polizei muss nicht zwangsläufig eingeschaltet werden:

  • Es gibt keine Verletzten, nur Sachschaden.
  • Es ist keine strafrechtliche Aufarbeitung gewünscht.
  • Es besteht Einigkeit über den Unfallhergang.
  • Die Personendaten werden problemlos ausgetauscht.

Rechtsexperte Hirschmeier erläutert: "Aus dem Kfz-Bereich kennt man die Tendenz, dass Menschen bei einem Unfall sofort sicherheitshalber die Polizei rufen. Das ist bei kleineren Unfällen ohne Verletzte und bei klarer Schuldfrage aber nicht immer nötig. Denn die hinzugerufene Polizei hat den Unfallhergang nicht beobachtet und kann vor Ort nur den Unfall aufnehmen und durchsetzen, dass die Personalien aufgenommen werden. Sollten die Unfallbeteiligten die Personalien bereits ausgetauscht haben und die Versicherungen ausgetauscht haben, besteht dann für das Hinzuziehen (jedenfalls zivilrechtlich) nicht mehr zwangsläufig die Notwendigkeit."

Anders sieht es aus, wenn der Unfall durch einen Verstoß gegen die Verkehrsregeln zustande gekommen ist (Vorfahrt genommen, zu dicht überholt, etc.) und du möchtest, dass der Autofahrer dafür bestraft wird. "Sollte der Wunsch bestehen, dass der Vorgang auch strafrechtlich aufgearbeitet wird, dann macht es durchaus Sinn die Polizei hinzuziehen," so Hirschmeier. "Auf diese Weise können unmittelbar durch die Ermittlungspersonen Fotos vor Ort angefertigt werden und auch das Schadenbild dokumentiert werden. Habe ich aber selber schon alle Daten bekommen, brauche ich per se nicht die Polizei. Wichtiger ist es da aus meiner Sicht aktiv auf Zeugen zuzugehen und die Kontaktdaten dieser Personen aufzunehmen und Fotos von den Beschädigungen / Verletzungen anzufertigen, sodass später nachgewiesen werden kann, dass die Beschädigungen am Unfallort vorgelegen haben."

Welche Daten brauche ich vom Unfallgegner?

Um später die Reparaturkosten erstattet zu bekommen und ggf. weitere Ansprüche wie Schmerzensgeld oder Schadensanspruch geltend machen zu können, ist es wichtig, die persönlichen Daten vom Unfallgegner vor Ort zu erfragen. Wichtig sind:

  • Name
  • Anschrift
  • Telefonnummer
  • Versicherungsnummer und Versicherer
  • Kfz-Kennzeichen (nur wichtig, wenn die Versicherungsdaten nicht bekannt sind)

Tipp: Ganz auf Nummer sicher geht man, wenn man gemeinsam mit dem Unfallgegner einen Unfallbericht anfertigt und dieser von allen Parteien unterschrieben wird. Eine mehrsprachige Vorlage für einen Unfallbericht gibt's beim ADAC. Aber natürlich hat man als Fahrradfahrer in den seltensten Fällen einen Ausdruck dabei.

Das richtige Verhalten am Unfallort

Nach einem Unfall hat man meist nicht gerade einen klaren Kopf. Selbst, wenn es keine Verletzten, sondern "nur" einen Sachschaden gab, schüttelt der Unfall den Tag durch und bringt verständlicherweise Wut über das kaputte Fahrrad mit sich. Bei all dem Stress rät Rechtsexperte Hirschmeier aber – neben dem Personalientausch – diese vier Dinge direkt nach dem Unfall nicht zu vergessen. Das erleichtert später die Schadensregulierung:

1. Die Unfall-Situation fotografieren: Alle Beschädigungen am Rad sollten fotografisch festgehalten werden – idealerweise in der Unfallsituation mit dem verursachenden Fahrzeug. "Das ist wichtig, damit einem später nicht vorgeworfen werden kann, man sei mit dem Rad nach dem Unfall weitergefahren und habe sich die Beschädigungen erst dann zugezogen. All das habe ich schon erlebt", so Hirschmeier.

2. Zeugen ansprechen: Wenn es Augenzeugen des Unfalls gibt, sollte man diese sofort ansprechen und deren Kontaktdaten erfragen. Falls es später doch Streit um den Unfallhergang gibt, ist man vorbereitet.

3. Zum Arzt gehen: "Aus persönlicher Erfahrung empfehle ich, als Fahrradfahrer nach einem Unfall immer zum Arzt zu gehen, auch wenn auf den ersten Blick nichts Schlimmes passiert ist", so Hirschmeier. "Das Adrenalin überdeckt schnell, dass man sich eventuell doch verletzt hat." Wichtig ist das nicht nur für die eigene Gesundheit, sondern auch für mögliche Schmerzensgeldansprüche, die man später geltend machen möchte. Denn dafür wird regelmäßig ein ärztliches Attest gefordert. Ohne ärztlichen Verletzungsbeleg ist der Nachweis, dass und in welchem Ausmaß Verletzungen vorlagen, nur schwer bis gar nicht möglich.

4. Ein Gutachten einholen: Sofern der Schaden nicht offensichtlich unterhalb der Bagatellschwelle (ca. 500 Euro) liegt, ist es ratsam, die Beschädigungen durch einen Gutachter abklären zu lassen. "Nur so kann ermittelt werden, ob ein Totalschaden vorliegt und das Fahrrad noch reparaturwürdig ist oder man ggfs. auf eine Regulierung in Geld verwiesen werden kann."

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Joerg Kuenste

Welche Ansprüche hat man nach einem Fahrradunfall?

  • Unkostenpauschale von ca. 25 bis 30 Euro: Ist dafür gedacht, den Aufwand (auch zeitlich), den man nach einem Unfall hat, abzudecken. Wird im Normalfall von den Versicherungen im Rahmen ihrer sonstigen Regulierungen überwiesen.
  • Reparaturkosten: Wurde beim Unfall das Fahrrad beschädigt, besteht Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten. Dafür gehst du zur Werkstatt, holst dir einen Kostenvoranschlag und leitest diesen dann an den Unfallverursacher bzw. dessen Versicherung weiter. Achtung: Diese Kosten sind jedoch nur bis zum Restwert des Fahrrades möglich.
  • Wiederbeschaffungsaufwand: Ist das Fahrrad so stark beschädigt, dass es nicht mehr repariert werden kann, kann der Wiederbeschaffungsaufwand von der gegnerischen Versicherung verlangt werden. Dabei handelt es sich um die Differenz zwischen dem Wert des Rades vor dem Unfall und dem Wert, den das Rad im verunfallten Zustand aktuell noch hat.
  • Gutachterkosten ab einer Bagatellgrenze von ca. 500 Euro: Bei der Entscheidung, ob ein Totalschaden am Rad vorliegt oder ob repariert werden kann und wie hoch der Wiederbeschaffungsaufwand im Falle eines Totalschadens ist, kann ein Sachverständiger hinzugezogen werden. Die Kosten dafür muss die Gegenseite tragen, sofern der Unfall vollständig von dieser verschuldet wurde.
  • Nutzungsausfall: Wenn das Rad dein Hauptverkehrsmittel ist, und es nun nicht mehr nutzbar ist, hast du Anspruch auf eine Nutzungsentschädigung. Die wird für die Dauer der Reparatur oder bei Totalschaden der Anschaffung eines neuen Fahrrades gezahlt und liegt bei 10 bis 15 Euro pro Tag.
  • Schmerzensgeld: Wurdest du bei dem Unfall verletzt, hast du Anspruch auf Schmerzensgeld. Die Höhe ist dabei jeweils vom konkreten Fall abhängig.
  • Rechtsanwaltskosten: Kosten für einen Anwalt werden von der gegnerischen Versicherung ersetzt, wenn diese notwenig sind. Bei einfachen verkersunfällen mit Sachschaden ist das in der Regel nicht der Fall. Bei schweren Unfällen, die langwierige Verletzungen nach sich ziehen, empfiehlt es sich aber, einen Anwalt einzuschalten, der deine Ansprüche prüft und gegenüber der Versicherung geltend macht.

Wie funktioniert die Schadensregulierung?

Wenn du dich jetzt fragst: "Schön, aber wie genau komme ich jetzt an das Geld, das mir zusteht?" – dann haben wir hier die Antwort.

Direkter Kontakt: Bei kleineren, klaren Unfallsituationen kann man sich ganz unbürokratisch selbst um die Regulierung kümmern. Einfach den Kostenvoranschlag der Fahrradwerkstatt dem Unfallgegner mit der Bitte um Überweisung zusenden.

Über die Versicherung: Alternativ kann man die Schadensregulierung über die Versicherung laufen lassen. Dazu wendet man sich unter Angabe des Kennzeichens an die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners und bekommt dann einen Fragebogen für Antragsteller zugeschickt. Den füllt man aus und schickt ihn zurück zur Versicherung. Achtung: Oft benötigt man dafür Kaufbelege vom eigenen Rad oder vom beschädigten Equipment.

Über den Anwalt: Je schwerwiegender der Unfall jedoch war, desto mehr Sinn macht es, sich von Anfang an anwaltlichen Rat zu holen. Insbesondere, wenn es um Personenschäden geht. Schmerzensgeld und ähnliche Ansprüche lassen sich sonst oft nur schwer durchsetzen.