Alles neu im Gravel-Line-up von Sram
Vor einem guten Jahr setzte Sram mit der Red AXS XPLR ein Ausrufezeichen im Komponentenmarkt. Die komplett neu gemachte Elektro-Gruppe mit1 x 13-Antrieb weckte mit verbesserter Ergonomie, starken Bremsen und vielen smarten Detaillösungen auf Anhieb viele Begehrlichkeiten. Allerdings zum stolzen Preis, was den Traum von der neuen Supergruppe für viele schnell platzen ließ. Jüngst legte Sram nach und hob die preislich deutlich darunter angesiedelten Ensembles Force und Rival auf den annähernd gleichen Technikstand.

Die Griffe der neuen Force- und Rival-Gruppen übernehmen die Ergonomie der teuren Red.
Die Form der Griffe, die Anzahl der Gänge, die wichtigsten technischen Features – Force und Rival übernehmen zentrale Technologien der teuren Red. 1 x 13 wird damit zum neuen Standard im Gravel-Line-up von Sram, nur die Einsteigergruppe Apex kommt noch mit 1 x 12-Antrieb – mechanisch via Bowdenzug oder elektronisch per Funk angesteuert. Wo die Amerikaner gespart haben? An den verbauten Materialien und der Anmutung. Das macht sich im Gewicht bemerkbar, klar. Dafür spart man eine Menge Geld: Knapp 600 Euro gegenüber einer Force und satte 2500 Euro gegenüber einer Red (UVP-Preise). Wir sind die Teile der Rival XPLR AXS ausgiebig Probe gefahren – hier sind unsere Eindrücke. Long story short: Wir sind ziemlich begeistert!
Die Griffe
Die vielleicht auffälligste und spürbarste Änderung sind die Griffe. Diese haben die exakt gleiche Ergonomie wie die Red- und Force-Griffe. Sie sind schmaler und länger geworden als die Vorgänger, etwas weniger klobig und liegen sehr gut in der Hand. Auffällig: Der Griffkörper ist so lang geworden, dass mittlerweile die ganze Hand mit allen vier Fingern hinter den Bremsgriff passt – das passte früher nicht. Zum Vergleich: Bei aktuellen Shimano STI wird es hinterm Bremsgriff je nach Handgröße schon mit drei Fingern fast ein bisschen eng – umso mehr im Winter mit Handschuhen, der Zeigefinger wandert hier zwangsläufig vor den Bremsgriff.
Durch die recht langen Körper der neuen Sram Rival-Griffe wird aber auch die Sitzposition faktisch fast einen Zentimeter länger – das sollte man im Hinterkopf haben, je nachdem wie sportlich oder gemütlich man sitzen will.

Die Griffkörper sind länger geworden, vier Finger passen problemlos hinter den Bremsgriff. Der lässt sich dank geringer Bedienkräfte spielend nur mit einem Finger ziehen.
In der Praxis gewöhnt man sich blitzschnell an die kinderleichte Schaltlogik von Sram: Ein Klick auf der einen Seite bewegt die Kette in die eine Richtung, ein Klick auf der anderen Seite in die andere Richtung. Welche Seite in einen leichteren, welche Seite in einen schwereren Gang wechselt, kann man leicht per App festlegen. Die Schalttasten selbst klicken sehr definiert und liefern sowohl haptisch wie auch akustisch eine deutliche Rückmeldung.
Die Gangwechsel selbst vollziehen sich blitzschnell, präzise und leise – dass das mit einer Red XPLR noch einmal signifikant besser geht, kann man sich gar nicht vorstellen. Abstriche gegenüber den teureren Gruppen muss man aber natürlich dennoch hinnehmen – neben anderen Materialien (aber nur im Griffinneren, der Bremsgriffe sind ebenfalls aus Carbon), höherem Gewicht und abweichenden Griffgummis fehlen bei der Rival die Zusatzschalttasten innen auf den Griffhöckern. Hier kann man bei Red und Force ebenfalls schalten oder kompatible Drittgeräte bedienen, zum Beispiel durch die Ansichtsseiten eines Radcomputers klicken.

Bei den Rival-Gruppen verzichtet Sram auf die kleinen zusätzlichen Schalttasten innen auf den Griffhöckern - diese bleiben Red und Force vorbehalten. Die Griffweiten-Einstellung erfolgt hingegen identisch: Hinter der kleinen Abdeckkappe oben am Griff sitzt die zuständige Schraube.
Positiv: Am Testrad waren Blips, also zusätzliche Schalttasten unter dem Oberlenker montiert. Persönlicher Tipp: Diese entgegengesetzt zur Funktion der Griffschalttaste programmieren – dann kann man auch bei Sram mit einer Hand auf einer Seite in beide Richtungen schalten. Wo wir gerade bei Individualisierung sind: Die Griffweite der Bremshebel kann natürlich individuell an die eigene Handgröße und persönliche Vorlieben angepasst werden – die dafür notwendige Schraube befindet sich hinter einer kleinen Abdeckung an der oberen Front des Bremsgriffs.
Das Highlight der neuen Sram-Griffe ist aber – wie auch bei Red und Force – die minimale Bedienkraft fürs Bremsen: Bereits kurzes Ziehen am Bremshebel mit nur einem Finger baut hervorragend dosierbar eine hohe Bremskraft auf. Wechselt man nach einigen Testkilometern zurück auf ältere Sram-Bremsgenerationen oder Konkurrenzprodukte, ist man über die große Handkraft, die zum Bremsen notwendig ist, regelrecht irritiert.
Die Bremse
Neben der geringen Handkraft, die bei der Sram Rival XPLR notwendig ist, gefällt auch die Bremskraft selbst. Die Anlage bremst auf Wunsch sehr kraftvoll, aber auch fein dosierbar. Aber aufgepasst: Wer bei der allerersten Tour mit einer neuen Sram-Gruppe mit der bislang gewohnten Power die Bremsgriffe zieht, wird durch die geringen Bedien- und hohen Bremskräfte womöglich überrascht. Einige blockierende Hinterräder können schon dabei sein, bis man sich an die neuen Bremsverhältnisse gewöhnt hat.

Packt kräftig zu, begeistert dabei mit geringen Bedienkräften: die neue Bremse der Sram Rival XPLR.
Kleiner Wermutstropfen: Subjektiv wurde die Bremsscheibe schnell heiß und "klingelte" dann einige Meter – das kennt man von Sram so nicht unbedingt. Wer per Schleifbremsung die Scheibe zum Glühen bringt, riskiert so womöglich schneller, dass sich die Bremsscheibe verzieht und dann wieder gerichtet werden muss.
Der Antriebsstrang
Die Kurbel wirkt robust und optisch gefällig, mit den Aussparrungen auf beiden Seiten. Deutlich markiert ist, dass ein Powermeter nachgerüstet werden kann – der Preis dafür ist mit 190 Euro ausgesprochen fair. Fünf Kurbellängen von 160 bis 175 Millimetern sowie Kettenblattgrößen von 38 bis 46 Zähnen bieten eine große Auswahl.

13 Ritzel, Flattop-Kette, Einfach-Kurbel - die Rival XPLR bietet alle Technologien der teureren Gruppen, allerdings dank abweichender Materialien zum etwas kleineren Preis.
Die Flattop-Kette verrichtete ebenso zuverlässig wie unauffällig ihren Dienst. Die Kassette kommt wie erwähnt mit 13 Ritzeln und in einer einzigen Ausführung: mit 10–46 Zähnen. In Kombination mit einem 40er-Kettenblatt an der Kurbel ergibt sich eine Übersetzungsbandbreite, die im Gravel-Einsatz in jeder Hinsicht überzeugte: Bergab kann man bis über 60 km/h gut treten, an steilen Schotteranstiegen kann man bis etwa 8 km/h hinunter flüssig pedalieren. Die Gangsprünge sind dank der 13 Ritzel erfreulich gering – oben sind sie naturgemäß etwas größer, was aber nie als störend empfunden wurde, unten raus bei höherem Tempo gab es sowieso keine Probleme.

Optisch markant sind bei der Rival-Kurbel die Aussparungen. Ein einseitig messender Powermeter kann für vergleichsweise kleines Geld nachgerüstet werden.
Das Schaltwerk
Das Schaltwerk ist etwas größer geworden, wirkt massiver, aber auch stabiler. Der Akku wird neu von hinten nach vorne horizontal eingeschoben und verschlossen, statt von hinten vertikal aufgesetzt und festgeklippt zu werden. Auch dies wirkt robuster, geschützter, vertrauenerweckender. Ebenfalls deutlich größer geworden sind die Schaltröllchen.
Der AXS-Knopf ist jetzt nicht mehr filigran und rund, sondern quadratisch und mit weniger Fingerkraft zu drücken – allerdings auch etwas schwammiger als vorher. Die Funktion ist indes identisch: einmal drücken = leuchten des Akkustands und ein Ritzel kleiner schalten; Doppelklick = leuchten des Akkustands und ein Ritzel größer schalten. Apropos Akku: Dieser hielt vergleichbar lang wie bisher, also um die 750 Kilometer mit einer vollen Ladung.

Der Akku ist nun weniger exponiert als bei älteren AXS-Gruppen und wird von hinten ins Schaltwerk geschoben. Der AXS-Knopf ist nicht mehr rund, sondern rechteckig und deutlich größer geworden, gibt beim Drücken aber etwas weniger definiert Rückmeldung als bisher.
Wie bereits bei den Griffen angedeutet, funktionieren die Gangwechsel jederzeit schnell und präzise, die Kette wird unter Spannung gehalten und schlägt nicht. Wichtig: Das Rival XPLR-Schaltwerk verlangt ein UDH-kompatibles Ausfallende. "Universal Derailleur Hanger" ist ein universelles, herstellerübergreifendes Schaltaugen-Design. Sram verzichtet bei der Schaltwerksbefestigung komplett auf ein Schaltauge, per "Full Mount" sitzt es direkt an der Achse. Vorteil: präzise Ausrichtung des Schaltwerks zur Kassette ohne Einstellschrauben.

Sram verzichtet bei der Schaltwerksbefestigung komplett auf ein Schaltauge, per „Full Mount“ sitzt es direkt an der Achse. Vorteil: präzise Ausrichtung des Schaltwerks zur Kassette ohne Einstellschrauben.
Fazit Sram Rival XPLR AXS
Die Technologie der Top-Gruppen zum günstigeren Preis – uns fehlte beim mehrwöchigen Praxistest nichts, Schalten und Bremsen ging jederzeit perfekt von der Hand. Das Gewicht mag bei Red und Force geringer sein, ist aber unterm Strich irrelevant, die wenigen Zusatzfunktionen der teureren Gruppen sind nice-to-have, im Zweifel aber verzichtbar.

Alles im Griff: Die neue Sram Rival XPLR AXS-Gruppe weiß zu überzeugen.
Wer nicht zwingend höher angesiedelte Gruppennamen auf seinen Teilen stehen haben muss, das Mehrgewicht von knapp 500 Gramm bzw. 250 Gramm gegenüber Red und Force verkraftet und auf manche Zusatzfunktion verzichten kann, freut sich bei der Rival XPLR AXS Top-Funktion und ein sehr attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis. Um konkrete Zahlen zu nennen: Die Rival XPLR AXS kostet ohne Powermeter 1560 Euro, die Force XPLR AXS 2135 Euro, die Red XPLR 4023 Euro (UVP-Preise).

Das Testrad, an dem wir die Sram Rival XPLR AXS ausprobiert haben, ist ein Trek Checkpoint, ausgestattet unter anderem mit Zipp 303 XPLR-Laufrädern und Goodyear-Reifen. So, wie hier zu sehen, gibt es das Rad zwar nicht zu kaufen, Trek bietet mit dem Checkpoint SL 6 AXS Gen 3 aber ein ähnliches Modell mit Sram Rival XPLR und Bontrager-Ausstattung für 3999 Euro.