- Kurz und knapp – Die Ergebnisse des ROADBIKE-Tests
- Diese Systeme haben wir getestet
- Systemfrage
- Die Testkriterien
- Pannenbehebung
Kurz und knapp – Die Ergebnisse des ROADBIKE-Tests
Alle Set-ups haben ihre Vor- und Nachteile. TPU, Tubeless und Latex bieten über einen breiten Einsatzbereich hinweg eine sehr gute Rundum-Performance, Butyl gefällt mit hoher Praktikabilität und geringen Kosten. Wie Sie nun das richtige Set-up finden? Gewichten Sie die Testkriterien nach persönlichen Vorlieben und Fahrgewohnheiten. Und: Wie bewerten Sie persönlich das Risiko schwieriger Montage und den Wartungsaufwand bei Tubeless? Oder wären Sie bereit, den höheren Preis von TPU-Schläuchen zu zahlen? Die gute Nachricht: Grundlegend falsch liegen Sie mit keinem der getesteten Systeme.
Rennradschläuche aus Butyl & Butyl light

Stärken und Schwächen:
preiswert, fast überall verfügbar, einfach zu flicken
Standard-Schläuche mit mäßigem / Light-Schläuche mit schlechten Pannenschutz (= hoher Druck nötig), normale Schläuche deutlich schwerer als alle Alternativen
Kurzes Fazit: Butylschläuche haben ihre Daseinsberechtigung: Sie sind einfach praktisch und preiswert. Der Aufpreis und der höhere Aufwand für andere Systeme lohnt sich eher für ambitionierte Fahrer. Die Light-Schläuche sind wegen des mangelnden Pannenschutz nur bedingt zu empfehlen. Wer großen Wert auf Gewicht legt, sollte lieber etwas mehr investieren und auf TPU-Schläuche setzen.
Rennradschläuche aus Latex

geringer Rollwiderstand, leichtfüßiges Handling, gewohnte Montage
/ preislich und beim Gewicht nur Mittelklasse
kleine Schwächen beim Pannenschutz, häufiges Nachpupmen
Kurzes Fazit: Latexschläuche bieten einen guten Kompromiss aus Preis, Leistung und Montage. Und auch beim Abrollverhalten können die Latexschläuche punkten. Allerdings muss man leichte Abstriche beim Pannenschutz in Kauf nehmen und sich darauf einstellen, vor jeder Tour nachzupumpen. Denn die Latexschläuche halten die Luft nicht so gut wie Butyl oder TPU.
TPU & TPU light

Stärken und Schwächen:
leicht bis extrem leicht, top gegen Durchstiche, sehr leicht rollend
/ im Labor gegen Durchschläge schwach, in der Praxis aber gut
im Vergleich zu Butyl-Schläuchen teuer
Kurzes Fazit: Die extrem leichten TPU Schläuche scheinen dem perfekten Rennradschlauch schon sehr nahe zu kommen. Der gute bis sehr gute Pannenschutz macht sie für den Alltagseinsatz interessant. Das Gewicht kann locker mit Leicht-Schläuchen aus Butyl mithalten. Und dabei sind sie bei der Montage und im Handling deutlich unempfindlicher als Latex-Schläuche. Leider liegen sie auch beim Preis vorne und sind deutlich teurer als die anderen Schläuche. Und auch die speziellen Flicken schlagen etwas mehr auf den Geldbeutel.
Tubeless

Stärken und Schwächen:
relativ leichtes System, auch mit niedrigem Druck prima Durchschlagschutz, dichtet Durchstiche ab, in der Praxis geringer Rollwiderstand, toller Grip
Montage kann(!) nerven, nicht wartungsfrei
Kurzes Fazit: In puncto Leichtlauf, Komfort, Grip und Pannenschutz spielt ein Tubeless-Setup ganz weit vorne mit. Und die Montage klappt heute meist recht ordentlich. Aber je nach Laufrad- und Reifenwahl kann das Setup zur Geduldsprobe werden. Außerdem sollte je nach Hersteller die Tubeless-Milch alle 4 bis 6 Montate ausgetauscht oder zumindest kontrolliert werden. Also nicht unbedingt etwas für Werkstattmuffel.
Diese Systeme haben wir getestet
Vor allem die Unterschiede beim Preis sind enorm. Los geht es ab 6 Euro:
Butyl & Butyl light – die Günstigen
Die meisten Rennräder kommen werksseitig mit Schläuchen aus Butyl. In der Standardausführung sind sie mit Preisen ab sechs Euro sehr preiswert, dafür aber auch um 110 Gramm pro Stück schwer. Sogenannte Light-Schläuche wiegen rund 30 g weniger und sind dabei kaum teurer. Für unseren Systemvergleich haben wir uns bei den Modellen von Schwalbe bedient.
Latex – die Schnellen
Latexschläuche haben beim Team Deceuninck-Quick-Step geschafft, was im Profisport quasi als unmöglich galt: Schlauchreifen durch Clincher zu ersetzen. Neben dem von uns getesteten Modell Air Comp A1 von Michelin, das nur für schmale Reifen geeignet ist, bieten u. a. Vittoria, Challenge und Silca Latexschläuche an. Preislich liegen sie zwischen günstigem Butyl und teurem TPU
TPU & TPU light – die Elastischen
Mit Preisen ab 25 Euro pro Stück sind die Schläuche aus thermoplastischem Polyurethan von Pirelli, Schwalbe und Tubolito teuer, versprechen jedoch Leichtbau, Top-Rolleigenschaften und Haltbarkeit – bei ähnlichen Luftdrücken wie mit Tubeless. In diesem Systemvergleich beziehen sich die TPU-Werte immer auf Schwalbes Aerothan.
Tubeless – die Alternative
Fast alle modernen Felgen sind "tubeless-ready" und schnell und günstig umgerüstet. Ein spezielles Dichtband ist meist nicht mehr nötig. Für 500 ml der benötigten Dichtmilch (reicht für 4–5 Reifen) werden ab 20 Euro fällig, dazu kommen noch circa 10 Euro für zwei Ventile. Inklusive Ventil und 60 ml Milch wiegt das Set-up knapp unter 100 Gramm. Ein Vorteil: Die Milch verschließt Durchstiche im Reifen selbst.
Systemfrage
Die Sache scheint klar zu sein: Rennradfahrer sind klassisch mit Reifen und Schlauch unterwegs. Zumindest sagen das überwältigende 83 Prozent von knapp 10 000 Rennradfahrerinnen und -fahrern, die an der RB-Leserbefragung 2020 teilnahmen. Gerade mal 12 Prozent entscheiden sich für Tubeless, 4 Prozent für Schlauchreifen. Eindeutige Angelegenheit also: Rennradfahrer fahren mit Schlauch. Ende der Diskussion? Ganz so einfach ist es nicht. Zum einen wächst der Anteil derer, die Tubeless fahren – seit der Leserbefragung 2018 hat er sich verdoppelt. Und: Auch Schlauch ist nicht gleich Schlauch. Wer sich für die "klassische" Variante entscheidet, hat mittlerweile (wieder) die Qual der Wahl.

Eine Zeitlang schien der gute alte Standard-Butylschlauch das Rennen gemacht zu haben: Trotz oder wegen seines Mehrgewichts erwies er sich als robust, einfach zu montieren und langlebig. Höheres Gewicht und größerer Rollwiderstand? Geschenkt! Denn Experimente mit Leichtbauschläuchen endeten nicht selten mit Plattfuß am Straßenrand oder, im schlimmeren Fall, mit aufgeschürften Knien im Straßengraben, da die dünnwandigen Materialien reihenweise der Bremshitze felgengebremster Laufräder zum Opfer fielen und platzten. Mit dem Siegeszug der Scheibenbremse hat sich die beim Bremsen entstehende Hitze aber von der Felge auf die Bremsscheibe verlagert – und spätestens jetzt erleben Leichtbau-Butyl- und Latexschläuche eine Renaissance. Und in jüngster Zeit kommen vermehrt hochmoderne thermoplastische Polyurethan-Schläuche (TPU) in den Handel. Interessant für alle, die mit Tubeless schlechte Erfahrungen gesammelt haben oder generell skeptisch sind gegenüber neuen, von der Industrie gepushten Technologien – wie eben Tubeless.
Die entscheidende Frage für Technikbegeisterte: Welches System ist denn nun das beste? Mit Schlauch oder ohne? Und wenn mit: aus welchem Material? Antworten dazu gibt’s aus dem Testlabor der Ralf Bohle GmbH (Schwalbe) und der RB-Praxistest.
Übrigens: "Tire Inserts" für Tubeless – in den Reifen eingelegte Schaumstoffeinlagen, die bei Defekten Notlaufeigenschaften garantieren sollen – wurden aufgrund schlechter Praxiserfahrungen mit Produkten verschiedener Hersteller nicht mitgetestet. Sobald die Technologie weiter ausgereift ist, werden wir sie bei künftigen Tests berücksichtigen.
Die Testkriterien
Testkriterium 1: Gewicht
Nirgends lässt sich so relativ einfach und preiswert Gewicht am Rennrad sparen wie bei der "Befüllung" des Reifens.

Zwischen Schwalbes Standard-Butylschlauch und dem leichten Aerothan-TPU-Modell liegen über 60 Gramm – pro Schlauch. Für 50 Euro machen Sie Ihren Renner also 120 Gramm leichter – top! Und dann sparen Sie das Gewicht auch noch bei der rotierenden Masse, wo es besonders deutlich spürbar wird!
Leichtbau-Butylschläuche und Latex liegen gewichtstechnisch dicht beieinander und sparen gegenüber dem Standard-Schlauch ein paar Gramm, kommen an die TPU-Modelle aber nicht ansatzweise heran. Bei Tubeless fällt zwar das Schlauchgewicht weg, aber neben der eingefüllten Menge Dichtmilch schlagen Ventile und schwerere Reifen zu Buche.
Als Gesamtsystem spart Tubeless unterm Strich also gegenüber dem klassischen Schlauch nicht sonderlich viel. Schlusslichter im Gewichtsranking sind – wenig überraschend – die klassischen Butylschläuche mit knapp 110 Gramm pro Stück.

Testkriterium 2: Rollwiderstand
Jedes Watt mehr Rollwiderstand bremst mess- und spürbar aus. Welches System "klebt" am wenigsten am Asphalt?

Das Gefühl, gegen einen unsichtbaren Widerstand anzutreten, kennen wir wohl alle. Grund dafür ist nicht selten ein zäh rollender Reifen – wer sich einmal die Mühe macht, unmittelbar nacheinander zwei verschiedene Reifenmodelle zu fahren, dürfte über das Ausmaß dieser erfahrbaren Unterschiede überrascht sein.
Das Ergebnis unseres Prüfstandtests: Latex und Tubeless sparen immerhin knapp vier Watt gegenüber einem Standard-Butylschlauch. TPU-Schlauch und Leichtbau-Butyl bleiben in Schlagdistanz, sodass Rennradfahrerinnen und -fahrern – zumindest, was den Rollwiderstand angeht – eine attraktive Auswahl schneller Set-ups zur Verfügung steht.
Allerdings sollte man aus Sicherheitsgründen nur dann zu Leichtbau-Butyl oder Latex greifen, wenn man auf Scheibenbremsen setzt: Auf heiß gebremste Felgen reagieren dünnwandiges Butyl und Latex empfindlich. Deshalb: entweder sehr bedacht bremsen – oder auf Nummer sicher gehen.

Testkriterium 3: Durchstich
Dornen, Splitter oder spitze Steinchen können Reifen und Schlauch durchstechen. TPU-Schläuche setzen neue Maßstäbe beim Schutz.

Beim Durchschlagschutz schwächelnd, brilliert TPU beim Durchstichtest: Um Schwalbes Aerothan-Schlauch zu durchdringen, benötigte der Testdorn über 36 Newton; ein ähnliches Bild ergab sich bei den anderen TPU-Schläuchen. Zum Vergleich: Der Standard-Butylschlauch war schon bei 12,3 Newton platt. Und das, obwohl er fast dreimal so viel wiegt wie die modernen TPU-Pendants und viel mehr Wandstärke aufweist.
Selbst der hauchdünne Tubolito S-Road-Schlauch ist den Butylschläuchen in puncto Durchstich überlegen. Der "dickere" Butyl steckt dafür seinen dünnwandigen Leichtbau-Bruder und, etwas überraschend, auch Latex in die Tasche. Letzteres ist zwar unangefochten, was die Elastizität des Materials angeht; bis zum Defekt war aber nur geringe Kraft notwendig. TPU hingegen verbindet Elastizität mit hoher Durchstich-Resistenz – top!

Testkriterium 4: Durchschlag
Zu Durchschlägen kommt es oft bei Schlaglöchern und an Bordsteinkanten. Welches System steckt die härtesten Schläge weg?

Sogenannte Snake Bites (Schlangenbisse) sind schnell passiert, wenn der Schlauch durch einen harten Schlag an der Felge gequetscht und an zwei Stellen perforiert wird. Je geringer die Wandstärke des Materials, umso wahrscheinlicher ein Defekt. Folgerichtig rangieren minimalistische TPU-Schläuche, Latex- und Leichtbau-Butylschläuche am unteren Ende der Rangliste.
Und ebenso logisch ist es, dass das System ohne Schlauch am besten abschneidet, muss hier doch der gesamte Mantel in Mitleidenschaft gezogen werden, damit Luft entweicht: Satte 185 Millimeter Fallhöhe waren beim Tubeless-Set-up für einen Defekt notwendig. Dafür wird es schnell teuer, wenn ein ganzer Reifen getauscht werden muss.
Erfreulich: Im Test hätte der Reifen mit einer "Salami" (Tubeless-Flickzeug) gerettet werden können. Günstiger kommt der gute alte Standard-Butylschlauch, der in dieser Disziplin zumindest ordentlich abschneidet und die dünnwandigen Geschwister deklassiert.

Testkriterium 5: Montage
Das beste Set-up nützt nichts, wenn bei der Montage die Nerven blank liegen. Vor allem bei Tubeless fällt ein pauschales Urteil schwer.

Schläuche in die Reifen einziehen? Simpel, oder? Aber gerade leichte Butylschläuche sind anfällig gegenüber Quetschungen. Wer den Schlauch bei der Montage einklemmt oder ohne Rücksicht auf Verluste mit Reifenhebern malträtiert, riskiert einen Schaden noch vor der Inbetriebnahme. TPU-Schläuche sind wegen ihrer höheren Elastizität einfacher im Handling, man darf sie aber nicht ohne Reifen, also "nackt", stark aufpumpen.
Tubeless ist und bleibt eine Frage der Kombi: Passen Felge, Reifen und Ventil gut zueinander, ist die Installation fast so einfach wie mit Schläuchen – auch ein Kompressor ist nur noch selten nötig. Eine allgemeingültige Empfehlung lässt sich seriös aber ebenso wenig aussprechen wie eine Garantie, dass ein einmal installiertes Set-up dauerhaft dicht hält: Passt die Kombi nicht, wird die Montage zur Gedulds- und Kraftprobe.

Testkriterium 6: Praxiseindruck
Genug Labor-Werte: Wie schlagen sich die Systeme in der Praxis?

Erstaunlich: Die unterschiedlichen Eigenschaften der Systeme lassen sich auch auf dem Rad deutlich herausfahren. Zwar wäre es unseriös, von Unterschieden wie Tag und Nacht zu reden – keine Variante ist "unfahrbar" –, deutliche Unterschiede sind aber spürbar.
Tubeless ist bergauf wie bergab der subjektiv beste Kompromiss aus leichtem Rollen, angenehmer Dämpfung und gutem Grip. In der Summe am nächsten kommen dem die TPU-Modelle, die sehr leichtfüßig und spritzig rollen und selbst bei mit Tubeless vergleichbaren, geringen Luftdrücken gefallen – eine interessante Alternative für alle, die bei Tubeless die Montage scheuen.
Auch der Latexschlauch rollt sehr flott und gefällt mit spritzigem Handling, verlangt aber mehr Luftdruck. Butyl präsentiert sich in beiden Versionen unkompliziert und verlässlich, ohne die ganz großen Emotionen auszulösen.

Pannenbehebung

Butyl-Schläuche flicken lernt man im Idealfall bereits als Kind und Sets mit Vulkanisier-Kleber und -Flicken gibt es in jedem Baumarkt. Zudem bieten viele Hersteller selbstklebende Gummiflicken an. Auch TPU-Schläuche sind (mit Ausnahme von Pirelli) zum Flicken freigegeben, Sets mit Komponenten-Kleber und kleinen TPU-Patches (Bild) kosten rund zehn Euro und nehmen genauso wenig Platz weg wie Butyl-Kits.
Und Tubeless? Kleinere Stiche im Reifen dichtet die Milch im Idealfall selbst ab, für größere Löcher verwendet man als Salami bezeichnete Gummiwülste. Diese sind extrem klebrig, müssen mit einem Dorn in die Reifenkarkasse getrieben werden, verschließen das Loch aber meist sehr sicher. Das Eintreiben benötigt aber je nach Dicke der Karkasse Kraft.