Basso Diamante SV im Praxistest
Mit dem Basso Diamante SV auf den Monte Grappa

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Steil ragt der Monte Grappa aus der venezianischen Ebene empor. Redakteur Moritz Pfeiffer ist die 1500 Höhenmeter hoch geradelt – und hat dabei gleich Erfahrungen mit dem Basso Diamante SV gesammelt. Ein Praxistest.

Monte Grappa
Foto: Monte Grappa

Der Monte Grappa. Seit ich die TV-Bilder vom Bergzeitfahren des Giro d´Italia 2014 gesehen und die ROADBIKE-Reisereportage gelesen habe, möchte ich dort einmal hinauffahren. Als ich im Sommer 2019 in Norditalien weile, ergibt sich endlich die Gelegenheit. Mit dem Auto geht es zunächst durch die venezianische Tiefebene - kleine Dörfer, Felder, Landwirtschaft. Alles sieht irgendwie gleich aus, die Orientierung ist schwierig. Aus der Ferne rücken die Berge immer näher, erst im Dunst, dann immer greifbarer. Und plötzlich, als ich um eine Kurve fahre, liegt er vor mir, wie eine Wand: der Monte Grappa. 1745 Meter über dem Meeresspiegel, 1500 Meter über der Ebene. Der südlichste Gebirgsstock der Dolomiten, eingerahmt durch die Flüsse Brenta und Piave.

Monte Grappa
Monte Grappa
Blick aus der Ebene auf den Monte Grappa

Mein erstes Ziel: San Zenone degli Ezzelini. Dort, fast unmittelbar am Fuß des Monte Grappas, ist der Firmensitz des italienischen Radherstellers Basso. Dieser stellt mir für die Auffahrt eines ihrer Räder zur Verfügung: ein Diamante SV. Im ROADBIKE-Test überzeugte das Modelljahr 2017 mit ordentlichen Steifigkeitswerten und geringem Gewicht. Ich werde mir ein eigenes Urteil bilden. Zunächst gilt es, mich mit Luca zu verständigen – dem Basso-Mitarbeiter, der mir das Rad überreicht. Luca ist Italiener und spricht nur wenig englisch und spanisch, ich spreche zwar spanisch und englisch, dafür aber kaum italienisch. Small-Talk wäre kein Problem, aber was heißt denn bitte schön „zweiter Flaschenhalter“, „Satteltäschchen“, „Ersatzschlauch“ und „Reifenheber“ auf italienisch?

Dank Kommunikation mit Händen und Füßen und viel gemeinsamen Lachen habe ich bald, was ich brauche, und rolle los. Kurz flach, dann leicht ansteigend und schließlich: steil hinauf. Von den immerhin vier großen und fünf kleinen Sträßchen, die auf den Monte Grappa führen, entscheide ich mich für die Anfahrt über Semonzo. Auch das Zeitfahren des Giro d´Italia 2014 führte über diese 16,8 Kilometer und 1530 Höhenmeter auf den Berg – die Etappe gewann übrigens der spätere Gesamtsieger der Rundfahrt, Nairo Quintana.

Cycling: 97th Tour of Italy 2014 / Stage 19
Velo
Der Giro d´Italia 2014 am Monte Grappa

Zunächst geht es im Wald immerhin sechzehn Serpentinen den Berg hinauf, angenehm gleichmäßig bei ca. sieben bis acht Prozent Steigung. Immer wieder öffnen sich Blicke auf die Ebene, die mehr und mehr in der Tiefe entschwindet. Die Sonne brennt vom wolkenlosen Himmel, bei 30 Grad sind nur wenige Radfahrer unterwegs. Über mir kreisen wie die Geier zahlreiche Gleitschirmflieger, die etwa bei Kilometer sechs der Auffahrt, gestartet sind, an einer steilen Wiese unweit des Bed & Breakfast mit dem wahlweise romantischen oder zweideutigen Namen „Space of Love“. Dort wähnt man sich wie auf einer Terasse: eng klebt die Straße am Steilhang, der viele hundert Meter zur Ebene abfällt. Lag ich bis hierhin selbstverständlich noch klar in Schlagdistanz zu Nairo Quintanas Bestzeit auf den Monte Grappa, entscheide ich mich nun großmütig für das touristische Programm, genieße die Ausblicke, mache Fotos.

Monte Grappa
Monte Grappa

Nach etwa neun Kilometern, folgt eine spekakuläre Passage: Sehr schmal windet sich die Straße an steilen Felswänden entlang, fast flach, manchmal geht es sogar leicht bergab. Zwei Mal geht es durch kurze Tunnel, die in den mächtigen Fels gesprengt sind. Und immer wieder öffnen sich Blicke hinab in die Ebene. Kurz hinter Campo Croce geht es dann zur Sache, der Monte Grappa zeigt seine Zähne: zwei Kilometer steigt die Straße fast durchgängig mit zwölf, dreizehn Prozent bergauf, zumeist lange Geraden, keine Aussicht, erst noch im Wald, dann durch Wiesen. Danach kann man zwar hier und da kurz durchschnaufen, mehrheitlich bleibt es aber steil bis zum Gipfel – nun übrigens durch mit Felsen garnierte Bergwiesen. Ich kämpfe, ich leide, von einem runden Tritt ist schon lange nichts mehr zu sehen. Aber ich bin auch begeistert von der Landschaft, immer schweift mein Blick umher – was kein Problem darstellt, da mir auf der gesamten Auffahrt höchstens zehn Autos und keine (!) Motorräder begegnen.

Monte Grappa
Monte Grappa

Dann, nach genau 1 Stunde und 58 Minuten inklusive Pausen für den Anstieg, erreiche ich das Rifugio Bassano, ein Ausflugslokal nur wenige Meter unterhalb des Gipfels, wo der Asphalt endet. Giro-Etappensieger Nairo Quintana war noch nicht mal eine volle Stunde schneller als ich. Gut, in der Zeit ist er auch noch ein acht Kilometer langes Flachstück gefahren, um überhaupt zum Fuß des Anstiegs zu kommen, aber wer will jetzt päpstlicher sein als der Papst?

Bis zum Gipfel sind es noch einige Meter, die ich schiebend zurücklege. Auch aus Respekt: Oben auf dem Monte Grappa, in 1775 Metern Höhe, befindet sich ein in den 1930er Jahren errichtetes monumentales Denkmal, das an die während des Ersten Weltkrieges bei Kämpfen am Monte Grappa ums Leben gekommenen Soldaten erinnern soll. Über 23.000 italienische und österreichische Gefallene ruhen auf dem Gipfel. Unvorstellbar, aber traurige Wahrheit, dass sich in dieser wunderbaren Landschaft Armeen gegenüberstanden, blutige Kämpfe stattfanden und viele Menschen getötet wurden. Übrigens: Ernest Hemingways weltberühmter Roman „A farewell to arms“ (dt. „In einem anderen Land“) behandelt die Ereignisse 1917/18 während der Piaveschlachten rund um den Monte Grappa.

Monte Grappa
Monte Grappa
Denkmal aus den 1930er Jahren für die während des Ersten Weltkriegs bei Kämpfen am Monte Grappa gestorbenen Soldaten.

Der Blick in die Ferne vertreibt düstere Gedanken an die Vergangenheit: Im Norden grüßen die Dolomiten, tief unten brütet die Po-Ebene in der Hitze, am Horizont scheint die Adria zu blitzen. Vielleicht der richtige Moment, um die Eindrücke und Gedanken über das Leihrad zu ordnen.

Basso Diamante SV

Für eine klassische italienische Marke ist Basso Bikes noch vergleichsweise jung. 1977 gründete Alicde Basso, Bruder des Straßenweltmeisters von 1972, Mariano Basso, offiziell die Firma, nachdem man bereits seit 1974 in der Familiengarage eigene Rennräder produziert hatte. Ursprünglich Hersteller von Stahlrahmen, produziert Basso heute überwiegend Carbon-Rennräder (übrigens Made in Italy). Besitzer der Firma ist noch immer Alcide Basso.

Monte Grappa
Monte Grappa
Das Basso Diamante SV, im Hintergrund das Rifugio Bassano.

Im Portfolio von Basso ist das Diamante SV das schnelle Race-Bike mit Aero-Komponente – SV steht für Super Veloce (vor diesem Hintergrund noch einmal eine aufrichtige Entschuldigung an das Rad für mein Rumgeschleiche am Berg). Mit Aero-Rohrprofilen, auf den schnittigen Vorbau abgestimmte Spacer und integrierter Sattelklemmung gibt sich das Rahmenset sehr modern, spricht mit unaufgeregter Metallic-Lackierung aber auch Freunde klassischer italienischer Rennräder an. Standesgemäß ist es mit Campagnolos Super-Record-Gruppe ausgestattet (das Leihrad noch in 11-fach-Ausführung). Der getesteten Felgenbremsversion hat Basso 2018 auch eine Ausführung mit Scheibenbremse zur Seite gestellt.

Monte Grappa
Monte Grappa

Angesichts der rennmäßigen Anmutung und Positionierung des Rades überrascht die Sitzposition etwas: Man sitzt sehr zentral über dem Tretlager, mit nur geringer Streckung und wenig Sattelüberhöhung. So bringt man zwar viel Power auf die Kurbel, in eine aerodynamische Super-Veloce-Rennfahrerhaltung zwingt einen das Rad jedoch nicht. Mir persönlich kam das sehr entgegen – draufsitzen und wohlfühlen, lupenreine Rennfahrer wünschen sich gegebenenfalls eine etwas sportlichere Fahrerhaltung.

Monte Grappa
Monte Grappa
Aerodynamisch geformte Sattelstütze beim Basso Diamante SV.

Das Handling ist ausgewogen, weder nervös noch träge, die Lenkung – wie ich später auf der rasenden Abfahrt zurück nach San Zenone feststelle – direkt und präzise. Rahmenflattern? Überhaupt kein Problem, das Diamante SV schneidet wie auf Schienen durch die kurvige Abfahrt. Eine Sänfte ist der Rahmen allerdings nicht: Die Unebenheiten des norditalienischen Asphalts kommen vergleichsweise ungefiltert beim Fahrer an. Campagnolos Direct-Mount-Bremsen verzögern auf den Alu-Flanken der Laufräder von Bassos Hausmarke Microtech gewohnt zuverlässig, Michelins Top-Rennradreifen Power Race rollt geschmeidig ab und vermittelt viel Sicherheit auf der schnellen Abfahrt.

Die Übersetzung ist mit 34-Kettenblatt vorne und 29 Zähnen hinten in gewisser Weise schon für längere Anstiege gemacht. An den steilen Rampen im zweiten Teil der Auffahrt hätte ich mir aber ein 32er-Ritzel gewünscht (das es freilich bei der 11-fach Super-Record nicht gibt).

Monte Grappa
Monte Grappa

Alles in allem bleibt festzuhalten: Das Basso Diamante SV ist – je nachdem wie man es dreht und wendet – ein Aero-Renner mit Tourer-Potenzial oder ein laufruhiger Tourer mit Aero-Anleihen. In jedem Fall: ein treuer Begleiter bei einer Tour, die mir im Gedächtnis bleiben wird. Übrigens: Basso ruft für das 2019er Diamante SV in vergleichbarer Ausstattung gut 8000 Euro auf, das Rahmenset kostet inklusive Steuersatz, Vorbau und Sattelstütze 4460 Euro.

Rasende Abfahrt

Nachdem ich mich ausgiebig im Rifugio Bassano – dem Restaurant auf dem Gipfel – gestärkt habe, stürze ich mich mit einem letzten Blick zurück in Richtung Dolomiten-Panorama in die Abfahrt, über die Straße via Villagio del Sole geht es wieder hinab in die Po-Ebene. Diese führt über einen anderen Bergrücken, endet aber nur zwei Kilometer von Semonzo entfernt, wo meine Auffahrt begann. Während ich bergab fliege, kommen mir deutlich mehr Rennradfahrer entgegen. Jetzt, am Nachmittag, wo die größte Hitze weicht, scheint der Monte Grappa für zahlreiche Einheimische das lohnenswerte Ziel der Feierabendrunde zu sein. Viel motorisierter Verkehr ist aber nach wie vor nicht zu beklagen.

Monte Grappa
Monte Grappa
In der Ferne grüßen die Dolomiten.

Unten rolle ich auf den letzten Kilometern Richtung San Zenone gemütlich aus, blicke immer wieder hoch auf den Monte Grappa – und bin einmal mehr begeistert davon, welche Abenteuer sich mit einem Rennrad aus eigener Muskelkraft an einem Tag erleben lassen. Grazie, ciclismo!

Moritz Pfeiffer
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04 / 2023

Erscheinungsdatum 17.03.2023