Die Idee
Wer hat sich noch nie die Frage gestellt: Auf welches Leistungsniveau kann ich beim Rennradfahren kommen, wenn ich trainingstechnisch alle Register ziehe? Wie groß ist das Verbesserungspotenzial, wenn Be- und Entlastung, Ernährung, Schlaf, Sitzposition, Tretbewegung und Co. optimal aufeinander abgestimmt sind? Hebt man sein Leistungsvermögen auf ein höheres Niveau, wenn man unter professioneller Anleitung und streng nach Plan trainiert? Oder ist das eigene Potenzial womöglich längst ausgeschöpft? Und, ebenfalls eine wichtige Frage: Verleide ich mir womöglich die Lust am Fahren, wenn ich mit jeder Ausfahrt ein Trainingsziel verfolge, anstatt einfach draufloszufahren, den Tag zu genießen oder nach Lust und Laune meine Mitfahrer zu attackieren?
Ich will es ausprobieren. Ambitioniert und ehrgeizig, ja. Aber nicht verbissen. Und ich bin davon überzeugt, auch nach 26 Jahren im Rennradsport noch etwas Neues lernen zu können. Von meinen Erfahrungen und Erkenntnissen berichte ich in den kommenden ROADBIKE-Ausgaben und – zeitverzögert – auf bike-x.de. Und ich lade euch herzlich ein: mitzulesen, mitzulernen, mitzumachen.

Wo lande ich leistungstechnisch, wenn ich einmal unter professioneller Anleitung streng nach Plan trainiere? Wer sich diese Frage auch schon gestellt hat, liest weiter.
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Der Protagonist
- Name: Moritz Pfeiffer
- Alter: 41 Jahre
- Privater Hintergrund: verheiratet, drei Söhne
- Beruf: seit 2016 ROADBIKE-Redakteur
- Radsport: seit 1997 (Kind der "Ulle"-Tour)
- Trainingsumfang: ca. fünf bis acht Stunden pro Woche – draußen auf dem Rad oder drinnen auf dem Smarttrainer

Partners in crime 2024: ROADBIKE-Redakteur Moritz Pfeiffer (l.) und Radlabor-Coach Michael "Michi" Ecklmaier.
Das Ziel
Beim Granfondo La Stelvio Santini warten am 2. Juni 2024 gleich zwei legendäre Pässe des Giro d’Italia: der steile Mortirolo und der lange Stelvio. Gestartet wird in Bormio, unterwegs sind drei weitere, kürzere Steigungen zu bezwingen, das Ziel liegt nach 130 Kilometer und 4270 Höhenmeter auf der Passhöhe des Stilfser Jochs in 2758 Metern Höhe – vermutlich die höchstgelegene Bergankunft bei einem Jedermann-Event in Europa. Mein konkretes Ziel: ohne Probleme gut durchkommen und im ersten Viertel aller Teilnehmenden finishen.
Ein wichtiger Vorbereitungswettkampf soll zudem Eschborn–Frankfurt sein. Das Jedermann-/-fraurennen über 104 Kilometer sammelt 1550 Höhenmeter im Taunus. Mein Ziel: ohne Krise bestmöglich bestehen und weit vorne finishen.
Die Unterstützung
Gecoacht werde ich bei meinem Selbstversuch vom Radlabor. Das Trainingsinstitut unterstützt seit 1997 Sportlerinnen und Sportler auf allen Leistungsniveaus – schwerpunktmäßig aus dem Radsport, Triathlon und Laufsport. An den Standorten Freiburg, München und Frankfurt führen die Expertinnen und Experten des Radlabors pro Jahr über 3000 Bikefittings sowie 300 Leistungsdiagnostiken durch und haben in den vergangenen 15 Jahren mehr als 1500 Athletinnen und Athleten bei der Trainingsplanung unterstützt.
Grundlage dafür ist in der Regel eine Leistungsdiagnostik, sprich: ein Ausbelastungstest, der den individuellen Fitnesszustand inklusive der Laktatbildung feststellt und davon ausgehend die Trainingsbereiche bestimmt.

Schweißtreibend: Bei einer Leistungsdiagnostik steigert sich unerbittlich der Tretwiderstand – gefahren wird, bis man die Kurbel nicht mehr rumkriegt.
Der Trainer
- Name: Michael "Michi" Ecklmaier
- Alter: 28 Jahre
- Beruf: gelernter Feinwerkmechaniker, B.Sc. Sportwissenschaft TU München,
- seit 2022 Mitarbeiter im Radlabor München
- Radsport: seit 2021, zuvor Leichtathletik-Leistungssportler
Das Experten-Interview: "Verbesserungen werden schnell sichtbar."
ROADBIKE: Wie unterscheiden sich Rennradfahren und Rennradtraining?
Michi Ecklmaier: Es spricht überhaupt nichts dagegen, einfach "nur" Rennrad zu fahren – für die Gesundheit, um fitter zu werden, für den Spaß. Allerdings dauert es so länger, Fortschritte zu erzielen, und die Leistung stagniert irgendwann. Wer sein Potenzial voll ausschöpfen möchte, trainiert gezielt und nach Plan.
Was bedeutet das?
Das bedeutet, über einen längeren Zeitraum bewusst Trainingsreize zu setzen und sich ebenso bewusst davon wieder zu regenerieren. Sprich: Statt immer monoton in ein und derselben Intensität zu fahren oder – auch nicht besser – zu locker oder zu intensiv, fahre ich gezielte Intervalle, zum Beispiel sehr intensive, sehr kraftbetonte oder sehr lange. Durch gute Erholung von der Anstrengung passt sich der Körper an, die Leistungsfähigkeit nimmt zu. Diesen Trainingseffekt kann man sehr spezifisch planen und herbeiführen. Wann genau ich wie lange und wie intensiv trainiere, hängt dabei von meinem Ziel ab, also von der Frage, was genau ich verbessern möchte und bis wann.
Was ist ein gutes Ziel?
Ein gutes Ziel ist SMART. Die Buchstaben des Wortes stehen dabei für spezifisch (S), messbar (M), attraktiv (A), realistisch (R) und terminiert (T). Konkretes Beispiel: "Ich will fitter werden" ist ein eher unspezifisches, abstraktes Ziel ohne klaren Zeitrahmen oder messbare Erfolgskontrolle. "Ich will die Tour de France gewinnen" ist hingegen – bei allem Respekt – für die meisten von uns unrealistisch. Und, wegen der damit verbundenen Entbehrungen, vermutlich auch nicht gerade attraktiv. Ein Trainingsziel à la "Ich will Ende Juli 100 Kilometer mit dem Rennrad fahren können" oder "Ich will den Ötztaler Radmarathon in zehn Stunden finishen" bringt hingegen ein klar definiertes Anforderungsprofil mit sich, das bis zu einem fixen Zeitpunkt antrainiert sein muss und dessen Erfolg oder Misserfolg noch am Tag selbst beurteilt werden kann.
Wer bucht beim Radlabor eine Trainingsbetreuung?
Unser durchschnittlicher Kunde ist männlich, zwischen 35 und 55 Jahre alt, fährt schon seit einigen Jahren Rennrad und sucht Unterstützung, um erfolgreich an Radmarathons oder Rennen teilzunehmen. Manchmal geht es darum, ein bereits erzieltes Ergebnis zu verbessern. Oft ist der Antrieb auch: "Das probiere ich jetzt mal aus". In der Regel arbeitet man mindestens ein halbes Jahr gemeinsam auf das sportliche Ziel hin, manche Kunden betreuen wir aber auch schon seit einigen Jahren. Darüber hinaus betreuen wir Nachwuchssportler, die den Sprung zu den Profis schaffen wollen, oder kürzlich, sehr spannend, eine Langstreckenfahrerin auf dem Weg zur Tour d’Afrique. Die Trainingsbetreuung kostet zwischen 95 und 145 Euro pro Monat, je nach Umfang und Intensität, wir bieten Pakete für Gesundheits-, Freizeit- und Wettkampfsportler an. Wer eine Betreuung bucht, bekommt einen persönlichen Coach, mit dem man in engem Kontakt steht und der kontinuierlich Trainingspläne schreibt – individuell angepasst an das Leistungsniveau und den familiären und beruflichen Alltag. Fällt ein Training wegen Krankheit oder Wetter aus, wird der Plan angepasst.
Was gefällt dir als Trainer am besten?
Der direkte Kontakt zu "meinen" Athleten, das Vertrauen, das sich aufbaut, und natürlich die Verbesserungen, die schnell sichtbar werden.
Die Leistungsdiagnostik
Machen wir uns nichts vor: Eine Leistungsdiagnostik tut weh. Auf dem SRM-Ergometer im Radlabor kommen alle drei Minuten 20 Watt Widerstand hinzu; gefahren wird, bis man die Kurbel an der maximalen Leistungsgrenze nicht mehr rumkriegt. Aber die Diagnostik erlaubt auch sehr genaue Einblicke in die physiologischen Prozesse im Körper und den Fitnesszustand – und liefert damit letztlich die Grundlage für die Trainingsplanung. Trainer Michi Ecklmaier zapft dafür immer kurz vor Erreichen der nächsten Belastungsstufe etwas Blut an meinem Ohrläppchen ab, um meine Laktatkonzentration zu bestimmen.

Alle drei Minuten, kurz vor Erreichen der nächsten Belastungsstufe, wird bei einer Leistungsdiagnostik am Ohrläppchen Blut entnommen - um die Laktatkonzentration bestimmen zu können.
"Die Grundlage ist sehr gut ausgeprägt", analysiert Michi meine Werte, als ich ausgepumpt ausrolle, "die Laktattoleranz ist aber ausbaufähig. Du bist eher ein Diesel als ein Sprinter oder Puncheur. Aber keine Sorge, das ist ein Ergebnis, das wir sehr oft sehen – und mit Struktur und Intervallen kriegen wir deine Leistung auf ein höheres Level!"

Unbarmherzig: Trotz Aufmunterung kommt bei einer Leistungsdiagnostik für alle der Mann mit dem Hammer - mal früher, mal später.
Der Trainingsauftakt – zum Mitmachen!
Für mich beginnt das Training mit Grundlageneinheiten und maximal zwei intensiveren Workouts pro Woche. "Die ersten vier bis sechs Wochen sind oft ein Einfinden ins Training", erklärt Trainer Michi Ecklmaier vom Radlabor. Dabei gilt es zu klären: "Wie vertrage ich die Belastungen im Alltag, wie schnell regeneriere ich, aber auch, wie komme ich damit klar, dass nun jede Rennradtour ein eigenes Ziel verfolgt, das letztlich einem großen Ganzen dienen soll?" Darüber hinaus soll ich mit von mir ungeliebten Gymnastik- und Kräftigungsübungen die Rumpfmuskulatur stärken. "Zwei Einheiten pro Woche à 15 Minuten sind ein überschaubarer Aufwand, bewirken aber Wunder", betont Michi.

Zur Trainingsplanung orientiert sich das Radlabor an IAS (Leistung an der individuellen anaeroben Schwelle) und FTP-Wert (Functional Threshold Power). Letzteren kann man per Rollentrainer auch selbst bestimmen. Hinweis: Wichtiges Trainingswissen und Erklärungen von Abkürzungen und Fachbegriffen findet Ihr unter www.bike-x.de/lexikon-training
Für Interessierte: In dieser Serie veröffentlichen wir immer auch die Workouts, die ich in der jeweiligen Trainingsphase schwerpunktmäßig absolviere – als mögliche Inspiration und grobe Anleitung für euch. Euer Trainingsziel sollte dafür im Juli oder August liegen, denn durch die ROADBIKE-Erscheinungstermine bin ich euch immer ein paar Wochen voraus. Inspiration für Events findet Ihr vielleicht in unserer Terminsammlung für Rennradevents – national und international. Viel Spaß!

Trainingsplanung und -auswertung: Wer sich durch das Radlabor trainieren lässt, nutzt dafür die Plattform Atleta. Trainer Michi Ecklmaier stellt dort die zu absolvierenden Einheiten in einen Kalender, Redakteur Moritz Pfeiffer kann sich daran orientieren oder - im Falle von Rolleneinheiten - direkt eine fertige Zwift-Datei herunterladen. Anhand der Kuchendiagramme und einem Soll-Ist-Vergleich lässt sich die Trainingsleistung dokumentieren und überprüfen.

Im Winter legt man die Grundlage für eine erfolgreiche Saison – diese alte Weisheit gilt noch immer. In längere, ruhigere Einheiten im GA1-Bereich (65% des FTP-Werts) lassen sich gut einige 30-sekündige Sprints (150%) einbauen. Studien zeigen, dass sich dadurch auch der Fettstoffwechsel trainieren lässt. Und nebenbei kommt so etwas Abwechslung ins mitunter monotone Grundlagentraining. Hinweis: Wichtiges Trainingswissen und Erklärungen von Abkürzungen und Fachbegriffen findet Ihr unter www.bike-x.de/lexikon-training
Wichtiges Trainingswissen und Erklärungen von Abkürzungen und Fachbegriffen findet Ihr in unserem Lexikon Trainingswissen.

Ein guter Einstieg in intensiveres Training auf der Rolle: Nach dem ausgiebigen Warm-up warten zwei Serien mit je fünf Drei-Minuten-Intervallen im Entwicklungsbereich (95–105% der FTP), in den Erholungsphasen wird mit 65% der FTP pedaliert. Durch die Pausen steigt das Laktat selten zu hoch (>4 mmol/l), selbst wenn etwas zu intensiv gefahren werden sollte. Schon hier gilt: Gut regenerieren! Hinweis: Wichtiges Trainingswissen und Erklärungen von Abkürzungen und Fachbegriffen findet Ihr unter www.bike-x.de/lexikon-training