Frauenprofiteam Wheel Divas: Interview mit Teamchefin Sina Päske

Frauenteam Wheel Divas löst Profilizenz für 2026
Wheel Divas: Interview mit Teamchefin Sina Päske

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ArtikeldatumVeröffentlicht am 04.12.2025
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Die Wheel Divas bei der Oderrundfahrt 2025
Foto: Wheel Divas
Sina, ab 2026 fährt das Berliner Frauen-Rennteam Wheel Divas mit einer UCI-Continentallizenz – der niedrigsten Stufe des Profiradsports. Fass doch zunächst einmal kurz für uns die Geschichte der Wheel Divas zusammen.

Die Geschichte der Wheel Divas begann 2015 an der Strecke der Internationalen kids-tour in Berlin. Mein Mann Hans-Günter stand dort mit dem Sportfotografen Arne Mill, beide schauten auf großartigen Nachwuchs – und stellten gleichzeitig fest, wie unsichtbar Mädchen und Frauen im leistungsorientierten Straßenradsport sind. Unsere Tochter Lotta fuhr damals im Verein, wir Eltern standen engagiert am Streckenrand. Aus dieser Beobachtung ist erst eine Frage, dann eine Haltung geworden: Wollen wir wirklich akzeptieren, dass der Karriereweg von Mädchen im Radsport an fehlenden Strukturen scheitert?

Sina Päske, Teammanagerin Wheel Divas
Wheel Divas / Julius Päske
Wie ging es weiter?

Der eigentliche Wendepunkt kam 2017. Lotta kam vom Training nach Hause und sagte den Satz: "Ich bin jetzt U19 und kann Bundesliga fahren – dafür brauche ich aber ein Team." In diesem Moment wurde aus Theorie plötzlich Realität. Wir haben recherchiert, mit Trainerinnen und Trainern gesprochen und feststellen müssen: Im Norden und Osten Deutschlands gab es kein einziges Frauen-Bundesligateam, obwohl mehrere talentierte Mädchen genau an dieser Schwelle standen. Also haben wir aufgehört zu warten, dass "irgendwer irgendwann" ein Team gründet – und selbst Verantwortung übernommen. Aus einem kleinen Elternprojekt ist 2017 zunächst ein Team und kurz darauf der Verein Wheel Divas entstanden.

Wer steht dahinter?

Die treibende Kraft war und ist bis heute diese Kombination aus Familie und Haltung: unsere Tochter, unser Anspruch an Chancengleichheit und ein Team von Menschen, die nicht bereit sind, sich mit schönen Konzeptpapieren zufriedenzugeben, wenn es in der Praxis an Strukturen fehlt. Aus dem improvisierten Juniorinnenteam ist eine Bundesligasiegerin 2024, eine Vizemeisterin 2025, ein eigenes internationales Etappenrennen und schließlich ein UCI Women’s Continental Team geworden – aber der Ursprung bleibt derselbe: eine Familie, die Nein sagt zu "Das gab es halt noch nie" und stattdessen fragt: "Was brauchen die Mädchen, damit es geht?"

Siegerehrung mit den Wheel Divas beim Riderman
Julius Päske / Wheel Divas
Wer fährt in eurem Team?

Wir sind bewusst kein reines "Star-Ensemble", sondern ein Leistungsteam mit klaren Rollen und einem starken Entwicklungsfokus. Bei uns fahren erfahrene Athletinnen, die schon viele Jahre im internationalen Feld unterwegs sind, genauso wie junge Fahrerinnen, die an der Schwelle von Juniorinnen zu Elite stehen. Wichtig ist uns weniger das Geburtsjahr als vielmehr die Haltung: Leistungsbereitschaft, Lernwille und der Wunsch, in einem professionellen Umfeld wirklich besser zu werden. In den letzten Jahren haben wir eindrucksvoll gesehen, was passiert, wenn diese Mischung funktioniert. 2024 gewann Corinna Lechner die UCI-Rundfahrt Gracia Orlová – ein Etappenrennen der UCI-Kategorie 2.2. Das zeigt, dass wir international nicht nur "mitfahren", sondern Rennen prägen und gewinnen können. 2025 hat Elisa Winter bei unserer eigenen Internationalen Oderrundfahrt Women’s Race noch einen emotionalen Höhepunkt draufgesetzt: Wir veranstalten da fünf Etappen, rund 350 Kilometer, mehr als zehn Nationen waren dabei – und am Ende Sieg und Gelbes Trikot für eine Fahrerin von uns, für die das ganze Team zu 100 % arbeitet. Genauso wichtig sind uns aber auch die sogenannten "Rohdiamanten": junge Fahrerinnen, die vielleicht noch keine großen UCI-Ergebnisse vorweisen, aber im Training, in Bundesliga-Rennen oder bei nationalen Meisterschaften zeigen, welches Potenzial in ihnen steckt. Unser Anspruch ist: Bei uns sollen Athletinnen beides finden – ein Team, mit dem sie gewinnen können, und ein Umfeld, in dem sie wachsen können.

Bei was für Rennen seid ihr bislang vor allem gestartet?

Unsere Basis der letzten Jahre war die deutsche Rad-Bundesliga. Dort sind wir vom "Außenseiter aus Berlin" Schritt für Schritt zu einem der prägenden Teams geworden: über Platz 11 in der Gesamtwertung zu Beginn über den Bundesligasieg 2024 bis zu einem Vizemeisterinnentitel 2025. Parallel dazu waren Deutsche Meisterschaften – auf der Straße und im Einzelzeitfahren – sowie traditionsreiche nationale Rennen wichtige Fixpunkte. Gleichzeitig war uns immer klar: Wenn du im Radsport wirklich messen willst, wo du stehst, musst du raus aus der Komfortzone und rein ins internationale Feld. Deshalb gehören UCI-Rundfahrten und -Eintagesrennen seit Jahren fest zu unserem Programm – allen voran die Rundfahrt Gracia Orlová, bei der wir anfangs ums Zeitlimit gekämpft haben und die wir 2024 gewinnen konnten. Ein weiterer Schwerpunkt sind unsere eigenen Formate: Mit der Internationalen Oderrundfahrt Women’s Race haben wir ein Etappenrennen geschaffen, das Frauenradsport sichtbar macht, zusätzliche Startmöglichkeiten bietet und zugleich Bühne für unsere eigenen Fahrerinnen ist. Insgesamt kann man sagen: Wir kombinieren bewusst Bundesliga, nationale Klassiker und internationale UCI-Rennen – weil unsere Athletinnen genau diese Vielfalt brauchen, um sich nachhaltig zu entwickeln.

Siegerehrung mit den Wheel Divas
Wheel Divas
Wie kam es jetzt zu dem Entschluss, eine Profilizenz zu lösen?

Der Schritt zur Profilizenz – also zum offiziellen UCI Women’s Continental Team – war für uns kein spontaner Traum, sondern die logische Konsequenz aus den letzten Jahren. Auf nationaler Ebene hatten wir faktisch alles erreicht, was für ein Klubteam möglich ist: Bundesligasieg, Vizemeisterinnentitel, Podien bei Deutschen Meisterschaften und internationale Achtungszeichen. Irgendwann kommt der Punkt, an dem klar wird: Wenn du dich weiterentwickeln willst, reicht "Spitze in Deutschland" nicht mehr – die Messlatte ist international. Dazu kommt eine strukturelle Ebene: In der Regionalen Zielvereinbarung 2020–2028 ist ausdrücklich festgeschrieben, dass in Berlin Continental-Teams im männlichen wie im weiblichen Bereich aufgebaut werden sollen. Mit dem Wechsel in den UCI-Status setzen wir dieses Ziel praktisch um – wir gehen von der Klubebene in die Kategorie, in der Olympiavorbereitung, EM, WM und Kaderentwicklung realistisch angebahnt werden können. Kurz gesagt: Wir haben gesehen, dass unsere Fahrerinnen und unsere Organisation bereit für den nächsten Schritt sind – sportlich, organisatorisch und medial. Die Profilizenz ist für uns deshalb kein Selbstzweck, sondern ein Instrument, um unseren Athletinnen das Umfeld zu geben, das ihrem Potenzial entspricht.

Was ändert sich dadurch konkret für euch?

Mit dem Continental-Status wird alles größer, dichter und verbindlicher. Der Rennkalender umfasst deutlich mehr internationale Renntage, mehr Rundfahrten, mehr Zeit im Ausland. Wir sprechen von über 70 Renntagen und knapp 300 strukturierten Trainingstagen im Jahr – das ist kein "Label auf der Lizenz", sondern gelebter Alltag. Für die Fahrerinnen heißt das: mehr Reisestress, höhere Belastung, eine noch strengere Verzahnung von Training, Regeneration, Schule, Ausbildung oder Studium. Hinter den Kulissen steigen die Anforderungen mindestens genauso: UCI-Lizenzierung, medizinische Standards, Anti-Doping-Regularien, internationale Kommunikation mit Veranstaltern, Logistik über mehrere Länder hinweg. Fehler, die man auf Klubebene noch improvisieren konnte, kosten auf diesem Niveau schnell Startplätze oder Vertrauen. Deshalb haben wir unseren Verein strukturell neu aufgestellt, klare Referate geschaffen und Prozesse professionalisiert – von der Datenbasis im Training bis zur Medienarbeit. Und natürlich ändert sich auch die finanzielle Dimension: Flüge, Hotels, Fahrzeugflotte, Material, Startgebühren, professionelle Betreuung – all das verändert sich, wird größer. Sponsoring wird damit vom "nice to have" zum strategischen Kernelement. Gleichzeitig wächst unsere Reichweite: Schon heute über 8 Millionen Bruttokontakte pro Jahr, mit Continental-Status deutlich mehr internationale Sichtbarkeit. Für Partner heißt das: mehr Bühne, mehr Inhalte, mehr Aktivierungsmöglichkeiten – für uns die Verantwortung, diese Bühne professionell zu bespielen.

Wer fährt 2026 bei euch?

2026 ist für uns ein Übergangsjahr – weg vom "Projekt Continental" hin zu einem etablierten UCI-Team mit klarer Handschrift. Entsprechend stellen wir den Kader so auf, dass er genau diese Balance abbildet: Wir setzen auf einen stabilen Kern aus Fahrerinnen, die unsere Strukturen und Philosophie bereits kennen, und ergänzen ihn gezielt um Talente, die wir mittelfristig auf internationales Niveau bringen wollen. Konkret heißt das: Wir wollen in jeder Rennsituation handlungsfähig sein. Also brauchen wir starke Allrounderinnen, Kletterinnen für profilierte Rundfahrten, Zeitfahrspezialistinnen und Fahrerinnen mit ausgeprägter Rennintelligenz für hektische Eintagesrennen. Gleichzeitig behalten wir unseren Academy-Gedanken bei: Es wird auch 2026 Plätze für junge Fahrerinnen geben, die wir über Bundesliga, nationale Rennen und einzelne UCI-Einsätze Schritt für Schritt an das Continental-Level heranführen. Namen kommunizieren wir traditionell gebündelt im Rahmen unserer offiziellen Teamvorstellung – aber inhaltlich ist klar: 2026 fahren bei uns Athletinnen, die bereit sind, in einem professionellen Umfeld Verantwortung zu übernehmen, für andere zu fahren und an ihren eigenen Grenzen zu arbeiten. "Be Bold. Be You." – "Sei mutig, sei du" bleibt dabei unser Anspruch an jede Einzelne.

Die Frauenradsportmannschaft Wheel Divas beim Bundesligarennen in Karbach
Wheel Divas
Was kostet so ein Profiteam, wer unterstützt euch?

Ein Profiteam in der Kategorie UCI Women’s Continental bewegt sich – je nach Umfang des Programms – klar im sechsstelligen Budgetbereich pro Saison. Die größten Kostentreiber sind dabei weniger die "sichtbaren" Dinge wie Räder und Trikots, sondern die Logistik und der Betrieb: Flüge, Hotels, Fahrzeugflotte, Startgebühren, Betreuung, medizinische Standards, Mechanik, Verpflegung, Medienarbeit. Wenn man über 30 internationale Renntage plus nationale Einsätze ernsthaft abbilden will, reden wir schnell über einen Betrag weit über 100.000 Euro, die Jahr für Jahr gestemmt werden müssen. Finanziert wird das Ganze durch einen Mix: starke Haupt- und Co-Sponsoren, Partner aus Wirtschaft und Region, Ausrüster in den Bereichen Bekleidung, Material, Nutrition, dazu projektbezogene Förderungen und viel ehrenamtliches Engagement im Hintergrund. Unser Anspruch ist, diesen Partnern mehr zu bieten als ein Logo auf dem Trikot: Wir verstehen uns als Kommunikations- und Reichweitenplattform – mit klaren Zielgruppen, messbaren KPIs und aktivierbaren Formaten von der Schule über die Rennstrecke bis in den digitalen Raum. Je professioneller wir werden, desto wichtiger ist Planungssicherheit. Wir überlassen nichts dem Zufall! Deshalb arbeiten wir daran, unsere Sponsorenbasis breiter und langfristiger aufzustellen – mit Paketen, die sowohl regionalen Unternehmen als auch nationalen und internationalen Marken echte Mehrwerte bieten. Wer uns unterstützt, unterstützt nicht nur ein Profiteam, sondern ein gesamtes Ökosystem aus Leistungssport, Nachwuchsförderung und Events.

Bei was für Rennen werdet ihr 2026 starten, was sind die mittelfristigen Ziele des Teams?

2026 wollen wir unseren Continental-Status in den Alltag überführen. Das heißt konkret: ein Rennprogramm mit über 30 internationalen UCI-Renntagen – Rundfahrten der Kategorie 2.2 und ausgewählte Eintagesrennen –, ergänzt um nationale Einsätze und bewusst gewählte Bundesliga-Rennen. Die Bundesliga bleibt für uns ein wichtiges Entwicklungsfeld für jüngere Fahrerinnen, während wir international Schritt für Schritt vom "Gast im Feld" zu einem Team werden wollen, mit dem man taktisch rechnen muss. Mittelfristig verfolgen wir drei Ziele. Erstens sportlich: Wir wollen uns im Continental-Bereich etablieren, regelmäßig im Vorderfeld internationaler Rennen auftauchen und eine Struktur schaffen, aus der heraus Starts bei EM, WM und perspektivisch WorldTour-Rennen realistisch werden. Zweitens strukturell: Die Verzahnung von Continental-Team, Internationaler Oderrundfahrt und bike academy soll so eng werden, dass Kinder in der Grundschule einen klaren Weg sehen – von den ersten Metern auf dem Rad bis in ein UCI-Team. Drittens medial und wirtschaftlich: Wir wollen unsere Reichweite in den kommenden zwei Jahren um rund 40 % steigern und diese Reichweite in konkreten Mehrwert für Partner übersetzen. Wenn wir in zwei, drei Jahren sagen können: "Wir sind ein stabiles UCI-Team mit klarer Handschrift, erkennbarer Entwicklungslinie und einer funktionierenden Pipeline aus der Academy", dann haben wir unser mittelfristiges Ziel erreicht. Langfristig denken wir Richtung ProTeam-Niveau – aber 2026 geht es darum, die Basis dafür solide zu legen.

Die Wheel Divas bei der Oderrundfahrt 2025
Wheel Divas
Immer mehr Frauen fahren Rennrad oder Gravelbike. Habt ihr eine Botschaft für sie?

Meine wichtigste Botschaft ist: Be bold. Be you. Das ist unser Leitspruch auch für die anderen Frauen! Ihr gehört dazu – egal, mit welchem Tempo, auf welchem Rad und in welcher Lebensphase ihr gerade steckt. Frauenradsport ist kein exklusiver Club für Supersportlerinnen, sondern eine Einladung, sich selbst neu kennenzulernen: auf der Landstraße, im Wald, im Alltag. Lasst euch nicht einreden, ihr müsst erst "schnell genug" oder "fit genug" sein, bevor ihr euch auf ein Rad, in eine Gruppe oder gar an eine Startlinie wagt. Der perfekte Moment kommt nicht – ihr schafft ihn, indem ihr einfach anfangt. Zweitens: Sucht euch Verbündete. Radfahren kann alleine wunderschön sein, aber in einer Gruppe von Frauen, die ähnliche Ziele und Herausforderungen haben, wird es oft zu etwas viel Größerem. Ob das ein lokaler Verein ist, eine Gravel-Clique, ein Frauenradtreff oder eine unserer Academy-Gruppen: Gemeinsam ist es leichter, dranzubleiben, Grenzen zu verschieben und auch die Tiefs auszuhalten. Und drittens: Habt den Mut, euren eigenen Weg zu gehen. Nicht jede muss Profi werden – aber jede darf sich ernst nehmen. Wenn ihr merkt, dass euch das Rad mehr bedeutet als "nur ein Hobby", dann traut euch, ambitionierte Ziele zu formulieren: ein erstes Rennen, ein Alpenpass, eine Mehrtagestour, vielleicht irgendwann ein Bundesliga- oder UCI-Start. Genau dafür stehen wir mit unserem Motto "Be Bold. Be You.": Sei mutig, sei du – und lass dir von niemandem erklären, was für dich als Frau im Radsport möglich ist oder nicht.