
Wurzelige Waldpfade oder flowige Wiesenwege? Geheimnisvolle Wälder, in denen einst Räuber ihr Unwesen trieben, oder windzerzauste Kuppen, die unendliche Fernblicke bieten? Spessart oder Rhön? Jede dieser beiden Mittelgebirgslandschaften mitten im Herzen Deutschlands – an der Grenze zwischen Hessen und Bayern – hat ihren eigenen Reiz. Natürlich auch zum Biken. Wie soll ich mich da nur entscheiden? Ganz einfach – ich nehme beide! Zwei Mal anders, zwei Mal faszinierend, beides so nah, beides auf seine Art einzigartig. Ich starte meinen Hessen-Bike-Trip im Spessart. Und wie immer habe ich mir Locals als Mitfahrer und Guides organisiert. Denn persönliches Trail-Know-how ersetzt locker jeden noch so guten GPS-Track.
Meine Guides, Susanne und Klaus, kennen die Gegend um den Kurort Bad Orb wie die berühmte Westentasche. Zunächst rollen wir an einem Gradierwerk vorbei. Klaus erzählt, dass hier im nördlichen Spessart im Mittelalter der Salzhandel blühte. Heute wird das „weiße Gold“ zunehmend als Heilmittel eingesetzt. Im Ort gibt es ein Solehallenbad, Trinkkuren und eben das zur Inhalation aufgebaute Gradierwerk. Dort plätschert das salzhaltige Wasser über Reisigzweige, die unter einem schützenden Holzdach fast 20 Meter hoch aufgestapelt wurden. Das dabei verdunstende Wasser dient den Kurbesuchern zur therapeutischen Inhalation.
Liselotte gab hier einst Pulver

Eine Sauerstoffinhalation könnte ich gerade gut gebrauchen, denn wir strampeln im zügigen Tempo auf dem Eselsweg hinauf Richtung Lauzenberg- Hütte. Früher wurde der Eselsweg zum Salzhandel genutzt, heute zum Biken und Wandern. Die Sonne findet kaum ihren Weg durch die dichten Baumkronen des Waldes, der durch den 1958 gedrehten Film „Das Wirtshaus im Spessart“ zu Ruhm gelangte. Der Film mit Liselotte Pulver dreht sich um die Räuber des Spessarts, die vor 200 Jahren hier ihr Unwesen trieben. „Nur mit Gruseln und mit Grausen geht der Wanderer durch den Wald, wo die bösen Räuber hausen, wo des Teufels Büchse knallt!“, zitiert Klaus mit verschmitztem Lachen einen Räubervers. Und während wir durch den Dunkelwald rollen, stelle ich mir vor, wie gruselig der Spessart wohl einst für die Reisenden gewesen sein muss.
Von Grusel kann heute in den Spessartwäldern keine Rede mehr sein. Stattdessen hat der Trailspaß Einzug gehalten. Nahe Bad Orb entstand nämlich kürzlich einer der ersten von der DIMB zertifizierten Flowtrails: elf Kilometer Schmalspurweg-Genuss. Haseltal-Trail, Wintersberg-Trail, Don-Bosco-Trail – Klaus hat an allen mitgewirkt und ist zu Recht stolz. Hier ziehen eben Gemeinde, Naturpark und Biker an einem Strang, bravo!
Wir schießen in die erste Sektion und ich nehme immer mehr Fahrt auf. Die Bäume fliegen an meinem Helm vorbei, die Gabel schmatzt bei jedem kleinen Sprung. Der Hohlweg wird zum Tunnel ins Biker-Glück. So wie hier im Spessart könnte es eigentlich unendlich weitergehen.
Ein Tunnel am Ende des Lichts

Aber ich habe ja noch eine Verabredung mit der Rhön. Genauer gesagt mit Andreas vom Bike-Club „Die Schwarzen Berge“. Der hat gleich zwei seiner Nachwuchsfahrer dabei. Domenic und Jakob tippeln schon ungeduldig neben ihren Hardtails he- rum, sie wollen endlich los. Unsere Tour führt quasi durch ihr Trainingsrevier: hoch zur Milseburg.
Doch zunächst geht es an der spektakulären „Steinwand“ vorbei. Die bekannteste Felsformation der Rhön strahlt mit ihren moosüberwachsenen Felsen eine mystische Stimmung aus. Erinnert mich ein wenig an meine Spessart-Räuber ... Kurz darauf stehen wir dann auf der Oberbernhardser Höhe. Von der waldfreien Kuppe bietet sich einer dieser sagenhaften Fernblicke, die die Rhön so einzigartig machen. Die baumlosen Plateaus der Rhön sind durch Verwitterung und Erosion entstanden, erklärt mir Andreas. Hier oben weht eine sehr steife Brise. Auch die ist typisch für die Rhön. Die konstanten Winde begründen den Ruf der Rhön als das Mekka für Segelflieger deutschlandweit.
Der scharfe Wind treibt uns weiter, und kurz darauf führt eine knackige Rampe hinauf zur 835 Meter hohen Milseburg, die eigentlich nur noch aus ein paar Steinresten besteht. Viel interessanter als die Burg ist die Milseburg-Hütte: eine winzige Holzhütte, die etwas unterhalb des Gipfels zur Einkehr einlädt. Wir lassen uns zur Brotzeit nieder, und Andreas erzählt, dass die Hütte ohne Strom funktioniert. Draußen sitzen die Gäste auf derben Bänken. Es riecht nach gebratenem Speck und Zwiebeln. Bei jeder neuen Bestellung schreit der Wirt das fertige Gericht quer durch die Hütte, und ein hungriger Wanderer oder Biker kommt eilig angetrottet, um sich sein deftiges Mahl abzuholen.
Eigentlich könnte ich noch Stunden vor der Hütte sitzen bleiben. Aber Andreas drängt zur Weiterfahrt. Er will mir noch den Milseberg-Tunnel zeigen. Der ist mit 1173 Metern der längste Radtunnel Deutschlands. Im Winter wird er geschlossen, berichtet Andreas, und die Fledermäuse freuen sich über ihr kuscheliges Winterquartier.
Ich freue mich auch. Darüber, dass ich mich für Spessart und Rhön entschieden habe. Sonst wären mir doch glatt der skurrile Fledermaustunnel und die urige Milseberg-Hütte und die spaßigen Flowtrails bei den Spessarträubern entgangen!
Alle wichtigen Infos für Hessen-Biker auf einen Blick
Allgemeine Infos:
Lage & Charakter: Das ehemalige Räuberrevier Spessart lockt mit dichten Wäldern und einem gut ausgebauten Trailnetz. Die Rhön zeichnet sich durch waldfreie Kuppen und imponierende Fernsichten aus. Beide Reviere befinden sich im Herzen Deutschlands, nur eine bzw. zwei Stunden Autofahrt von den Rhein-Main-Metropolen entfernt.
Anreise: Von Frankfurt aus fährt man in etwa einer Stunde nach Bad Orb – via Autobahn 66 bis Ausfahrt 45 „Wächtersbach/ Bad Orb“ und weiter nach Bad Orb.
Von Frankfurt aus in knapp zwei Stunden in die Rhön. Bischofsheim z.B. erreicht man via A66 bis Ausfahrt Eichenzell und B279.
Beste Reisezeit: Mai bis September. Achtung: In den höheren Lagen kann es im Frühjahr und Herbst empfindlich kalt werden.
Allgemeine Urlaubs-Info:
www.rhoen.de; www.spessart-tourismus.de
Übernachtung: Das Hotel an der Therme in Bad Orb, ein Viersternehaus mit großem Wellness-Bereich (www.toskanaworld.net). Der Landgasthof „Zum Löwen“ ist ein einfacher Gasthof in Bischofsheim-Unterweißenbrunn. Nach Zimmern im Neubau fragen! (www.landgasthof-zum-loewen.de).
Das Lothar-Mai-Haus in Hofbieber-Steens ist ein uriges, leicht abgelegenes Landhotel mit viel Charme (www.lothar-mai-haus.de).
Bike-Info: www.rhoentrail.com bietet Touren, Camps und Rhön-Cross an. Infos zum Rhön-Trailnetz gibt Andreas Schubert (www.rhoentouren.de).
Bike-Shops: Bikeschmiede in Bad Soden (www.bikeschmiede-ahl.de); Zweirad Donnecker in Bad Soden (www. zweirad-donnecker.de); Bike Work in Gelnhausen (www.bikework-desch.de)
Geheimtipps:
Apfelessig statt Apfelwein: Hessen ist Apfelweinland. Aber Apfelwein ist nicht immer das Beste, was ein Apfel werden kann. In der Kelterei Höhl in Hochstadt setzt man auf hochwertigen Apfelessig in Bioqualität nach einem alten Rezept. www.bioess.de
Entspannung mit Salz: Ob in der Toskana- Therme, am Gradierwerk in Bad Orb, in der Spessart-Therme in Bad Soden-Salmünster oder im Kurzentrum in Birstein: Relaxen mit solehaltigem Wasser wird zwischen Spessart und Rhön großgeschrieben. Für müde Biker-Beine genau das Richtige!
Schlafen im Baumwipfel: Im Baumhaushotel Seemühle in Gräfendorf schweift der Blick vom Bett direkt in die Baumkronen. Die urigen Holzhäuser dieses ungewöhnlichen Hotels thronen auf majestätischen Stämmen und bieten somit ein unvergessliches Naturerlebnis. www.das-baumhaushotel.de