Wenn Canyon ein neues Bike vorstellt, sind eigenständige und oft innovative (Detail-) Lösungen meist nicht weit. Das erste Light-E-MTB der Koblenzer geht diesen Punkt etwas zurückhaltender an. Kein geschlitztes Oberrohr mit integrierter Trinkflasche wie beim Torque:ON, kein hippes Mullet-Laufradformat, nicht einmal ein Flip-Chip ist zu finden. Das neue Trail- und Tourenfully Neuron:Onfly will scheinbar beweisen, dass vor allem ein Light-E-MTB ohne diese Features auskommt.
Das Canyon Neuron:Onfly ist das E-Mountainbike des Jahres 2024!
Ich bin ehrlich gesagt überrascht, dass ein Light-EMTB und kein Full-Power-Modell unsere diesjährige Leserwahl gewonnen hat. Das zeigt mir, dass die noch junge Light-Kategorie immer beliebter wird. Dass das Canyon Neuron:ON Fly gewonnen hat, freut mich sehr. Nicht nur, weil ich das Bike gleich zu Beginn der Markteinführung testen konnte, sondern auch, weil die Wahl zeigt, dass unsere Leserinnen und Leser gut informiert sind und genau wissen, worauf es bei einem modernen E-Mountainbike ankommt. Mit seiner überragenden Trail-Performance und seiner sportlichen Agilität mit dem dynamischen Bosch SX-Motor ist das E-MTB ein Musterbeispiel für ein modernes E-Mountainbike – das zeigt auch unser Test. Toll auch, dass Canyon das Einsteigermodell bereits zu einem attraktiven Preis von unter 5000 Euro anbietet und es damit auch für Jobrad-Leasing und Co. interessant macht." Chris Pauls, Testleiter MOUNTAINBIKE
Im Video-Review: Canyons erstes Light-E-MTB!
Kurz & knapp: Canyon Neuron:Onfly
- Bosch-SX-Motor, 400-Wh-Akku, Range-Extender optional
- 140/140 mm Federweg (XS -10 mm)
- Voll-Carbon-Rahmen, 29"-Laufräder
- ab 19 Kilo, ab 4849 Euro, Topmodell 7999 Euro
Schwaben-Power, vollverkleidet
Mit dem Antriebsaggregat Performance Line SX von Bosch mit 55 Nm Drehmoment und stolzen 600 Watt Spitzenleistung holt sich Canyon zudem einen der derzeit stärksten Motoren ins Boot. Der 400-Wh-Akku ist fest verbaut, kann also nicht entnommen werden. Zudem kann die Reichweite via Range-Extender gesteigert werden. Dieser liefert bei Bosch 250 Wh. Übrigens: Beim Design des Carbon-Rahmens haben die Entwickler darauf geachtet, dass der mit 1500 g recht schwere Zusatzakku im Flaschenformat möglichst tief platziert wird.
Stabiler Vollcarbon-Rahmen
Generell hat Canyon beim Neuron:Onfly viel Wert auf das Design gelegt. Gezielt gesetzte Lichtkanten sollen an das bestehende Produktportfolio um Neuron:On und Spectral:On anknüpfen, bringen aber auch etwas mehr Gewicht auf die Waage. So soll der Voll-Carbon-Rahmen 3400 g wiegen – was eher auf der stabilen Seite ist. Ein leichterer Rahmen aus hochmodularen Fasern wird nicht angeboten. Den Motor lässt Canyon komplett unter einem Gehäuse verschwinden, für das Wärmemanagement soll das laut den Ingenieuren kein Problem darstellen. So wirkt das Neuron:Onfly wie aus einem Guss.

Canyon legte bei der Entwicklung des Carbon-Rahmens höchsten Wert auf Robustheit und Steifigkeit
Canyon Neuron:ONfly mit Trail-Fahrwerk
Mit 29" vorn und hinten herrscht auch bei den Laufrädern Harmonie. Selbst die für Canyon-E-Bikes neue Größe XS setzt auf das große Laufradmaß, macht aber Abstriche von 10 mm Federweg vorn und hinten. Die Größen S bis XL kommen Trailbike-typisch mit 140 mm Federweg. Die Kinematik soll dabei auf den Einsatz im Leicht-E-Bereich angepasst sein. So ist die Federung progressiver ausgelegt als bei den schwereren E-Modellen. Auch der "Anti-Squat" (unterdrückt das Wippen) wurde auf die Charakteristik des Bosch-SX-Motors abgestimmt. Apropos: Canyon verzichtet auf ein großes Display, verbaut stattdessen eine LED-Anzeige im Oberrohr und (versteckt) den Diebstahlschutz Bosch Connect Module. Die Funktion ist ein Jahr kostenlos nutzbar.
Vier Modelle ab 4849 Euro!
Vier Modelle werden zur Markteinführung angeboten. Preislich beginnt der "leichte" Spaß bei attraktiven 4849 Euro für das Modell CF7, dann folgt das CF8 für 5599 Euro und das CF9 für 6999 Euro. Das getestete Topmodell kostet 7999 Euro, ist mit feinsten Teilen wie Fox-Factory-Federelementen, drahtloser Sram-XX-TransmissionSchaltung, Carbon-Laufrädern sowie langhubiger Sattelstütze üppig ausgestattet und bringt in Größe L 19 Kilo auf die Waage. Nicht gerade superleicht für ein Trailbike, aber das war laut Canyon auch nicht das Ziel.

Redakteur Chris Pauls konnte das Neuron:Onfly LTD bereits ausgiebig testen.
Erster Test: So gut ist das Neuron:ONfly auf dem Trail!
Also ab auf den Trail: Mit nicht zu steilem Sitzwinkel, recht hohem Stack und modern-langem Reach sitzt und steht man perfekt integriert im Bike. Die Kettenstreben sind mit 450 mm eher lang ausfallend, was auch an den Abmessungen des im Vergleich zu TQ und Co. nicht ganz so kompakten Bosch-Motors liegt. Das lange Heck fällt, wie beim Cube Light-E-Bike (siehe kommende Seiten), jedoch nicht negativ auf. Im Vergleich zum Cube AMS fährt sich das Neuron:Onfly jedoch deutlich ruhiger. Ein Grund dafür ist der flache Lenkwinkel von 64,5°. Die Heckfederung – sensibel im ersten Drittel und mit hohen Reserven ausgestattet – vermittelt zudem jederzeit ein sicheres Gefühl. Die eher hohe Front sorgt zudem für ein erhabenes Gefühl. Da kommen schon mal trotz des geringeren Hubs Enduro-Gefühle auf.
Auf kurvigen Trails macht sich der tiefe Schwerpunkt positiv bemerkbar, das Bike neigt sich willig von einer Kurve in die nächste, ohne dabei nervös oder wackelig zu wirken. Bergauf beweist sich das Versender-Bike dank der langen Kettenstreben und der gelungenen Sitzposition als Kletterkünstler. Der Bosch-Motor schiebt munter voran. Wer die volle Power will, muss allerdings flink in die Pedale treten. Der SX liefert seine maximale Leistung erst ab einer Trittfrequenz von circa 100 U/min. Zum Vergleich: Der Full-Power-Motor Bosch CX braucht dazu nur rund 70 U/min. Nach 1077 Höhenmetern und 31,4 km schaltete die Batteriesteuerung auf Reserve – die volle Leistung ist dann nicht mehr abrufbar. Wer mehr will, sollte also den Range-Extender für 470 Euro gleich online mitbestellen.
Test-Fazit
Auch wenn dem Neuron:Onfly vielleicht raffinierte Details fehlen, in Sachen Verarbeitung, Fahrwerk und Geometrie zählt das flotte Trailbike derzeit zu den besten seiner Klasse. Im Vergleich zudem preisattraktiv.
- Chris Pauls, MOUNTAINBIKE-Testchef
top Verarbeitung
starker und sportlicher Motor
laufruhige Geometrie
edle Ausstattung
im Vergleich zur Konkurrenz halbwegs bezahlbar
Akku nicht entnehmbar