Vom Cross-Country-Weltcup über die EWS zum E-MTB-Racing. Sofia Wiedenroth liebt den Mountainbike-Rennsport! Die Lindauerin sieht sich selbst als deutsche Pionierin des E-MTB-Rennsports. Seit 2021 fährt sie für das Specialized Enduro Team und ist maßgeblich an der Entwicklung neuer Bikes und Motoren beteiligt. Die amtierende Deutsche Meisterin im E-Cross-Country und E-Enduro, und nun auch Weltmeisterin im E-Cross-Country gibt uns einen Einblick ins E-Mountainbike-Racing.
Vorab: Was ist ein (E-)Enduro Rennen?
Ein Mountainbike-Enduro-Rennen (Abkürzung: EDR) besteht aus mehreren zeitgemessenen Abfahrtsabschnitten, die als "Stages" bezeichnet werden. Diese Stages sind in der Regel Abfahrten, die eine Mischung aus technischen, steilen und oft sehr schnellen Passagen enthalten. Beim E-Enduro (E-EDR) kommen noch zwei technische Uphill-Stages ("Power-Stages") dazu. Ziel ist es, egal ob Uphill- oder Downhillstage, die Stages so schnell wie möglich zu bewältigen. Am Schluss werden die Zeiten der einzelnen Stages zusammengezählt, und der oder die Fahrer*in mit der schnellsten Gesamtzeit gewinnt das Rennen.
Zwischen den Stages gibt es Transfer-Etappen ("Liaison Stages"), die in der Regel bergauf oder auf flacheren Abschnitten verlaufen. Diese Transfers zwischen den Stages sind eigentlich nicht gewertet, müssen aber innerhalb eines bestimmten Zeitfensters absolviert werden. Zu spät zu einem Start einer Stage zu kommen, kann Strafzeiten nach sich ziehen. Im "normalen Enduro" werden nur die Abfahrten (die Stages) zeitlich erfasst.
Der Reiz von (E-)Enduro-Rennen liegt darin, dass sie sowohl technischen Fähigkeiten als auch Ausdauer von den Fahrer*innen fordern.

Sofia Wiedenroth in Action beim berüchtigten Men's DH. Das war die letzte Stage beim Saisonstart der diesjährigen E-EDR in Finale Ligure.
Genau, ich fahre mit dem E-Mountainbike zwei verschiedene Disziplinen. Einmal E-Enduro, das ist wie ein normales Enduro-Rennen, aber wir haben noch zwei Uphill-Stages. Die Kernstages sind dieselben wie im Enduro. Daher trage ich auch die Full-Face-Montur, weil das Rennen doch größtenteils Downhill ist. Dann fahre ich noch E-Cross Country, das ist wie ein normales Cross-Country-Rennen, nur schneller und technischer bergauf.
Das fragen mich viele, aber ich mag beide Disziplinen sehr und möchte mich auch auf beide konzentrieren. Es ist schwer zu sagen, was ich lieber mag, weil beide ihre eigenen Herausforderungen und Reize haben.
Beide Formate zu fahren, erfordert viel Planung und Fokus, und etwas Argumentationsarbeit beim Team, weil der E-Sport mittlerweile sehr professionalisiert ist. Früher konnte man mehrere Disziplinen gleichzeitig fahren, heute merkt man, dass wenn man nicht mehr so viel Zeit aufwenden kann fürs Training, direkt hinterherhängt. Dieses Jahr bekomme ich den Spagat aber ganz gut hin und stand bei beiden Disziplinen schon auf dem Podium. Das Problem ist nur, dass sich die Kalender teils überschneiden, was zu schwierigen Entscheidungen führt. Ich möchte in beiden Disziplinen vorne mitfahren, aber das bedeutet, dass ich manchmal auch Kompromisse eingehen muss. Dieses Jahr war ich schon in beiden Rennen auf dem Podium, im E-Cross Country schon einen Sieg, es klappt also ganz gut.
Im E-Enduro, sind Fahrwerks- und Bike-Einstellungen extrem wichtig. Hinter allem steckt viel Testing, besonders bei der Suspension und dem Bike-Setup. Im E-Enduro ist es schwierig, einen Kompromiss zu finden: das Bike für Downhill abzustimmen und gleichzeitig die steilen Power Stages zu meistern. Ich fahre zum Beispiel nicht mit einer 170er Gabel. Sonst sitze ich zu weit hinten und komme die steilen Passagen auf den Uphill-Stages nicht hoch.
Im E-Cross-Country hingegen ist der Motor das Wichtigste. Da zählt ganz klar: Wer hat den stärksten Motor, die beste Beschleunigung und das geringste Systemgewicht? Das ist dann ähnlich wie in der MotoGP oder der Formel 1, wo jedes Gramm zählt, um das Verhältnis Watt pro Kilogramm zu optimieren. Das ist auch der Grund, warum mir E-Cross-Country so viel Spaß macht, denn da sieht man ganz klar, ob das Bike Power hat oder nicht. Beim E-Enduro ist das schwieriger zu beurteilen, weil die technischen Anforderungen in den Abfahrten zu hoch sind. Deshalb sind beide Disziplinen sehr interessant und wir nehmen viel Erfahrung aus dem E-Cross-Country mit, um die Performance im E-Enduro zu verbessern.
Von außen sieht es so aus, denn es ist in beiden Fällen das Specialized Turbo Levo. Aber das Setup ist sehr unterschiedlich.
Im E-Enduro fahre ich im Mullet-Setup mit mehr Aluminiumteilen. Das ist softer und stabiler, was mir bei rund 80 Kilometern Rennlänge im hochalpinen Downhillbereich entgegenkommt. Außerdem habe ich mehr Federweg und eine stärkere Federgabel, ich fahre die Zeb-Ultimate mit 160 Millimeter Federweg und Coil-Dämpfer.
Im E-Cross-Country hingegen achten wir extrem auf das Gewicht. Deshalb fahre ich mit der Lyrik mit 150 Millimetern und einem Luft- statt einem Stahldämpfer. Wir haben das Bike auch als 29er umgebaut.
Der Motor ist derselbe und auch die Modi bleiben gleich. Ich fahre eigentlich immer "Full Force" – also immer im Turbo-Unterstützungsmodus.
Im E-Cross-Country nicht, wir fahren mit 700-Watt-Batterien und die halten für die Renndauer. Im E-Enduro haben wir die Möglichkeit, nach einer Runde den Akku zu wechseln. Ich fahre allerdings im Transfer zwischen den Stages nicht im Boost, um einfach noch etwas Puffer für die Stages zu haben. Den brauche ich aber selten, weil ich sehr leicht bin. Da haben es männliche Athleten oft etwas schwerer und müssen an einem Renntag definitv mehr Arbeit in ihr Akkumanegement stecken.
Starke Bremsen sind bei dem Mehrgewicht eines E-Mountainbikes gepaart mit rund 15 Minuten Abfahrt im Enduro extrem wichtig. Deswegen hat es total Sinn ergeben, als Sram die Maeven vorgestellt hat. Die fahre ich jetzt auch an meinem Turbo Levo! Auch die Sram Transmission war für uns im E-Mountainbikebereich ein absoluter Gamechanger. Zuvor hatten wir einen deutlich höheren Kettenverschleiß oder gar Kettenriss, weil die starken Motoren so viel Kraft auf die Kette bringen. Sprich: Die Entwicklungen der Branche erleichtern das Leben auf dem E-Bike erheblich.
Es ist spannend, herausfordernd und zugleich hart fürs E-Cross-Country, weil die Entwicklung rasant ist. Am Anfang gab es mit Bosch und Brose nur zwei konkurrenzfähige Motoren. Dann kamen immer mehr Marken hinzu. Da spielt Deutschland als Ingenieursland eine große Rolle. Manchmal kommen andere Fahrer mit einem neuen Motor an den Start und haben plötzlich ganz andere Vorteile. Wir versuchen dann sofort herauszufinden, was die haben, warum sie so schnell sind und was wir tun können, um wieder aufzuschließen. Klar ist: Wer den stärksten Motor im E-Cross-Country hat und dann noch das entsprechende Fahrkönnen mitbringt, ist vorne.
Sie ist eigentlich festgelegt und wird kontrolliert. Das Problem ist, dass diese Disziplin noch in den Kinderschuhen steckt und die Kontrollen nicht immer richtig durchgeführt werden können. Weil neue Motoren und neue Softwaremodelle so schnell herauskommen, haben die Kontrolleure oft nicht die richtige Software, um zu sehen, was der Motor kann. Also kann die Kontrolle nicht richtig durchgeführt werden. Und das macht das Ganze sehr schwammig. Umgekehrt sind die Kontrollen bei den gängigen Modellen sehr streng. Da würde ich mir wünschen, dass die Kontrollen transparenter und fairer sind. Es ist frustrierend, wenn man am Limit fährt und sieht, dass andere Fahrer Vorteile haben, die nicht reguliert werden können.
Ja das stimmt! Im Cross-Country sind wir weniger Fahrer, deswegen wird das Feld zusammengelegt. Ich finde das echt cool, weil wir Frauen gut mithalten können, weil wir leichter sind. Im letzten Rennen ist es allerdings schiefgegangen. Manche Männer fahren gegen uns, als wären wir Konkurrenten, und werden aggressiv. Beim letzten Rennen bin ich dreimal gestürzt, weil ich vor der Abfahrt attackiert wurde. Ich war in Führung, als ein Mann in mich hineinfuhr, sodass ich stürzte. Das war schwer nachvollziehbar für mich, da er auf Platz 20 lag und es für ihn, im Gegensatz zu mir, nicht um den Sieg ging. Am Ende wurde dadurch aus meinem ersten ein dritter Platz.

Ein E-Cross-Country-Rennen läuft genauso ab, wie ein normales XCO-Rennen: Massenstart, Rundkurs und Vollgas! Nur bergauf ist es technischer. Dieses Bild entstand bei der E-MTB-WM 2023 in Glasgow - hier wurde Sofia Vize-Weltmeisterin.
Power-Stages sind ebenso wichtig wie Downhill Stages, obwohl sie kürzer sind, oft weniger als ein Kilometer. Bei den Downhill Stages, die bis zu 10 Kilometer lang sind, kann man zwar größere Zeitunterschiede herausfahren. Aber auf Power Stages kann man durch Fehler viel Zeit verlieren. Die Abstände zwischen den Fahrern sind minimal, wenn alles gut läuft. Aber sobald man einen Fehler macht, verliert man viel Zeit. Und das Training ist eigentlich ganz einfach: Ich trainiere alle Trails, die ich runterfahre, auch wieder hoch. So lange, bis es klappt. Und das ist manchmal echt frustrierend! (lacht)
Eine top Fahrtechnik braucht man auf jeden Fall. Trotzdem ist ein Sieg in der Power-Stage keine Garantie für einen Gesamtsieg. Auf zwei Powerstages kommen acht Downhill Stages. Das heißt, man muss im Downhill auch wahnsinnig gut sein. Um zu gewinnen, braucht man schlichtweg alle Skills!
Die Disziplin gibt es seit über zehn Jahren und es gab noch nie eine offizielle Weltmeisterschaft. Und dann gab es in diesem Winter plötzlich die Snow Bike World Championship, bei der man direkt einen WM-Titel gewinnen konnte. Naja, wir sind froh, dass es endlich auch für uns eine WM gibt, ein wichtiger Schritt für den (E-)Endurosport. Leider wird es für mich aufgrund von Terminüberschneidungen sehr schwierig. Meine Wochen davor sind sehr ausgefüllt. Deshalb ist mein Ziel, einfach dabei zu sein und die Erfahrung zu genießen.
Natürlich sind die Intervalle hart, aber da kommst du als Profi nicht drum herum. Für mich persönlich ist es eigentlich am härtesten, wenn es in Deutschland einfach wochenlang regnet, so wie in diesem Sommer. Da habe ich manchmal das Gefühl, ich müsste auswandern, um mein Training vernünftig durchziehen zu können. Die Gefahr krank zu werden ist auch einfach zu groß. Also ich schaue eigentlich jede Woche nach einem Flug in den Süden. (lacht)
Ich mache viel Krafttraining, deutlich mehr Oberkörper- und Core-Training. Mein Personal Coach, ein Motocross-Trainer, hilft mir dabei sehr. Er kennt die Anforderungen auf dem Bike und das hilft mir, spezifisch zu trainieren.
Ich wünsche mir, dass E-Mountainbiking genauso cool wird wie Motocross, da es einen professionellen und aufregenden Vibe hat. Viele ältere Leute verstehen das nicht und denken an bequeme Damenräder. Wenn ich sage, ich bin Profi-E-Bikerin, höre ich oft: 'Ich fahre auch E-Bike zum Supermarkt.' Das wird der sportlichen Seite des E-Mountainbikens nicht gerecht. E-Bikes sollten nicht nur als praktische gesehen werden, sondern als ein schneller und aggressiver Actionsport. Ich hoffe, dass das in Zukunft mehr erkannt wird und wir mehr Zuschauer und Anerkennung bekommen.