Sram Transmission-Schaltungen: kurz & knapp
- Entfall des Schaltauges
- 1x12-Funkschaltung
- AXS-Funkstandard bleibt erhalten, kompatibel mit allen bisherigen AXS-Bauteilen
- neue Kassette mit anderer Abstufung, neue Kette im Flattop-Design, nicht kompatibel Sram-Eagle-Generation-1
- Preise: ab 1900 Euro (XO), XX: 2450 Euro, XX SL: ab 2650 Euro
Mit der 2019 vorgestellten, seitdem behutsam gepflegten, elektronischen Funkschaltung Eagle AXS revolutionierte Sram den Schaltungsmarkt und führt seitdem zumindest im HighendSegment das ewige Duell mit Shimano an. Nun legen die US-Amerikaner mit Entwicklungsabteilung in Schweinfurt sogar nach und präsentieren die flammneue Eagle Transmission, die mit noch exakterem Schaltverhalten und maximaler Robustheit punkten will. Wie? Das stellen wir bis ins letzte Detail hier vor, los geht es mit den drei neuen Schaltgruppen:
Sram X0 Eagle Transmission

Kurzfacts:
Die XO stellt die erschwinglichere Luxus-Gruppe des neuen Sram-Lineups dar: Mit Aluminiumkurbel und etwas stabileren, ergo schwereren Parts kostet sie unter 2000 Euro. Spektakulär: Die Aussparung in der Aluminiumkurbel, zudem ist das Finish in edlem schwarz gehalten.





Sram XX Eagle Transmission

Kurzfacts
Die neue Topgruppe für alle Kategorien bildet die XX mit fescher Carbonkurbel. Optional gibt es diese nun mit wellenbasierter Wattmessung. Ins Auge an der XX sticht das voluminöse Schaltwerk, dessen Einzelbauteile sich allesamt wechseln lassen.





Sram XX SL Transmission

Kurzfacts
Für alle XC-Biker oder Marathonisti hat Sram zudem eine SL-Variante der XX am Start. Durch viel Einsatz von Carbon fällt diese nochmals leichter aus. Kassette und Kette sind maximal auf Leichtbau ausgelegt und daher nicht für E-MTBs freigegeben.





Die Bauteile im Detail
Schaltwerk

Der Umwerfer ist tot! So bewarb Sram einst die Einführung der "One-by"-Antriebe mit 1-fach-Kurbel. Nun gehen die Amis der nächsten KomponentenIkone an den Kragen: dem Schaltauge. Das Herzstück des Systems, das Schaltwerk, könnte spektakulärer nicht sein: Mit einem massiven Montagebolzen wird es direkt mit dem Rahmen und der Steckachse verschraubt. Nötig dafür ist ein großes Loch im Ausfallende, was Sram vorausschauend bereits über das UDH-Schaltauge etabliert hat. Ohne UDH, mit klassischem Schaltauge, passt die Transmission also nicht ans Bike! Die Vorteile? Zum einen sitzt das Schaltwerk näher an Kassette und Rahmen, sodass im Trail-Alltag weniger Angriffsfläche für Hindernisse besteht. Außerdem sollen die geringen Toleranzen zwischen Kassette, Schaltwerk und Achse mehr Steifigkeit und damit Schaltgenauigkeit ermöglichen. Weitere Benefits finden sich in der Konstruktion und Montage des Schaltwerkes: Da sich dieses nun an jedem Bike an der exakt selben Position in Relation zur Kassette befindet, kann es im Hinblick auf Kraftspitzen und Schaltpräzision genauer konzipiert werden. Und durch das revolutionäre Design entfallen an den Transmission-Schaltwerken sämtliche Einstellschrauben, die sonst für den Schwenkbereich des Schaltwerks oder die Umschlingung bzw. den Schaltwerksabstand nötig waren. Entsprechend simpel ist die Montage, wenn man einmal via Sram-Datenbank die korrekte Kettenlänge sowie die Position des "Setup-Key" bestimmt hat. Minimale Anpassungen der horizontalen Käfigposition lassen sich per "MicroAdjust" am Controller oder über die App erledigen. Drei Schaltwerke stehen im Transmission-Programm. Topmodell für den XC-Einsatz ist das XX-SL-Modell, das durch den Einsatz von Carbon-Bauteilen 25 bzw. 30 g leichter ausfällt als die XX- und X0-Pendants, die aber für den Enduro- und E-MTB-Einsatz freigegeben sind.
Generell sind die Schaltwerke extrem robust gemacht, schließlich sind sie durch den Wegfall des Schaltauges bei Stürzen und Co. nun das schwächste Glied. Sram verspricht, dass sie Lasten von 600 Kilo aushalten, dafür wiegen die Schaltwerke aber auch zwischen 440 und 475 g! Zudem sind bei Defekten fast alle Bauteile einzeln austauschbar. Auch die "Overload-Clutch" bleibt an Bord, die das Schaltwerk bei mechanischer Einwirkung schützend zur Seite schwenkt. Die Dämpfung des Schaltkäfigs wurde verstärkt, um Kettenschlagen zu minimieren. Der Schaltkäfig (Carbon an XX SL, Alu bei XX und X0) ist so designed, dass das obere Schaltröllchen exakt unter dem Ritzel steht. Das untere Röllchen fluchtet mit dem Kettenblatt. So steht der Käfig optisch "schief", dies soll aber für einen idealen, leisen Kettenlauf sorgen.
Schalthebel: Pods

Mit der Transmission gibt es auch neue Lenker-Bedienelemente. Was in mechanischer Form bei Sram Shifter heißt und bei der ersten AXS-Generation Controller, trägt nun den Namen Pods. Die kleinen Satelliten bieten zwei Schaltknöpfe, funken wie gehabt im Sram-eigenen AXS-Protokoll. Die Energie liefert eine CR2032-Knopfzelle, die mindestens zwei Jahre halten soll. Waschgänge und Matschausfahrten braucht man mit den elektronischen Transmission-Bauteilen nicht zu fürchten, mit IPX7-Standard bleiben sie selbst in einem Meter Wassertiefe für 30 Minuten dicht und arbeitsfähig.
Sram bietet zwei gruppenunabhängige Varianten der Pods an: Beim 240 Euro teuren Ultimate-Modell sind die Bedienknöpfe austauschbar, konkav oder konvex geformte Taster stehen zur Wahl. Der günstigere (180 Euro) Pod besitzt dieses Feature nicht. Alle XX-SL-, XX- und X0-Komplettgruppen kommen übrigens mit der Ultimate-Variante. Beide Modelle sind in der Form ansonsten identisch und können natürlich via AXS-App konfiguriert werden. Befestigt werden sie per doppelter Ringklemme ("Infinity Clamp") oder per Adapter ("MMX-Bridge") an Sram-Bremsen mit Matchmaker-Schelle. Dabei sind sie besser positionierbar als die AXS-Controller: Die Pods lassen sich in der ringförmigen Aufnahme in der Neigung verstellen, zudem natürlich am Lenker bzw. an der MMX-Bridge horizontal verschieben und neigen.
Kette & Kassette

Nach dem Schaltwerk stellen Kassette und Kette die größten Neuerungen der Eagle Transmission dar. Um die Schaltperformance weiter zu optimieren, wurden beide Bauteile neu entwickelt. Weiterhin mit 12 Gängen gesegnet, änderte Sram die Abstufung der Kassette: 10–12–14–16–18–21–24–28–38–44– 52 Zähne sind es nun, eine andere Abstufung gibt es nicht. Damit fällt der, von vielen als zu groß kritisierte, Sprung zwischen Gang elf und zwölf kleiner aus.
Gänzlich überarbeitet hat Sram zudem die Architektur der Zähne: Damit die Kette sicher greift, sind die Ritzelzähne nun im auffälligen Säbelzahnprofil gefertigt, das bereits so ähnlich von den Sram-Eagle-Kettenblättern bekannt ist, sich jetzt T-Type nennt. Um die Kette dennoch fix vom einen zum nächsten Ritzel gleiten zu lassen, besitzt die Kassette nun über 44 Schalthilfen – kleine Einkerbungen an den Zähnen. Zudem verspricht Sram, dass selbst unter extremem Kettenzug Schaltvorgänge problemlos möglich sind. Aus dem Rennrad- und Gravel-Segment bekannt ist die Flattop-Kette, die nun ebenfalls als T-Type am MTB debütiert: Die oben flachen Außenlaschen fallen für mehr Stabilität voluminöser aus, zusätzlich sind die Innenlaschen und Buchsen hartverchromt. Sie soll tausende Kilometer halten.
Technologische Spitze bildet die XX SL: Die größten drei Ritzel der mit 348 g superleichten Kassette sind aus Alu gefertigt und an die restlichen Stahlritzel angenietet. Auch der Spider besteht aus Alu – die Kassette ist also nicht mehr wie zuletzt bei Sram aus einem Stahlblock gefräst. Die Kette kommt mit ausgefrästen Kettengliedern und hohlen Pins und wog auf unserer Waage 265 g. Spektakulär sind auch die Preise: 720 und 180 Euro kosten die Parts, die aufgrund ihrer Diät nicht für starke E-MTBs freigegeben sind. XX und X0 hingegen sind an allen MTBs problemlos nutzbar. Hier besteht nur das größte Ritzel aus Alu, entsprechend wiegen die beiden Kassetten rund 30 g mehr.
Kurbel

Zeit, dass sich was dreht? Die Neuerungen an den Kurbeln der Transmission sind moderat, aber nicht unspannend.
Weiterhin setzt Sram auf seine eigene Innenlager-Basis namens DUB, der Wellendurchmesser misst 28,99 mm. Neu hingegen ist die Wellenbreite: Da Sram mit der Transmission auf eine 55-mm-Kettenlinie setzt, fallen alle Kurbeln breiter aus, auch der Q-Faktor wächst etwas. Besonders leicht ist die XX-SL-Garnitur gestaltet: Die Kurbelarme sind aus Kohlefasern mit Hohlkern gefertigt – extrem leichte 458 g inkl. 32er-Blatt sind das Resultat. Rund 50 g schwerer fällt die XX aus, deren Carbon-Kurbelarme zusätzlich mit Schaumstoffkern verstärkt werden. Ein echter Hingucker ist hingegen die X0-Kurbel (oben) aus Aluminium mit einer spektakulär ausschauenden Aussparung in der Mitte. Alle Kurbelarme sind in den Längen 165, 170 und 175 mm erhältlich. Neu gezeichnet wurden die Kettenblätter, deren Zähne (T-Type statt X-Sync2) die Kette noch sicherer auf dem Blatt halten sollen. An XX und X0 sichern optionale, am Kettenblatt verschraubte Bashguards gegen Kettenabwürfe und verbogene Zähne. Spannend für Leistungsorientierte: Neben der spiderbasierten Quarq-Wattmessung offeriert Sram nun eine preisgünstigere, wellenbasierte Option.
Erster Test: Sram Eagle Transmission

Exklusiv können wir einer Sram-XX-Eagle-Transmission-Gruppe schon seit einigen Monaten im Dauertest auf die Ritzel fühlen! Die Montage ist extrem schnell erledigt und überfordert mit etwas Vorbereitung auch Schrauber-Novizen nicht. In der Regel dürfte die Transmission nach wenigen Schrauberminuten am Bike glänzen. Schon beim ersten Kontakt gefällt das direkte Feedback der neuen Pods-"Schalthebel", auch wenn die Optik polarisieren dürfte. Ausgezeichnet gelungen ist die neue Abstufung der 10–52er-Kassette: Die Kadenzen fallen gleichmäßiger aus als bei der etwas "unrund" abgestimmten Vorgängerin, auch beim Auflegen des 52er-Ritzels bleibt man im Flow. Genial: Selbst mit mächtig Zug auf der Kette oder bei Schaltvorgängen in technischen Uphills legt das Schaltwerk die Gänge superpräzise um, Verschalter oder ratternde Ritzel wechsel gehören der Vergangenheit an. Das perfekte Einrasten der Gänge dürfte vor allem bei E-MTBs mit noch mehr Zug auf der Kette ein richtiger Game-Changer werden. Da ist es auch verschmerzbar, dass die Gangwechsel subjektiv einen Tick langsamer als bei der AXS-Vorgängerin vonstattengehen.
Wie gehabt arbeitet der elektronische Stellmotor in Sachen Geräuschkulisse recht dezent, eher angenehm surrend. In der Abfahrt folgt der nächste Aha-Effekt. Egal ob es über Wurzelfelder oder Steingärten geht oder mal eine verpatzte Landung ansteht: Geräusche vom Kettenschlagen sind kaum zu vernehmen, die verbesserte Käfigdämpfung des extrem robusten Schaltwerks funktioniert mustergültig. Kehrseite der Medaille? Weil der Stellmotor nun gegen eine höhere mechanische Kraft arbeiten muss, ist auch der Energieverbrauch höher als bei der alten AXS. So bittet der Akku im Schnitt nach 25 Fahrstunden zur nächsten Ladung. Erschwert ist zudem leider das Ablesen der Status-LED am Schaltwerk: Aus dem Sattel und auch neben dem Rad stehend ist sie nicht oder nur schwer einsehbar.
Und wie steht es um die Abnutzungsspuren der Topgruppe von Sram, deren Verschleißteile stolze Preisschilder tragen? Bis auf ein paar Schlieren im noblen Finish der Carbon-Kurbel und ein paar Abreibungen an der Kassette steht die XX Transmission auch nach über 2000 km wie neu da – und das, obwohl sie im Winter auch Matsch, Schnee und Streusalz trotzen musste. Abgenutzte Zähne oder eine Längung der Kette sind nicht feststell- und messbar, was die Preise zumindest ein wenig relativiert. Und wo wir schon bei der Optik sind: Schade, dass die neue Transmission (vorerst) ohne fesche Farbvarianten à la Gold, Kupfer und Oilslick auskommen muss, mit der die Eagle-Gruppen zuletzt groß auftrumpften.