Seit dem Modelljahr 2015 entwickelt Bergamont ihre Citybike-Modellserie E-Ville Jahr für Jahr weiter. War im Jahre 2015 der senkrecht ans Sattelrohr gelehnte Akku noch das Alleinstellungsmerkmal, hat die E-Ville Modellreihe sich inzwischen zum Bergamontschen Klassiker gemausert. Die 2021er Modellkollektion wechselt zwischen Naben und Kettenschaltung, Ketten- und Riemenantrieb. Mit dem Bergamont E-Ville Elite präsentieren die Hanseaten ein Stadtrad, das nicht nur Tourenattribute in sich vereint, sondern auch ganz schön was tragen kann.
Mit 160 kg auf Kurs
Während die Masse der herkömmlichen Stadt-E-Bikes mit einem Systemgewicht zwischen 120 – 130 kg eher die normalgewichtigen Radfahrenden als Zielgruppe anspricht, sieht Bergamont die Not derer, die das ein oder andere Pfündchen Reservegewicht eisern angespaart haben. Für diejenigen Kräftigen unter uns sind normale E-Bikes schlichtweg zu schwach dimensioniert. Das Bergamont E-Ville Elite dagegen ist für ein Systemgewicht bis zu 160 kg ausgelegt. Diese Gewichtsangabe setzt sich aus dem Gewicht des Rades, des Fahrers und des Gepäcks zusammen. Zieht man die in unserer Werkstatt gewogenen 29 kg des Rades vom Systemgewicht ab, verbleiben großzügige 131 kg übrig. D.h. ein 110 kg stämmiger Radfahrender kann immer noch 21 kg zusätzliches Gepäck zusätzlich transportieren.
Rahmen und Gabel
Damit die 160 kg Systemgewicht auch erreicht werden können, muss der Rahmen sowie die Gabel auch entsprechend dimensioniert sein. Aluminium als Rahmenmaterial ist in diesem Bereich Standard, außerdem verfügt es über die Möglichkeit beim Herstellungsprozess durch eine sogenannte verlorene Form Rahmenformen mit zusätzlichen Verstrebungen generieren zu können, die mit gezogenem Stahl nicht möglich wären. Auch der im Rahmen integrierte Akku verlangt, um dem Rahmen die notwendige Steifigkeit zu geben, eine ausreichend dimensionierte Rahmenschale des Hauptrahmenrohres. Um einem Rahmenflattern und der damit einhergehenden Rahmeninstabilität vor zu beugen, hat Bergamont den Steuerkopf besonders betont. Diese konstuktiven Maßnahmen trieben leiderh das Gewicht etwas in die Höhe, sorgen aber für die notwendige Rahmenstabilität.
Die Gabel kommt aus dem Suntour Sortiment und ist mit 100 mm Federweg ebenso üppig für ein Citybike dimensioniert wie der Rahmen. Die luftgedämpfte Gabel bietet die Einstellung der Dämpfung mittels Dämpferpunpe und ermöglicht damit für jede Personengewichtsklasse die adäquate Dämpfung; individuell abgestimmt nach Fahrergewicht, Fahrkönnen und Gewohnheiten.
Antriebssystem Bosch CX
Der ursprünglich für E-Mountainbikes entwickelte Antrieb wird von vielen Fahrradproduzenten auch gerne in Touren- und Stadt-Pedelecs verbaut. Der rundum kräftige Antrieb macht auf jeden Fall dann Sinn, wenn die Topographie, in der E-Bikes wie das E-Ville Elite eingesetzt werden, entsprechende Schwierigkeiten – wie z.B. deftige Steigungen – vorhält. Oder – und diesbezüglich haben die Bergamont-Techniker ihr E-Ville konsequent zu Ende gedacht – wenn das Pedelec eben besonders belastbar ausgelegt ist und entsprechend viel Gewicht transportieren können soll. Im Fahrbetrieb macht sich dies vor allem beim flüssigen Anfahren aus dem Stand in einer Steigung oder beim Beschleunigen aus einer langsamen Situation sehr positiv bemerkbar. Hier gibt das E-Ville Elite eine sehr gute Figur ab und nutzt die Bandbreite des Leistungsvermögens des Bosch Performance Line CX aus. Der CX ermöglicht, das E-Ville untertourig heraus zu Beschleunigen und zeigt, was in den 85 Nm Drehmoment eigentlich steckt.
Nachvollziehen lässt sich das übrigens mit dem Kiox-Display, dass nicht nur über zahllose Informationen verfügt, via eBike Connect Smartphone App können weitere zusätzliche Features wie z.B. Navigation aufgerufen werden. Fitnessdaten lassen sich ermitteln und die gefahrene Tour dank Aufzeichnung repetieren. Wem die Flut an Infos zu viel ist, der kann die einzelnen Tafeln individualisieren, auf seine eigenen Anforderungen hin anpassen und eben auch entsprechend reduzieren. Interessant ist auch die Sperrfunktion des Kiox: nach dem Abziehen des Displays aus der Halteschale wird die Motorunterstützung deaktiviert und das E-Bike für Langfinger uninteressant.
Die Energie des Antriebssystems liefert der integrierte 625 Wh Akku. Geladen kann der Akku entweder am Rad mittels Ladebuchse am Sitzrohr oder der Akku wird zum Laden herausgenommen. Das haben die Bergamont-Techniker clever gelöst: Der Akku ist im zentralen Hauptrohr versenkt. Ein Deckel, der mit einer Räntelschraube fixiert wird, schütz ihn vor der Witterung. Dieser wird einfach abgeschraubt, der Akku mit dem Schlüssel entsperrt und ganz entspannt von oben herausgenommen. Ohne Bücken!
Mit dem 625 Wh Akku sind folgende Reichweiten in der Regel realisierbar: Tour: 56 km; Stadt: 64 km; Berg: 21 km. Diese Werte basieren auf einem Radfahrer/-in mit einem Gewicht von 80 kg. Nimmt der- oder diejenige noch 20 kg Gepäck dazu ergeben sich rechnerisch folgende Werte: Tour: 50 Km, Stadt: 58 km und Berg: 18 km. Immer noch mehr als passabel, finden wir.
Ausstattung
Bei der Ausstattung hat Bergamont offensichtlich Wert auf komfortable und robuste Komponenten gelegt, die einen breiten Einsatzbereich ermöglichen.
Beim Antriebsstrang schaltet Shimanos bewährtes und hochwertiges XT-Schaltwerk die 12 verschiedenen Übersetzungen der Kassette. Die durch die gewählten Komponenten ermöglichte Entfaltung beginnt bei rund 1,70 Meter pro Kurbelumdrehung im kleinsten Gang. Mit einem solch kleinen Gang verlieren auch herbe Steigungen ihren Schrecken und sind mit der CX-Unterstützung locker zu meistern. Im unteren Bereich ist die 12er Kassette so gespreizt, dass die Trittfrequenz topographischen Herausforderungen entsprechend gut angepasst werden kann.
Standard im Bremsbereich sind hydraulische Scheibenbremsen, wie man Sie auch am E-Ville finden kann. Die Shimano Alfine Bremsen sind mit den langen Bremshebeln für bis zu drei Finger leicht dosierbar. Die Bremssättel der Alfine Bremsanlage sind mit jeweis zwei Bremskolben und Bremsscheiben mit vorne 180 mm und hinten 160 mm Scheibendurchmesser ausgestattet. Das reicht auch für eine scharfe, vehemente Verzögerung allemal aus. Wir können uns eine 180er Bremsscheibe am Hinterrad gut vorstellen, die Wärmeableitung wäre etwas besser. Da aber beim Fahrrad/Pedelec die Bremse am Hinterrad deutlich weniger zur Verzögerung des Systems Rad/Fahrer/Gepäck als die Vorderradbremse beiträgt, ist die reine Wirkung bei der Verzögerung des Rades mit einer größer dimensionierten Scheibe am Hinterrad aber überschaubar.
Der Gepäckträger ist sicher am hinteren Ausfallende verschraubt und bietet flexible Möglichkeiten zur Anbringung diverser Gepäcktaschen. Die Spritzschützer am E-Ville sind breit, aus Alu und am Vorderrad schön tief gezogen, sodass sie ihrer Funktion als Spritzschützer gerecht werden. Im Dunkeln lässt sich’s mit der Busch & Müller Lichtanlage eben nicht gut munkeln, sie bringt viel Licht und Sicherheit für den, der in der Nacht unterwegs ist.
Ergonomie und Fahreigenschaften
Die Sitzposition beim Bergamont E-Ville Elite lässt sich dank dem verstellbaren Vorbau von moderat gebückt bis fast aufrecht individuell einstellen. Mit dem leicht gekröpften Lenker hat man das E-Ville sicher im Griff und kann entspannt Steuern. Das E-Ville glänzt mit kultiviertem, ruhigem Lauf, es meistert auch Kurven in Schräglage souverän. Dank dem kräftigen CX ist weder die Topographie noch das mit 29 kg überdurchschnittliche Gewicht ein Thema. Gewichtsbedingte Einschränkungen erfährt das E-Ville Elite beim Tragen in den Keller oder beim Fahren ohne Motor. Hier wird der Auslegung des Rades für den Transport etlicher Lasten Rechnung getragen.
Das E-Ville beherrscht mit dem CX sowohl den Ampelsprint souverän und bringt auch für eine Radtour alle Voraussetzungen wie die umfangreiche Übersetzung oder die pannensicheren Tourenreifen sowie die komfortable Federgabel mit. Das ausgeglichene Fahrverhalten freut Routinierte für die flotte, spritzige Fahrweise; weniger Routinierte und Einsteiger dürften sich auf dem E-Ville dank der gutmütigen fehlerverzeihenden Fahreigenschaften aber ebenfalls sofort wohl fühlen.