Ist das die fortschrittlichste Radbrille, die die Welt je gesehen hat? Auf jeden Fall ist die aus der Zusammenarbeit von Oakley und Meta hervorgegangene Vanguard bis an den Brillenrand vollgesteckt mit moderner Technik. Action-Cam, Open-Ear-Kopfhörer, fünf Mikrofone, Touchpad, WLAN und Bluetooth sind an Bord. Vor allem aber soll die Vanguard dank Kopplung mit der Meta-AI-App fortschrittliche KI-Funktionen bieten. Wie das alles im Praxiseinsatz klappt? Wir haben es ausprobiert. Und zeigen ein paar Beispielvideos.
Kurz & knapp: Oakley Meta Vanguard
- Hersteller: Oakley
- Modell: Meta Vanguard
- Gewicht: 68 Gramm
- Preis: 549 Euro
- Akku-Laufzeit: bis zu 9 Stunden (Herstellerangabe)
- Größen: Onesize
- Oakley Meta Vanguard bei Rose bestellen.
Das Video zum Test auf Youtube
Die Brille
Auf den ersten Blick ist die Vanguard vor allem mal eins: eine moderne, stylische Radbrille mit großem, durchgängigen Filter. Die Technik ist für Außenstehende kaum zu erkennen. Wer die Brille trägt, spürt allerdings das vergleichsweise hohe Gewicht. Mit ihren 68 Gramm wiegt die Vanguard etwa das Doppelte bis Dreifache eines vergleichbaren Modells ohne all die Technik. Das Mehrgewicht fällt allerdings nicht negativ auf. Vielmehr sitzt die Brille sehr satt und sicher, auch in ruckeligen Passagen, etwa auf dem Gravelbike, wackelt oder verrutscht sie nicht. Im Test passte sie übrigens mit dem Standard-Nasenpad perfekt. Alternativ wird sie mit zwei weiteren Pads für unterschiedliche Nasentypen geliefert. Außerdem stecken in der hochwertig anmutenden Verpackung eine Kurzanleitung sowie ein auch zum Putzen der Brille einsetzbares Transportsäckchen.

Oakleys Prizm-Filter sorgt für gute Kontraste, die Brille selbst bietet ein erstklassiges Sichtfeld.
Typisch für eine hochwertige Oakley-Radbrille, überzeugt die Vanguard mit einem erstklassigen Sichtfeld. Der breite Filter deckt das Gesicht gut ab, auch die innen etwas massiver wirkenden Bügel stören die Sicht nicht. Dabei sorgt der Prizm-Filter für starke Kontraste. Auch vor Wind sind die Augen dank des großen, eng abschließenden Filters gut geschützt. Die Vanguard ist in vier Varianten erhältlich:
- Oakley Meta Vanguard Matte Black mit PRIZM 24K
- Oakley Meta Vanguard Matte White mit PRIZM Black
- Oakley Meta Vanguard Matte Black mit PRIZM Road
- Oakley Meta Vanguard Matte White mit PRIZM Sapphire
Wir haben die Brille mit schwarzem Gestell und 24K-Filter getestet. Schade ist allerdings, dass sich die Filter nicht tauschen lassen. So kann etwa keine klare Scheibe eingesetzt werden. Auch fehlt eine Version mit photochromatischem, sich den Lichtverhältnissen anpassendem Filter. Entsprechend eignet sich die Hightech-Brille nicht für Touren bei schlechten Sichtverhältnissen oder gar Dunkelheit.
Die Kamera
Ob Content-Creator:in oder für die private Fotosammlung: Für viele potenzielle Kund:innen dürfte die vorne mittig in der Brille positionierte Action-Cam ein wesentliches Kaufargument sein. Die Kamera kann Fotos mit bis zu 12 Megapixel schießen. Im Videomodus sind wahlweise Weitwinkelaufnahmen in HD oder 3K möglich, zudem kann die Vanguard Clips in Zeitlupe und Zeitraffer aufnehmen. Interessant: Die Kamera knipst und filmt ausschließlich im Hochformat. Ein klarer Beleg dafür, dass Meta hier vor allem auf Content für die hauseigenen Social-Media-Plattformen abzielt.

Die 12-Megapixel-Kamera sitzt unauffällig über der Nase. Oben am Brillenrand versteckt sich eine weiße LED, die bei laufender Aufnahme blinkt.
Ausreichend für Posts auf Social Media sind auf jeden Fall die mit der Brille geschossenen Fotos. Für viel mehr reicht die Qualität allerdings eher nicht. Dank Ultraweitwinkel hält die Kamera viel von der Umgebung fest. Wesentlichen Einfluss auf die Qualität haben die Lichtverhältnisse. Bei grauem Himmel und eher schlechtem Licht geraten die Aufnahmen schnell etwas unscharf und verwackelt.
Eine weiße LED oberhalb der Kamera zeigt der Umwelt an, dass gerade ein Foto oder Video aufgezeichnet wird. Beim Fotografieren blinkt die LED zweimal auf, während der Videoaufnahme leuchtet sie pulsierend. Analog dazu erinnert eine LED innen, vorne am rechten Bügel auch den Menschen hinter der Kamera daran, dass eine Aufzeichnung läuft.
Videoaufnahmen
Ein im Wortsinn anderes Bild gibt die Kamera beim Thema Video ab. Speziell bei Sonnenschein, aber auch bei wolkenverhangenem Himmel oder etwa im Wald liefert die Vanguard schöne, flüssige Aufnahmen. Bereits durch die Position am Kopf werden Bildruckler, im Vergleich zu einer am Lenker montierten Kamera, schon durch den menschlichen Körper etwas abgefangen. Dazu überzeugt im Testeinsatz auch die integrierte Bildstabilisierung. Hier stehen die Einstellungen niedrig, mittel und hoch zur Auswahl. Im Test waren wir mit mittlerer Bildstabilisierung unterwegs.
Die Perspektive aus Sicht des Fahrers oder der Fahrerin kann allerdings auf Dauer etwas eintönig wirken. Schließlich geht der Blick meist frei nach vorn. Etwas Spannung im Bildaufbau, etwa durch Cockpit oder Radcomputer im Bildvordergrund, fehlt. Interessanter wird es etwa bei der "Verfolgung" anderer Radsportler:innen. Allerdings füllen hier in aller Regel nur Blicke auf die Rücken der Mitfahrenden das Bild. Zudem erfasst die Weitwinkelkamera zwar viel von der Umgebung, erschwert aber Detailaufnahmen. Wer etwa den Gangwechsel an der Kassette des Vordermanns oder die aktuellen Werte auf dem eigenen Radcomputer eindrucksvoll festhalten will, muss schon sehr nah ran. Insgesamt empfiehlt sich die Videofunktion der Brille so vor allem für kurze Action-Clips oder in Kombination mit weiteren Aufnahmen, etwa von am Rad montierter Action-Cam oder Smartphone.
Übrigens: Zwar zeichnet die integrierte Kamera ausschließlich im Hochformat auf. Allerdings lässt sich aus einem in 3K aufgezeichneten Hochformat-Video bei Bedarf auch ein brauchbares Querformat-Video in FullHD-Auflösung ausschneiden. Ein interessantes Feature für kurzweilige Videos ist auch die Zeitraffer-Funktion. Im hier gezeigten Beispiel etwa wird die in Echtzeit etwa drei Minuten lange Abfahrt vom Petersberg bei Bonn auf 20 Sekunden eingedampft. Allerdings wirken die Zeitraffer-Aufnahmen mitunter recht nervös.
Fotos und Videos können wahlweise per Druck auf die unter dem rechten Bügel sitzenden Tasten oder per Sprachsteuerung aufgenommen werden. Größter Vorteil der Aufzeichnung per Ansage: "Hey Meta, mach ein Video" oder "Hey Meta, mach ein Foto": Die Hände bleiben am Lenker. Nachteil: Im Vergleich zum Knopfdruck dauert es einige Sekunden, bis das Foto aufgenommen oder die Videoaufzeichnung gestartet wird. Da kann es passieren, dass der eigentlich festzuhaltende Moment schon verhuscht ist.
Nach der Tour werden die aufgezeichneten Fotos und Videos über die Meta-Ai-App auf Wunsche automatisch in die Fotosammlung des Smartphones importiert. Wer einen Strava-Account mit der Brille verknüpft hat und die zugehörige Tour bei Strava hochgeladen hat, kann zudem Daten zur Tour im Video anzeigen lassen. Zur Auswahl stehen Distanz, Fahrzeit, Höhe und Geschwindigkeit.
Der Sound
Positiv überrascht die Soundqualität der beiden Open-Ear-Kopfhörer in den Bügeln der Brille. Praktisch: Da die Ohren frei bleiben, werden auch die Umgebungsgeräusche nicht gedämpft. Wer die Lautstärke zu weit aufdreht, hört allerdings irgendwann auch das sich nähernde Auto nicht mehr – und lässt zudem auch die etwaigen Mitfahrenden unfreiwillig am Audioerlebnis teilhaben. Gut funktioniert die Telefonie über die Brille. Auch bei stärkerem Fahrtwind fangen die integrierten Mikrofone die Stimme gut ein. Ab Werk ist die Option zur adaptiven Anpassung der Lautstärke aktiviert. Diese Anpassung erschien im Test allerdings teilweise etwas willkürlich, nicht immer nachvollziehbar und damit mitunter auch etwa nervig. Entsprechend haben wir die Option nach einiger Zeit deaktiviert.

Die in die Bügel integrierten Open-Ear-Kopfhöhrer überzeugen mit gutem Sound.
Die Steuerung der Musik funktioniert über ein rechts vorne am Bügel positioniertes Touchpad. Über Tipp- und Wischgesten lässt sich die Wiedergabe starten und stoppen, die Lautstärke verstellen oder der nächste Song ausgewählt werden. Auf den nackten Finger reagierte das Touchpad im Test einwandfrei. Beim Einsatz von speziellen Handschuhen mit Touch-Funktion hingegen reagierte es mal mehr und mal weniger gut.

Per Touchpad an der Seite kann die Musikwiedergabe gesteuert werden.
Die KI-Anbindung
Eine besonders spannende Eigenschaft der Vanguard ist die KI-Funktion. Diese funktioniert über die Kopplung mit der Meta-Ai-App auf dem Smartphone. Gleich nach dem Auspacken fordert die Brille zum "Verheiraten" mit der App auf. Dazu ist zunächst ein Meta-Konto erforderlich. Wer etwa noch keinen Account auf Facebook oder Instagram hat, muss sich entsprechend zunächst registrieren. Ist das passiert, geht die Kopplung schnell und problemlos vonstatten. Im Umkehrschluss bedeutet es allerdings auch: Ohne Meta-Konto und Verbindung zum Smartphone gibt’s keine KI-Unterstützung. Damit verliert die Brille also ihr Alleinstellungsmerkmal.

Per Kopplung mit der App "Meta AI" wird die Radbrille zur KI-Brille. Hier lassen sich auch die Einstellungen ändern, Trainingsdaten in die Videos einbinden oder KI-Videofilter anwenden.
Die zunächst wohl wichtigste KI-Funktion ist die Sprachsteuerung der Brille. Über Befehle wie das bereits erwähnte "Hey Meta, mach ein Video", lassen sich die wesentlichen Funktionen der Brille ausführen, ohne die Hände vom Lenker zu nehmen. Im Test verstand die Brille in der Regel meist gut, was gewünscht wurde. In einem Ausnahmefall etwa begann sie aber auch mal ein Gedicht vorzutragen, anstatt, wie eigentlich gewünscht, die Videoaufzeichnung zu beenden. Dank der Verbindung zur Meta-App kann die Brille auch typische KI-Anfragen beantworten. Etwa zur Wettervorhersage, zum Zeitpunkt des Sonnenuntergangs oder beliebigen Anfragen jedweder Art. Auf die Aufforderung, einen Fahrradwitz zu erzählen, reagierte sie allerdings mit einem recht humorlosen Gag:
"Warum hatte das Fahrrad einen schlechten Tag? Weil es einen Platten hatte!"
Interessant wird die KI-Funktion durch die Kopplung der Brille mit einem Garmin Radcomputer. So kann sie auf die Live-Daten zur Tour zugreifen, um bei Bedarf etwa aktuelle Pulswerte, gefahrene Distanz und mehr mitzuteilen. Radcomputer anderer Hersteller indes lassen sich leider, zumindest aktuell, nicht verbinden.

Das hatten wir doch schon?!? Bereits im Jahr 2009 schickte uns der Radcomputer-Hersteller Ciclosport mit der Ciclocam 1 eine Sonnenbrille mit integrierter Videokamera. Die Kamera war kaum zu erkennen, die Auflösung mit 320x240 Pixeln aber selbst für damalige Verhältnisse schwach und der Ton bei Geschwindikeiten jenseits der 5 km/h kaum mehr als ein Rauschen. Trotzdem machte es Spaß, während der Tour unkompliziert Videos drehen zu können. Besonders in den Pausen, wenn sich die Radkumpels gänzlich unbeobachtet fühlten. Die DSGVO war noch weit entfernt. Ein wesentlicher Hemmschuh war damals die geringe Akkulaufzeit der Brille. Und auch wenn die neue Oakley Meta Vanguard der Ciclocam natürlich um Lichtjahre überlegen ist: Dieses eine Manko teilt sie mit ihr. Übrigens: Ein kleines Video mit Vergleichsaufnahmen der beiden Brillen findet ihr auf unserem Instagram-Kanal.
Allzu intelligent jedoch gibt sich die KI-Radbrille aktuell noch nicht. So erhielten wir im Test auf zahlreiche Anfragen und Aufforderungen die Standardantwort: "Dabei kann ich dir leider noch nicht helfen. Aber ich lerne jeden Tag dazu." Etwa als wir erreichen wollten, dass die Brille in regelmäßigen Abständen ihren Akkustand mitteilt.
Die Akku-Laufzeit
Apropos Akkustand: Die Laufzeit des Akkus konnte im Test bislang nicht überzeugen. Vorab muss man zur Entschuldigung anmerken, dass der Großteil der Testfahrten bei Temperaturen um den Gefrierpunkt stattgefunden hat. Umstände also, die für einen Akku nicht unbedingt ideal sind. Dass sich die Brille aber trotz Start mit komplett geladenem Akku nach nur 45 Minuten Fahrzeit und rund 15 Minuten Videoaufzeichnung bereits abschaltet, enttäuscht. Der Hersteller selbst verspricht maximal neun Stunden Laufzeit, sechs Stunden sollen es bei permanenter Audiowiedergabe sein. Zum Abgleich haben wir 15 Minuten HD-Video bei Zimmertemperatur aufgezeichnet. Dabei sank der Akkustand von 100 auf 76 Prozent. Umgerechnet wären unter Idealbedingungen also etwa 60 Minuten Videoaufzeichnung möglich.

Im hochwertigen, allerdings auch schweren und klobigen Etui, wird die Brille aufbewahrt und aufgeladen.
Immerhin: Im zugehörigen Lade-Etui ist die Brille in einer guten Stunde wieder aufgeladen. Dazu verfügt das Etui, ähnlich wie von kabellosen Ohrhörern gewohnt, über einen integrierten Akku. Allerdings wird kaum jemand das klobige Etui während der Radfahrt bei sich tragen wollen. Und ohne Etui lässt sich die Brille nicht aufladen.





