Der Schreck ist nach einem Sturz zunächst groß. Doch das Wichtigste ist, dass du unversehrt geblieben bist. Das Material steht immer hinten dran und kann ersetzt werden. Du nicht. Trotzdem tut es dem Radsportler-Herz weh, sein Traumrad so hilflos auf dem Asphalt liegen zu sehen. Wir zeigen dir, wie du nach einem Sturz Erste Hilfe bei deinem Renner leisten kannst.
Erster Check vor Ort
Hast du dich nicht ernsthaft verletzt, gilt zunächst: runter von der Straße. Bist du in der Gruppe unterwegs, checken: Gibt es weitere Gestürzte? Erst wenn klar ist, dass niemand größere Hilfe braucht, kannst du dich um dein Rad und die möglicherweise entstandenen Schäden kümmern.

Rahmen checken
Prüfe Rahmen, Gabel und Cockpit in einer ersten Sichtkontrolle. Nicht nur Komponenten aus Carbon können bei einem Sturz leicht Schaden nehmen. Typische Stellen: das Oberrohr vom Lenkereinschlag, die filigranen Sitz- und Kettenstreben sowie die Gabelscheiden.

Lenker richten
Löse die Schrauben an der seitlichen Vorbauklemmung und stelle den Lenker wieder gerade, sodass Vorbau und Vorderreifen in einer Flucht stehen. Ziehe dann die Vorbauschrauben wieder ordnungsgemäß fest. Niemals den Lenker mit Gewalt einfach so wieder geraderücken!

Schalthebel richten
Hat es den Schalthebel am Lenker verdreht, löst du die Inbusschraube unter dem Griffgummi, richtest den Hebel neu aus und ziehst die Schraube wieder vorsichtig fest, dass der Hebel in Position bleibt. Zu Hause dann mit dem korrekten, vom Lenkerhersteller vorgegebenen Drehmoment festziehen.

Schaltung prüfen
Hebe das Hinterrad an und schalte einmal vorsichtig alle Gänge durch. Läuft die Kette auf alle Ritzel sauber um? Achte dabei besonders auf die Endanschläge: Klappt der Wechsel aufs größte und kleinste Ritzel stressfrei? Hier besteht das Risiko, dass sich die Kette zwischen Rahmen und kleinstem Ritzel verklemmt oder über das größte Ritzel in die Speichen gerät und diese massiv beschädigen kann. Im schlimmsten Fall kann dabei sogar das Schaltwerk abreißen. Falls die Kette abzuspringen droht, solltest du auf dem Heimweg die äußeren Ritzel unbedingt meiden. Verzichte im Zweifelsfall auf eine Weiterfahrt und lass dich ggf. von Familienangehörigen oder Freunden abholen.

Kette auflegen
Bei Stürzen rutscht häufig die Kette vom Kettenblatt. Drücke zum Wiederauflegen das Schaltwerk mit der linken Hand nach vorn und hebe die Kette aufs große oder – das geht meist leichter – aufs kleine Kettenblatt. Drehe die Kurbel ein Stück, bis die Kette richtig aufliegt.

Schalthebel kontrollieren
Kontrolliere die Brems- und Schalthebel, ob sie beim Bodenkontakt womöglich an- oder abgebrochen sind. Falls ja, muss übrigens nicht zwingend die komplette Armatur getauscht werden. Sram beispielsweise bietet Einzelteile zum Selbsttauschen an.

Bremsen checken
Prüfe bei der Schaltungskontrolle auch, ob die Bremse schleift. Falls ja, musst du den Bremssattel neu ausrichten bzw. die Disc zu Hause geradebiegen .

Sattel ausrichten
Hat sich der Sattel beim Sturz verdreht, nicht mit Gewalt geraderücken. Löse die Sattelklemmung am Sitzrohr, richte den Sattel wieder in einer Linie zum Oberrohr aus und ziehe die Schraube nicht zu fest an. Zu Hause: Drehmoment checken.

Crash-Modus lösen
Shimanos elektronische Di2-Schaltungen kommen mit einem Schutzmodus, der die Schaltmechanik bei zu starker Erschütterung vom Motor entkoppelt, um teure Schäden zu verhindern. Um wieder einzukuppeln, schaltest du bei modernen 12-fach-Gruppen so lange rauf bzw. runter, bis sich das Schaltwerk von selbst reaktiviert. Bei älteren 11-fach-Gruppen hältst du den Knopf an der Steuereinheit („Junction Box“) am Lenker für ca. fünf Sekunden gedrückt, bis die LED rot blinkt und das Schaltwerk selbstständig durch die Gänge wechselt – dabei Kurbel drehen.
Zweiter Check zu Hause

Rahmen gründlich checken
Entferne das Lenkerband und kontrolliere, ob der Lenker Kratzer oder gar Risse aufweist, vor allem wenn sich die Griffschelle verdreht hat. Löse auch den Vorbau am Gabelschaft und prüfe diesen auf eventuelle Schäden. Zeigen sich Kerben oder Risse, müssen Lenker bzw. Gabel getauscht werden. Auch am Tretlager können durch einen Kettenabwurf Schäden auftreten, ebenso an den filigranen Kettenstreben. Wenn du auf Nummer sicher gehen willst, solltest du deinen (Carbon-)Rahmen vom Händler oder Profi checken lassen (z. B. carbon-bike-check.com).

Anzugsmomente kontrollieren
Checke alle Anschraubpunkte am Rad mit einem Drehmomentschlüssel nach Herstellervorgaben, ob die Teile noch ordnungsgemäß festgezogen sind. Auch das Spiel des Steuersatzes solltest du kontrollieren und die Ahead-Schraube oben auf der Vorbaukappe ggf. nachziehen, ehe du die seitlichen Vorbauschrauben wieder nach Vorgabe festziehst.

Laufräder prüfen
Bei zu starker Belastung durch einen Sturz kann sich die Spannung der Speichen verändern – zu erkennen an einem Höhen- oder Seitenschlag im Laufrad. Im Radladen kannst du die Spannung von einem Profi per Zentrierständer korrigieren lassen. Alternativ geht’s für Geübte auch zu Hause mit zwei abgeschnittenen Kabelbindern an den Sitzstreben (Bild), die den Seitenschlag anzeigen.

Bremsscheibe richten
Hat sich die Bremsscheibe beim Sturz verbogen, kannst du sie mit einem Richtwerkzeug (ab 10 Euro) vorsichtig gerade biegen.

Schaltauge prüfen
Falls dein Schaltwerk die Gänge nach einem Sturz nicht mehr sauber trifft, kannst du mit einem Spezialwerkzeug (ab 50 Euro) prüfen, ob das Schaltauge verbogen ist. Dazu schraubst du das Schaltwerk ab und das Gewinde des Tools am Schaltauge fest. Der Abstand zur Felge sollte rundum identisch sein. Falls nicht, kannst du das Schaltauge vorsichtig zurechtbiegen – oder, besser, du tauschst es gegen ein neues aus. Ein Schaltauge kostet meist nur ein paar Euro – die Kosten für ein neues Laufrad im Fall eines kapitalen Kettenabwurfs nach innen sind ungleich höher.

Pedale prüfen
Prüfe die Pedalkörper, ob sie den Sturz unbeschadet überstanden haben. Leistungsmesspedale solltest du auf ihre ordnungsgemäße Funktion prüfen. Ungewöhnliche Wattwerte/Datenaussetzer deuten darauf hin, dass die Messeinheit beim Sturz beschädigt wurde und erneuert werden muss.

Helm kontrollieren
Weist der Helm Dellen, Risse oder Kratzer auf, solltest du ihn unbedingt erneuern – sonst ist der volle Schutz bei einem neuerlichen Sturz nicht mehr gewährleistet!