Test: Wiesmann P-Modell (Modelljahr 2018)

Testbericht: Wiesmann P-Modell (Modelljahr 2018)

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Zuletzt aktualisiert am 09.01.2018

Bewertung:

Was uns gefällt:

 entspannter Dauerläufer

 Rahmenbaukunst auf hohem Niveau

Was uns nicht gefällt:

 Lenkkopf zu weich

Testurteil

Testsieger-Logo: Testurteil sehr gut

Testurteil: Sehr gut (79 Punkte)

Es gibt sie noch, die klassischen Ein-Mann-Betriebe der Radbranche, in denen Unikate gefertigt werden – ausschließlich individuell, ausschließlich auf Maß. So wie bei Florian Wiesmann. Der Deutsch-Schweizer, Jahrgang 1973, hat bei keinem Geringeren als der Rahmenbau-Legende Ben Serotta gelernt, wie man Fahrräder baut. Seit 1993 stellt er Rahmen aus Stahl und Titan her, seine Werkstatt steht in Badenweiler im Südschwarzwald.

Wiesmanns zugrunde liegende Philosophie: Alle Menschen sind verschieden – warum sollten dann ihre Fahrräder identisch sein? Sein Anspruch: Geradlinige, leichte Produkte ohne Firlefanz, die exakt an die Körpermaße und die Einsatzzwecke ihrer Besitzer angepasst sind – und lange halten. Damit trifft er zumindest bei einer bestimmten Klientel den Nerv: Die Lieferzeit für einen Wiesmann-Renner beträgt derzeit circa sechs Monate.

Experimentalcharakter

Auch nach Jahrzehnten als Rahmenbauer bleibt Wiesmann neugierig: Wie beeinflusst das Rahmenmaterial ein Rad, wie kann man die verschiedenen Eigenschaften ermitteln, wie kann man Rahmen noch besser bauen?

Beleg für dieses Interesse Wiesmanns: Das Testrad, das er einschickte. Es ist ein privater Experimentalaufbau, der so, wie er dasteht, niemals an einen Kunden verkauft würde. Der Rahmen ist ein exakter Nachbau eines Stahlrenners von Wiesmann – die Geometrie, alle Rohrdurchmesser und Wandstärken sind identisch. Erklärtes Ziel, im vollen Bewusstsein, dass ein Titanrahmen eigentlich anders gebaut werden müsste: Endlich einmal im Wortsinn zu erfahren, wie die beiden Materialien im direkten Vergleich den Komfort eines Rades beeinflussen.

Während mit den gewählten Rohrdurchmessern aus Stahl nach Analyse von Wiesmann ein relativ steifes, wenn auch nicht ganz leichtes Rennrad entsteht, belegen die RoadBIKE-Prüfstände für das Titan-Pendant zwar hohe Komfortwerte, aber geringe Steifigkeiten: Wiesmanns Rahmen ist mit Abstand der leichteste im Testfeld und – zumindest an der Front – der komfortabelste, dafür aber auch mit nur 57 Nm/° im Lenkkopf und 80 N/mm im Tretlager der am wenigsten steife.

Die geringe Lenkkopfsteifigkeit fiel im Praxistest erstaunlicherweise kaum negativ auf: Der lange Radstand sorgt ebenso für Stabilität wie der breite Carbon-Lenker von Schmolke. Die Beschleunigung ist in Ordnung, Lenkbefehlen folgt das Rad willig, aber nicht unbedingt temperamentvoll. So, wie es dasteht, ist es eher auf ruhigen Geradeauslauf ausgelegt.

Ein konstruktives Highlight des Rahmens: der asymmetrische Hinterbau. Warum? Florian Wiesmann antwortet mit einer Gegenfrage: Wer sagt denn eigentlich, dass Hinterräder asymmetrisch eingespeicht sein müssen? Bei Wiesmann ist es umgekehrt. RoadBIKE-Werkstattchef Haider Knall bestätigt: Für ein haltbares Laufrad ist es deutlich sinnvoller, dieses beidseitig mit gleich langen Speichen, identischen Winkeln und einheitlicher Speichenspannung aufzubauen.

Hochwertige Ausstattung

Was die Ausstattung betrifft, zeigt sich Wiesmann weniger experimentierfreudig: An seinen Rädern verbaut er Bewährtes von Selle Italia, klassisch eingespeichte Laufräder, Michelin-Reifen, und er bevorzugt Shimano-Komponenten. Interessante Erkenntnis: Am Testrad schafft das neue Dura-Ace-Schaltwerk sogar die 11–32er-Kassette der Ultegra, obwohl es offiziell nur bis 30 Zähne am größten Ritzel freigegeben ist. Echte Hingucker am Testrad sind auch die Titananbauteile, allen voran der Vorbau.

* Gewicht Komplettrad ohne Pedale/Rahmen/Gabel.

Profil:

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RoadBIKE

Geometrie:

rb-0118-titan-rennraeder-test-wiesmann-p-modell-geometrie (jpg)
RoadBIKE

Wiesmann P-Modell (Modelljahr 2018) im Vergleichstest