Felgenbremsen: Rennrad-Modelle von Stevens und Storck im Test

Felgenbremsen: Test, Tipps und Informationen
2 Felgenbremser von Stevens und Storck im Test

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Veröffentlicht am 29.02.2024
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Foto: Agron Beqiri

Ein Test mit felgengebremsten Rennrädern im Jahr 2024 – ist das nicht anachronistisch? Immerhin hat die hydraulische Scheibenbremse klassische Seilzug-Stopper in den vergangenen Jahren fast vollständig verdrängt: Neue Rennräder, Schaltgruppen und Laufräder kommen inzwischen "Disc-only", Technologiesprünge oder gar neue Produkte für und mit Felgenbremsen sind kaum noch zu erwarten. Warum also dieser Test?

Gute Gründe für ein Rennrad mit Felgenbremsen

Weil sich auch im Jahr 2024 durchaus gute Gründe für eine Felgenbremse am Rennrad finden: Felgenbrems-Renner kosten weniger als vergleichbar ausgestattete Disc-Modelle, und sie sind spürbar leichter. Die Technologie ist auch für Laien durchschaubar, Beläge, Züge und Zughüllen lassen sich einfach selbst pflegen, warten oder tauschen. Und je nach Anwendungsfall kann eine Felgenbremse durchaus die richtige Wahl sein: Muss ein Schönwetterradler, der im Flachland oder Mittelgebirge lebt, zwingend eine Disc nutzen, wie sie für Ganzjahrespendler oder bei verregneten Passabfahrten sicher die bessere Lösung ist? Zumindest die Wahlfreiheit zu haben, wäre für viele Radsportler*innen nach wie vor durchaus wünschenswert.

Doch viele Radhersteller haben die Felgenbremse am Rennrad längst ins preiswerte Einstiegssegment verbannt oder komplett aus dem Angebot gestrichen. Andere verkaufen nur noch Restbestände ab. Und so mancher Anbieter scheint gar ums eigene Image besorgt: Hinter vorgehaltener Hand erklärten einige, man verzichte lieber auf eine Teilnahme an diesem Test, da man lieber mit zeitgemäßeren Produkten wahrgenommen werden wolle.

Stevens und Storck zeigen, dass man als Rennradhersteller auch 2024 preislich und technisch attraktive Carbon-Modelle mit Felgenbremsen anbieten kann – neben innovativen Disc-Rennern. Beide Anbieter betonten zudem, dass sie auch künftig Felgenbrems-Rennräder anbieten wollen, sofern die Nachfrage weiterhin anhält und notwendige Anbauteile verfügbar bleiben.

Fans und Sparfüchse freut’s, denn der Roadbike-Labor- und Praxistest zeigt: Das Stevens Izoard und Storcks Aernario machen wenig falsch, dafür viel richtig. Beide Renner sind mit 7,6 beziehungsweise 7,0 Kilogramm echte Leichtgewichte, gefallen mit spritziger Beschleunigung, sportlich-agilem Handling und großer Lenkpräzision. Mit aerodynamischen Rohrquerschnitten (Stevens) und top Dämpfungskomfort am Heck (Storck) zeigen sie sich technisch auf Höhe der Zeit. Der Fahrspaß ist groß, ebenso das Sicherheitsgefühl. Auch beim Bremsen.

Shimanos Ultegra 11-fach-Gruppe, die an beiden Rennern verbaut wird, funktioniert tadellos. Doch auch 12-fach kann man mit Felgenbremse fahren: mit Campagnolo-Gruppen sowieso, aber auch bei den Topgruppen von Shimano und Sram. Nur die immer breiteren Reifen passen nicht durch die Bremszangen: Mehr als 28 mm breite Pneus sind nicht drin. Wer damit gut leben kann, fährt und bremst auch 2024 mit Felgenbrems-Rennern bestens!

Im Test: Stevens Izoard

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Agron Beqiri

Das Stevens Izoard mit Carbon-Rahmen ist neben dem Aspin aus Alu-Rohren eines von zwei Felgenbrems-Rennrädern, das Stevens 2024 anbietet. Beide Modelle können auf der Website der Hamburger im Online-Konfigurator bis ins kleinste Detail nach eigenen Vorlieben und passend zur eigenen Anatomie zusammengestellt werden: Antriebsgruppe, Laufräder, Reifen, Anbauteile inklusive deren Abmessungen – bei Stevens hat man die Qual der Wahl, die Auslieferung erfolgt über einen von 600 Fachhändlern.

Der Testaufbau setzt auf eine mechanische Shimano Ultegra 11-fach-Gruppe und geizt auch sonst nicht mit Reizen: sehr leichte Alu-Laufräder von DT Swiss, Topreifen und TPU-Schläuche von Schwalbe, Carbon-Sattelstütze. Dass der 7,6 Kilogramm leichte Aufbau dennoch für faire 3100 Euro zu haben ist, klingt da umso erfreulicher. Ohne Sonderwünsche gibt’s das felgengebremste Izoard ab 2399 Euro, mit Shimanos 105-Gruppe gar für 1999 Euro.

In der Praxis zaubert das leichte Izoard schon nach wenigen Kurbelumdrehungen ein fettes Grinsen ins Gesicht: Mit spritzigem Antritt geht es nach vorn, die Lenkung ist sehr agil, zugleich aber nie nervös, die Sitzposition zeigt sich ausgewogen. Sprich: durchaus sportlich-gestreckt, aber nicht zu extrem. Kurz: ein toller Allrounder, der sich auf Rennstrecken ebenso heimisch fühlt wie auf der Pässetour. Ein kleines Manko ist der ordentliche, aber nicht überbordende Komfort am Heck, wie auch der Roadbike-Prüfstand bescheinigt. Und: Im Stevens-Konfigurator hätten wir wohl einen anderen Sattel ausgewählt ...

Die Bremse ruckelte anfangs etwas, verrichtete aber bald zuverlässig ihren Dienst auf der schicken schwarzen Keramikbremsflanke, die ihre Farbe übrigens nach Roadbike-Erfahrung dauerhaft behält (nachzulesen in Ausgabe 06/17 der Roadbike). Apropos Bremse: Stevens bietet das Izoard mit identischer Geometrie auch mit Discs an – ebenfalls im Konfigurator.

👍 Das gefällt

Preis/Leistung beim Izoard? Stimmt definitiv! Auch Handling und Sitzgeometrie dürften für viele anschlussfähig sein.

👎 Das weniger

Der Dämpfungskomfort am Heck geht in Ordnung, als Sänfte dürfte das Izoard aber kaum jemand bezeichnen.

💗 Das perfekte Rad für...

...alle, die einen ebenso leichten wie bezahlbaren Untersatz suchen, der vom täglichen Training über Rennen bis hin zu Radmarathoneinsätzen für jeden Spaß zu haben ist.

*Rahmengröße 58

Weitere Informationen beim Hersteller: Stevens Bikes

Im Test: Storck Aernario.2 Comp

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Agron Beqiri

Ja, es mag sein, dass Aerodynamik de facto schneller macht als Leichtbau. Und ja, mit breiteren Reifen erweitert sich das Einsatzspektrum. Aber hey, so ein Sieben-Kilo-Renner fetzt einfach! Wie das Aernario.2 Comp, das nach vorn geht wie von der Tarantel gestochen.

Interessant ist die Kombination aus agilem Handling und etwas aufrechter Sitzposition: Steile Lenk- und Sitzwinkeln, kurze Kettenstreben und ein kurzer Radstand bewirken, dass sich das Rad ausgesprochen agil, fast schon quirlig fährt. Dennoch gestaltet sich die Haltung auf dem Rad durch die montierten Spacer durchaus rückenschonend. Rennfahrer setzen den Lenker vermutlich ein gutes Stück tiefer, sportliche Marathonisti freuen sich über das Set-up. Nur wer ein Rad mit stark ausgeprägter Laufruhe sucht, schaut sich besser nach einer Alternative um.

Die sehr leichten DT Swiss-Laufräder mit Carbon-Felgen tragen maßgeblich zur auffälligen Fahrdynamik bei, beim Bremsen pfeifen die Beläge laut auf der Carbon-Flanke, verzögern aber vehement, ja bissig. Etwas ungewohnt fühlen sich mittlerweile die nur 25 Millimeter messenden Reifen an – die Bremskörper bieten bei Bedarf Platz für maximal 28 mm breite Pneus. Sehr gut gefiel der Sattel von Selle San Marco.

Geschmackssache sind die nach hinten offenen Ausfallenden, die typisch für Storck sind. Sie machen den Laufradausbau zwar nicht zur Raketenwissenschaft, verkomplizieren selbigen aber ohne erkennbaren Mehrwert.

Storck bietet das Felgenbrems-Aernario als Rahmen-Set in zwei Carbon-Qualitätsstufen an, darüber hinaus sind – sofern die Zulieferer die benötigten Komponenten garantieren können – Kompletträder mit Shimanos mechanischer Ultegra 11-fach sowie Shimanos Ultegra Di2 12-fach erhältlich. Sowieso im Angebot: Aernarios in verschiedenen Güteklassen mit identischer Geometrie und Scheibenbremse.

👍 Das gefällt

Das spielerische Handling und das Leichtgewicht treiben sportlichen Fahrer*innen Freudentränen in die Augen.

👎 Das weniger

Eine etwas unsauber eingestellte Schaltung und das Bremsquietschen trübten den Praxiseindruck geringfügig.

💗 Das perfekte Rad für...

... alle, die Leichtbau und Fahrspaß zum vergleichsweise fairen Kurs suchen. Und für alle, die gegen eine etwas aufrechtere Haltung auf dem Rad nichts einzuwenden haben.

* Rahmengröße L

Fazit

Stevens und Storck beweisen: Moderne Felgenbrems-Renner sind leicht, schnell, zudem bezahlbar – und machen jede Menge Spaß! Schade, dass das Angebot immer kleiner wird. Eine Chance für mutige Hersteller und Maßrahmenbauer.

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Das sagen Industrievertreter

Werden Felgenbrems-Komponenten noch produziert? Wie lange bleiben Verschleißteile erhältlich? Wir haben Industrievertreter zu diesem Thema befragt.

1

Michael Wild, Leitung Marketing & PR bei Paul Lange

2

Alvise Rizzi, Europe Road Communication Sram

3

Ralf Eggert, Road Marketing Manager DT Swiss