Von Frau zu Frau: Die weibliche Physiologie im Radsport – Teil 5

Das Einmaleins der weiblichen Physiologie im Radsport
Von Frau zu Frau – Teil 5 - Fit durchs Leben

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Veröffentlicht am 04.05.2024
Female pro cyclist taking lead on mountain climb
Foto: Digital Vision

In den ersten Teilen unserer Serie haben wir die Effekte betrachtet, die der Hormonzyklus auf die sportliche Leistung von Frauen hat. Doch längst nicht jede Frau erlebt einen solchen "Lehrbuch-Zyklus": Hormonelle Verhütungsmittel oder auch die Menopause wirbeln das Hormonsystem ordentlich durcheinander. Welche Auswirkungen diese hormonellen Veränderungen im Lauf des Lebens auf deine Radleistung haben und wie du dein Training je nach Situation anpassen kannst, erfährst du hier:

Interview

Sportmedizinerin Beate Zunner, Fachärztin für Allgemein-, Sport- und Ernährungsmedizin in Bayreuth, gibt im Interview wertvolle Einblicke in physiologische Abläufe und von Trainer Steffen Conrad erhältst du praktische Trainingstipps für jede Lebenssituation.

ROADBIKE: Wie funktioniert hormonelle Verhütung überhaupt?

Beate Zunner: Es gibt verschiedene Formen von hormonellen Verhütungsmitteln. Allen gemeinsam: Sie enthalten eine synthetische Version des Hormons Progesteron (und teilweise Östrogen), das die für den Eisprung verantwortlichen Hormone LH und LSH unterdrückt und ihn somit verhindert. Statt der monatlichen Hormonschwankungen erlebst du bei der Einnahme der Pille also nur ein kleines Auf und Ab im Laufe des Tages. So bleiben deine Hormonlevel relativ konstant, der Zyklus wird deutlich "geglättet".

Welchen Auswirkungen haben hormonelle Verhütungsmittel auf das Training?

Die Studienlage zu Verhütungsmitteln im Sport ist noch dünn. Auch die Ergebnisse sind teils widersprüchlich, weil oft nicht zwischen verschiedenen Arten von Hormonpräparaten unterschieden wird. Generell lässt sich die Hormonsituation aber mit dem vergleichen, was wir aus der zweiten Zyklushälfte kennen: Vor allem das Progesteron der Gestagen-Präparate kann sich negativ auf Muskelkraft und -aufbau sowie die generelle Trainierbarkeit des Körpers auswirken. Auch Motivation, Selbstbewusstsein und Wettkampfstärke können darunter leiden. Östrogen hat zwar die genau gegenteilige Wirkung, doch wegen des hohen Thromboserisikos ist es nur noch in wenigen kombinierten Hormonpräparaten enthalten.

Erhöhen hormonelle Verhütungsmittel die sportliche Leistungsfähigkeit?

Das hängt stark vom Einzelfall ab: Für Frauen, die unter extremen Regelschmerzen oder starken Blutungen leiden, können hormonelle Verhütungsmittel eine erhebliche Besserung bedeuten. Generell würde ich allerdings nicht sagen, dass kontrazeptive Hormonpräparate mit einer Leistungssteigerung einhergehen. Im Gegenteil: Studien zeigen sogar, dass Frauen während der Zeit ihrer "Pillenpause" leistungsfähiger sind als während der Einnahme. Dieser Zeitpunkt ist etwa vergleichbar mit der frühen Follikelphase im natürlichen Zyklus. Wichtig zu wissen ist, dass das Thromboserisiko durch Hormoneinnahme bei Sportlerinnen besonders hoch ist, da mit hohem Trainingsumfang und langer Wettkampfdauer auch die Gefahr für eine Dehydrierung steigt. Ich erinnere mich an den Fall einer Amateur-Triathletin, die bei einem mehrstündigen Wettkampf in der Hitze und anschließender mehrstündiger Heimreise nicht genug getrunken hatte. Eine ausreichende Flüssigkeitsversorgung ist hier das A und O."

Was passiert später in der Menopause?

Mit etwa 50 bis 55 Jahren fährt das Hormonsystem von Frauen herunter und der Körper stellt den Zyklus ein. Diese Veränderung geschieht nicht plötzlich, sondern kann sich bereits bis zu fünf Jahre vorher durch erhebliche Hormonschwankungen ankündigen. Sogar langjährige Sportlerinnen erfahren in dieser Zeit Veränderungen, die ihre etablierte Trainingsroutine und Wettkampfverpflegung auf den Kopf stellen.
Der Hormonmangel der Menopause kann erhebliche Auswirkungen haben, z. B.:
■ Aufbau und Halten von Muskelmasse wird durch die fehlende anabole Wirkung von Östrogen erschwert.
■ Kohlenhydrate können weniger gut gespeichert werden, wodurch die Gefahr
einer Insulinresistenz und vermehrter Fetteinlagerung steigt.
■ Der Fettstoffwechsel arbeitet bei Belastung nicht mehr so gut, sodass im Training mehr Kohlenhydrate nötig sind.
■ Die Knochengesundheit nimmt durch niedrige Östrogenlevel zunehmend ab.

Steffen Conrad

Serie: Von Frau zu Frau