Einleitung
Der monatliche Zyklus ist für Frauen oft eine regelrechte Berg- und Talfahrt. Viele von uns erleben auch in ihrer sportlichen Leistungsfähigkeit Monat für Monat ein Auf und Ab, das sich durch Tagesform oder Stress allein nicht mehr erklären lässt. Das ist kein Zufall, wie jüngere Forschungsergebnisse bestätigen: Denn die unterschiedliche Hormonaktivität über die Zyklusphasen hinweg hat erheblichen Einfluss auf viele physiologische Prozesse im weiblichen Körper und damit auch auf die Leistungsfähigkeit von Frauen. Im Alltag, ganz besonders aber im Training und Wettkampf – Regelschmerzen bilden dabei nur die Spitze des Eisbergs.
In unserer neuen Serie gehen wir dieser noch jungen Thematik auf den Grund, die erst in den letzten Jahren vermehrt ins öffentliche Bewusstsein rückt . Nicht zuletzt dank der Offenheit einiger Athletinnen und der Arbeit einer der führenden Expertinnen auf diesem Gebiet, Dr. Stacy Sims. Mit ROADBIKE bekommst du praktische Tipps, die dir helfen, deinen Körper besser zu verstehen und seine Symptome über den Zyklus hinweg zu deuten. Diese neuen Einblicke sind zwar nicht die Lösung für alles, doch sie bieten eine Hilfestellung, wie du mehr aus deinem Training herausholst und über den Monat hinweg eine konstantere Leistung abrufen kannst.
Wie funktioniert der Hormonzyklus von Frauen?
Ein Zyklus ist im Schnitt etwa 28 bis 33 Tage lang und lässt sich in zwei Hälften aufteilen. Die erste Phase beginnt an Tag eins mit dem Einsetzen der Periode und endet mit dem Eisprung, etwa an Tag 14. In dieser ersten Hälfte, auch Follikelphase genannt, sind die Hormonlevel gering, Leistungs- und Erholungsfähigkeit sind dafür auf ihrem Höchststand. Der Eisprung in der Mitte des Zyklus markiert einen Wendepunkt. Denn mit dem Beginn der zweiten Zyklushälfte, der lutealen Phase, kommt es zu einem progressiven Anstieg der Hormone Östrogen und Progesteron. Diese hohe Hormonaktivität hat Auswirkungen auf viele Prozesse im Körper, darunter Thermoregulation und Wasserhaushalt, die für den Muskelaufbau wichtige Proteinsynthese und den Energiestoffwechsel unter Belastung.
Oft essen Sportlerinnen und Sportler, wenn sie eigentlich trinken sollten – und haben das Gefühl, einen Hungerast zu bekommen, obwohl sie in Wirklichkeit dehydriert sind: Wenn du unterwegs spürst, dass sich die Wand immer mehr nähert, liegt das oftmals daran, dass der Wasserhaushalt in deinem Körper einen kritischen niedrigen Punkt erreicht hat und dein Blut dickflüssig wird. (Aus Dr. Stacy Sims’ Buch "ROAR" von 2015, S. 194)
Wie fühlen sich die unterschiedlichen Zyklusphasen beim Radfahren an?
Vielleicht kennst du das: An einem Tag stellst du bei der Gruppenausfahrt noch eine Bestzeit an deinem Hausberg auf und die Intervalle gehen dir mit links von der Hand, beim Wettkampf eine Woche später sieht es plötzlich ganz anders aus: Deine Beine fühlen sich kraftlos an, die Herzfrequenz ist hoch und die Hitze setzt dir von Beginn an zu. Schon nach einer Stunde setzt der Hunger ein und deine Frustration wächst: Wie kann das sein, es lief doch so gut in letzter Zeit?
Keine Angst, solche Erlebnisse sind keine Seltenheit, wenn dein Wettkampf in die zweite Zyklushälfte fällt. Sie sind oft nicht nur recht einfach erklärbar, sondern lassen sich beim nächsten Rennen sogar vermeiden, indem du Training, Ernährung und Wettkampfverpflegung an die besonderen Bedürfnisse deines Körpers in jeder Zyklusphase anpasst.

Von Frau zu Frau – Teil 1: So kommst du besser mit Hitze klar
Im ersten Teil unserer Serie gehen wir der Frage auf den Grund, wieso Wärme Frauen oft mehr zusetzt als Männern, und geben dir praktische Tipps, wie du deine Hydrationsstrategie optimierst, um warme Tage beim Training und im Rennen besser zu meistern. Frauen schwitzen nicht nur anders als Männer, ihre Hitzeverträglichkeit verändert sich auch maßgeblich mit den Hormonschwankungen im Lauf des Monatszyklus. Und da die sportliche Leistung an warmen Wettkampftagen nicht selten vom richtigen Umgang mit Hitze und Hydration abhängt, ist es essenziell, dass du deinen Körper verstehst und seine Symptome zu deuten weißt. Das hilft dir, über den gesamten Monat hinweg deine Bestleistung abzurufen, auch wenn die Hormonlevel in der zweiten Zyklushälfte vieles ein wenig erschweren.
Wieso sind Frauen anfälliger für Hitze?
Frauen haben aufgrund ihres kleineren Körpers ein geringeres Blutvolumen als Männer und damit auch weniger absolute Wassermenge im Körper. Umso sparsamer geht der mit der wertvollen Flüssigkeit um: Frauen beginnen während einer Belastung erst später zu schwitzen – ein Schutzmechanismus gegen Dehydrierung, der gleichzeitig jedoch die Kühlfähigkeit des Körpers an seine Grenzen bringen kann. Denn in der zweiten Zyklushälfte kommt erschwerend hinzu, dass das Hormon Progesteron bereits in Ruhe für eine höhere Körpertemperatur sorgt, sodass sich hohe Außentemperaturen noch wärmer anfühlen.
Außerdem sorgen die hohen Hormonlevel in dieser Zeit für einen Rückgang des Blutvolumens und eine höhere Ausscheidung von Natrium, was den Wasserhaushalt weiter beeinflusst und den weiblichen Körper anfälliger für Dehydrierung macht. Eine Gefahr, die oft durch ein vermindertes Durstgefühl in dieser Zeit weiter verschärft wird. Dieses verringerte Durstgefühl ist ein Zustand, der mit zunehmendem Alter immer häufiger auftritt.

Die 5 wichtigsten Tipps für Frauen zum Umgang mit Hitze
Sei dir bewusst, wie...
...wichtig ein ausgeglichener Wasserhaushalt, genügend Blutvolumen und jede erdenkliche Art von Kühlung für deine Leistungsfähigkeit sind – nicht nur, aber besonders bei großer Hitze. Denn eine effektive Thermoregulation deines Körpers ist Grundvoraussetzung für Druck auf dem Pedal. Klingt simpel, doch mit diesen neuen Einblicken weißt du nun, wieso Wasserversorgung und Kühlung gerade in der zweiten Zyklushälfte oberste Priorität haben.
Trinke bereits in den...
...zwei bis drei Tagen vor einem Wettkampftag genügend – und nicht ausschließlich reines Wasser: Auch salzige Flüssigkeiten wie Brühe oder Miso-Suppe können helfen, damit das Wasser im Körper gebunden wird und nicht nur dafür sorgt, dass du ständig auf die Toilette musst. Das gilt besonders für Frauen während der zweiten Zyklushälfte, wenn die Hormone nicht nur für ein geringeres Blutvolumen, sondern auch einen geringeren Natriumgehalt sorgen. Deswegen ist es auch unmittelbar vor der Belastung wichtig, spätestens alle 30 Minuten ein wenig zu trinken, damit du nicht schon mit einem Wasserdefizit startest.
Setze dir im Wettkampf zum Ziel..
...etwa 500–700 ml pro Stunde zu trinken, damit dein Blut flüssig bleibt. Je wärmer die Bedingungen und je größer du bist, desto höher ist dein Wasserbedarf: Die Empfehlung lautet 6,2 bis 9,3 ml pro kg Körpergewicht. Verlass dich dabei, besonders in der zweiten Zyklushälfte, nicht ausschließlich auf dein Durstgefühl, sondern programmiere alle 15–20 Minuten eine Erinnerung auf deinem Radcomputer ein. Auch während des Rennens ist reines Wasser nicht die beste Wahl: Jede Trinkflasche sollte eine geringe Menge an Salz und Zucker (maximal 4 g Kohlenhydrate pro 100 ml) enthalten. Nicht, um ausgeschwitzte Elektrolyte zu ersetzen, sondern um die Zusammensetzung des Blutplasmas zu imitieren und so eine schnellere Aufnahme der Flüssigkeit in den Blutkreislauf zu gewährleisten – und um Toilettenpausen zu minimieren.
Erkenne die Warnzeichen:
Erhöhte Herzfrequenz, eine gefühlt höhere Intensität sowie verringerte Leistungsfähigkeit und Muskelkraft sind Anzeichen dafür, dass deinem Körper Wasser fehlt. Ein unerklärliches Hungergefühl kann ebenfalls auf einen Flüssigkeitsmangel hindeuten. Ignorierst du diese Anzeichen, können bald Muskelkrämpfe und – bei zunehmender Überhitzung – Schüttelfrost einsetzen, bis dein Körper aus Wassermangel schließlich das Schwitzen einstellt – ein ernsthaftes Problem, da eine Überhitzung dann kaum noch abzuwenden ist.
Trinken ist wichtig, aber...
...auch zu viel ist nicht gut. Hör auf deinen Körper und übertreib’s nicht. Trinkst du im Rennen dauerhaft zu viel, bringst du deinen Wasserhaushalt aus der Balance und riskierst eine Hyponatriämie – einen kritischen Natriummangel im Blut, bedingt durch das Trinken von zu viel reinem Wasser. Anzeichen hierfür können Übelkeit, Kopfschmerzen oder Krämpfe sein.