Erkältungen sind lästig – und hindern den Formaufbau. Aber wie komme ich als Sportler*in infektfrei durch den Winter? Genau das haben wir Dr. Denis Biró gefragt.

Dr. Denis Biró ist unser Experte zum Thema.
Dr. Denis Biró ist Oberarzt für Innere Medizin und Diabetologie in der Filderklinik und niedergelassener Präventionsmediziner in Stuttgart. Als Sportmediziner betreut er unter anderem die Rad-Nationalmannschaft. Wir haben mit ihm gesprochen und haben Tipps gesammelt, wie dir das gelingt.
So kommst du fit durch den Winter!
Wie hängen Sport und Immunsystem zusammen?
Grundsätzlich gilt: Sport ist gut für das Immunsystem. Allerdings nur bei regelmäßigem, moderatem Training von 30 bis 60 Minuten pro Tag im lockeren Grundlagenausdauer-Bereich. Denn das aktiviert die Immunzellen und unterstützt so auch die Muskelregeneration. Wird die Belastung hingegen länger und/oder intensiver, wird auch das Immunsystem wieder schwächer – auch bekannt als Open-Window-Effekt. Man ist dann für bis zu drei Tage anfälliger für Krankheiten.
Ein typischer Trainingsplan zur Leistungssteigerung ist jedoch ein Auf und Ab aus Be- und Entlastung: An Trainingstagen werden die idealen 60 Minuten in der Regel übertroffen, an Ruhetagen wird dafür gar nicht trainiert. Deshalb gilt es besonders an den Trainingstagen die Risikofaktoren zu minimieren und nach den gesetzten Reizen durch Ruhetage die Superkompensation zu nutzen – damit nicht nur die Leistungsfähigkeit steigt, sondern auch das Immunsystem langfristig stärker wird.
Ist man beim Rollentraining weniger infektanfällig als draußen?
Ist es draußen kalt, bedeutet das ein Risiko fürs Immunsystem. Beim Indoor-Training kühlen die Schleimhäute nicht aus, diese behalten ihre „Wohlfühltemperatur“. Deshalb wäre das Rollentraining gerade für Radsportler aus der Perspektive der Erkrankungsvorbeugung ratsamer. Allerdings neigen viele Sportler beim Rollentraining dazu, dauerhaft zu intensiv zu trainieren und so das Immunsystem zu schwächen.
Dann können Risikofaktoren wie kranke Kinder im Haus oder verschnupfte Arbeitskollegen am Folgetag dem Körper stärker zusetzen und womöglich eine Erkältung bedeuten. Daher ist es wichtig, nicht jede Rolleneinheit als intensives Training zu nutzen, sondern indoor auch mal ruhiger zu trainieren.
Ist eine Grippeschutzimpfung sinnvoll?
Ich empfehle allen meinen Profiathleten die Grippe- und Coronaschutzimpfung und würde Hobbysportlern noch stärker dazu raten, weil sie durch Beruf oder Familie noch mehr Risikofaktoren ausgesetzt sind und kürzere Regenerationsphasen haben. Denn eine Grippe wirft einen stärker zurück als die paar Tage Trainingsreduktion rund um die Impfung.
Nach der Impfung sollte für 24 bis 48 Stunden kein intensives Training erfolgen, am Tag der Impfung selbst ist Sport tabu. Zudem sollte man die Impfung nicht direkt nach einer intensiven Trainingsphase oder in Zeiten mit viel Stress terminieren. Ich empfehle, sie in die Mitte einer Ruhewoche zu legen. Studien zeigen übrigens, dass eine Grippeschutzimpfung auch vor weiteren Viren schützt. So können Sportler kontinuierlicher trainieren, da sie seltener krank werden.
Welche Rolle spielt das Körpergewicht für das Immunsystem?
Gewicht korreliert stark mit dem Immunsystem. Deshalb rate ich davon ab, im Winter "Gewicht zu machen". Denn die Kilos zu verlieren, geht nur über ein Energiedefizit – und das bedeutet immer Stress für den Körper. Die Infektanfälligkeit steigt während des Abnehmens an.
Selbst wenn eine Person 15 Kilogramm verlieren könnte, rate ich: Lieber ein paar Kilos mehr durch den Winter bringen und das Gewicht langfristig und kontinuierlich über das Frühjahr bzw. die Wettkampf- oder Tourensaison reduzieren. Dann sind auch weniger Viren unterwegs und die Gefahr einer Erkrankung ist geringer.
Bei welchen Anzeichen sollte ich mit dem Training pausieren?
Wenn der Hals kratzt oder die Nase kitzelt, sollte das Training in jedem Fall zurückgefahren werden. Denn es kann sein, dass weitere Symptome wie Husten oder Fieber folgen und man richtig krank wird.
Ideal wäre es, zunächst gänzlich vom Sport zu pausieren, bis sich die Symptomlage geklärt hat. Erst wenn sich die Symptome bessern, kann man sehr locker Radfahren – am besten im Kompensationsbereich (ca. 50 Prozent der FTP bzw. maximalen Herzfrequenz) und höchstens eine Stunde am Tag.
Können Fitnesstracker Erkältungen vorhersagen?
Fitnesstracker sind sehr gute Tools, aber gerade junge Athleten schauen häufig nur noch aufs Whoop oder ihre Garmin-Uhr und fühlen nicht mehr in ihren Körper hinein. Dann werden Warnsignale wie Halskratzen oder eine kitzelnde Nase schnell ignoriert und trotzdem intensiv trainiert, da die "Fitnesswerte doch im grünen Bereich liegen". Ich bin ein Freund der Herzfrequenzvariabilität (HFV bzw. HRV), denn sie spiegelt den Zustand des autonomen Nervensystems aus Sympathikus und Parasympathikus wider.
Wenn die HFV niedrig ist, dann liegt meist eine hohe Stressbelastung durch Training oder Arbeit vor, das Immunsystem ist dann anfälliger für Infekte. Dann sollten keine intensiven Belastungen erfolgen, sondern ein Ruhetag eingeplant werden, um das Infektrisiko zu reduzieren und die HFV wieder in den Normalbereich zu befördern.
Auch das Schlaftracking vieler Devices ist sehr wertvoll. Nicht nur die Schlafdauer ist hilfreich, sondern auch die Dauer der einzelnen Schlafphasen. Allein für den pädagogischen Effekt sind die Werte nützlich, um rechtzeitig schlafen zu gehen und so das Krankheitsrisiko zu minimieren.
Hängt die Infektanfälligkeit vom Geschlecht ab?
Frauen haben je nach Zyklusphase ein unterschiedlich starkes bzw. schwaches Immunsystem. Besonders kurz vor dem Einsetzen der Menstruation ist das Immunsystem anfälliger. Von intensiven Einheiten ist dann eher abzuraten.
Den Fokus dann besser auf längere, lockere Fahrten legen. Intensive Intervallserien eignen sich eher für die Phase zwischen Menstruation und Eisprung, wenn das Östrogen-Level höher und das Immunsystem somit stärker ist.
Welche Nährstoffe oder Supplemente schützen am besten?
Neben den "Klassikern" Vitamin C und D zeigt die Studienlage eindeutig, dass Zink das Immunsystem stärkt, indem es das Andocken der Viren an die Schleimhäute reduziert, die Enzymarbeit verbessert und Krankheitsverläufe um bis zu zwei Tage verkürzt. Gerade Sportler haben jedoch häufig einen Zinkmangel, denn Zink geht vor allem über Schweiß und Urin verloren.
Bei Erkältungen empfehle ich die Einnahme eines Zinkpräparats zum Beispiel in Tablettenform in Höhe von 25 bis 40 mg pro Tag für rund eine Woche. Ich empfehle meinen Sportlern zudem, in der Erkältungszeit ruhig jeden zweiten Tag diese Dosis prophylaktisch einzunehmen, um sich vor einem Infekt zu schützen.
An Trainingstagen ist es wichtig, die Risikofaktoren zu minimieren. Sollte dies nicht möglich sein, ist das Training auf einen anderen Tag zu verschieben.
Diese Risikofaktoren gibt es:
🌨️ Kälte & Nässe: Kleide dich stets den Wetterbedingungen entsprechend (lieber eine zusätzliche Jacke mitnehmen), ziehe dir schnell warme, trockene Kleidung an, mit etwas Abstand dann duschen.
👨💼 Beruf & Alltag: Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol unterdrücken die Immunzellen. Wenn du gerade viel auf dem Tisch hast, kann zusätzliches, hartes Training kontraproduktiv sein.
🛏️ Schlaf: Zu wenig Nachtruhe hemmt die Immunfunktion und Regenerationsarbeit des Körpers. Schlafe mindestens sieben Stunden pro Nacht. Nutze Einschlafroutinen wie fixe Zubettgehzeiten, Lesen oder ruhige Musik.
🏖️ Regeneration: Auf intensive Einheiten sollte ausreichend Ruhe folgen, etwa durch 1–2 Tage Pause oder kurze, lockere Einheiten – auch wenn du dich eigentlich gut fühlst.
👨👩👦👦 Soziale Kontakte: Arbeitskollegen, öffentlicher Nahverkehr, Familienbesuche – sie lassen sich nicht vermeiden, aber idealerweise sollte vor einem Treffen mit vielen Menschen kein intensives Training erfolgen.
🥗 Ernährung: Ausgewogene Mahlzeiten mit viel Obst und Gemüse liefern dem Körper alle wichtigen Mikronährstoffe. Auch Kohlenhydrate beim Training leisten einen wichtigen Immunbeitrag – eine ausreichende Zufuhr senkt das Stresslevel. Unmittelbar nach dem Training fördert ein Kohlenhydrat-Eiweiß-Mix im Verhältnis von 3:1 die Regeneration.