Dass der Radsport ein extrem harter und fordernder Sport ist, wissen auch Hobbyfahrer schon lange. Aber selten wurden den Zuschauern so intime Einblicke in den Radsport-Zirkus gewährt wie in der neuen, achtteiligen Doku-Serie "Tour de France: Unchained" (dt. Tour de France: Im Hauptfeld), die der Streaming-Gigant Netflix während der Frankreich-Rundfahrt im vergangenen Jahr produziert hat.
Gleich acht Teams gewährten den Drehteams Zugang zu den Mannschaftsbussen oder Teamhotels, darunter Ineos Grenadiers, Alpecin-Fenix oder das Team Jumbo-Visma des späteren Tour-Siegers Jonas Vingegaard. Nicht zu vergessen: die deutsche Mannschaft Bora-hansgrohe. Der Zuschauer sitzt im Wagen mit den sportlichen Leitern und erlebt die puren Emotionen direkt und ungefiltert mit. Grenzenloser Jubel trifft auf bittere Enttäuschung und formidable Wutausbrüche.
Die Tour schreibt jedes Jahr unzählige große und kleine Geschichten, erschafft große und kleine Helden. Sei es das Duell um den Gesamtsieg zwischen Vingegaard und Pogacar, die spannende Etappe über das Kopfsteinpflaster nach Roubaix, das Comeback von Fabio Jakobsen, die schier unfassbare Performance von Wout van Aert...
Kurz & Knapp
- Titel: "Tour de France: Unchained"
- Dauer: acht Folgen à 45 Minuten
- Produzenten: Paul Martin, Yann Le Bourbouach, Amelia Hann, James Gay-Rees
- Sprachen: u. a. Deutsch, Englisch, Französisch (jeweils mit Untertiteln)
- Rennen: Tour de France 2022
- Teams: AG2R-Citröen, Alpecin-Fenix, Bora-hansgrohe, EF Education Easy-Post, Groupama-FDJ, Ineos-Grenadiers, Jumbo-Visma, Quick-Step Alpha Vinyl

Fazit
Packende Landschaften, faszinierende Duelle, charismatische Akteure: Die Netflix-Doku "Tour de France: Unchained" ist weit mehr als nur eine Nacherzählung der 2022er-Tour de France. Schon in der ersten Folge wird von Beginn an deutlich, unter welchem Erfolgsdruck die Teams beim größten Radrennen der Welt stehen – und wie schwer es fällt, diese Erwartungen in Ergebnisse umzumünzen. Existenzängste, Selbstzweifel und Krisensitzungen inklusive. Den Machern der Serie gelingt es, auch den Nichtkennern die Charaktere und die Bedeutung des Rennens näherzubringen – und welche Rolle das Teamwork im Radsport spielt, um überhaupt erfolgreich zu sein. So erleben die Zuschauer etwa die morgendlichen Besprechungen im Teambus von Jumbo-Visma, bei denen Superstar Wout van Aert sich zähneknirschend der Mannschaftstaktik beugen und seine persönlichen Interessen hinten anstellen muss. Oder wie Frankreichs Liebling Thibaut Pinot sich manchmal als "zu beliebt für seine Leistungen" fühlt.
Die Story beschränkt sich dabei nicht nur auf das Rennen selbst, sondern auch auf die Vorbereitung: Gezeigt werden Ausschnitte aus Höhentrainingslagern, etwa wie Mathieu van der Poel nach einem Leistungstest am Straßenrand beinahe kollabiert. Zudem werden Fahrer zu Hause besucht, zeigen Szenen aus ihrem Alltag – auch die eine oder andere Partnerin kommt zu Wort und spricht über die Entbehrungen und Ängste um das körperliche Wohl.
Auch wenn sich der eine oder andere inhaltliche Fehler einschleicht und der Spannungsbogen manchmal etwas künstlich aufgebauscht wird – für echte Radsportfans ist die Serie fast schon ein Muss. Und auch Zuschauer mit wenig Radsport-Kenntnissen bekommen einen sehr guten Eindruck davon, warum die Tour de France als größtes jährlich stattfindendes Sportereignis gilt und für Fahrer und Fans ihren besonderen Reiz hat.