Sram verklagt die UCI und schreibt offenen Brief

Es kracht im Profi-Radsport!
Sram verklagt die UCI und schreibt offenen Brief

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ArtikeldatumVeröffentlicht am 19.09.2025
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Sram verklagt die UCI und schreibt offenen Brief
Foto: Sram // Collage: Moritz Schwertner

Es kracht im Peloton: Die neuen UCI-Regeln für Profiradrennen sorgen für Unmut. Nachdem zunächst Swiss Side öffentlich Kritik an der Limitierung von Laufradprofilhöhen geäußert hatte (siehe Interview mit Swiss Side-CEO Jean Paul Ballard und dessen offenen Brief), hat nun Sram offiziell Beschwerde eingereicht gegen die Begrenzung des größten zugelassenen Ganges auf 54x11 bzw. die maximal zulässige Entfaltung von 10,46 Meter.

Kurz & knapp: Das ist passiert

  • Zum 1. Januar 2026 treten neue Regelungen des Weltradsportverbandes UCI in Kraft, die die Sicherheit bei UCI-Rennen erhöhen sollen.
    • Lenker mindestens 400 Millimeter breit, Abstand zwischen den Bremsgriffen mindestens 320 Millimeter
    • Felgen von Aero-Laufräder dürfen höchstens 65 Millimeter hoch sein
    • Gabelscheiden dürfen auf gesamter Länge maximal 115 Millimeter breit sein; der innere Abstand zwischen Sitzstreben darf maximal 145 Millimeter betragen
  • Zudem wird eine Limitierung der Übersetzung erprobt, die maximal zulässige Entfaltung beträgt 10,46 Meter. Das entspricht Shimanos Abstufung 54x11, Srams 50x10 oder 54x10 wären demnach zu groß.
  • Laufradhersteller Swiss Side kritisierte Regeländerungen und Kommunikation mit der UCI in einem offenen Brief
  • Nun schießt auch Sram scharf: Die US-Amerikaner haben Beschwerde bei der belgischen Wettbewerbsbehörde BCA eingereicht und ebenfalls einen offenen Brief geschrieben (siehe unten)
  • ROADBIKE-Redakteur Eric Gutglück kommentiert: "Es gibt keine befriedigende Lösung."

Sram sieht sich benachteiligt

Am 12. September 2025 hat Sram eine formelle Beschwerde bei der belgischen Wettbewerbsbehörde (BCA) gegen die Union Cycliste Internationale (UCI) eingereicht. Hintergrund ist das neue "Maximum Gearing Protocol", das die Übersetzung auf maximal 10,46 Meter pro Kurbelumdrehung begrenzt – was z. B. einer 54x11-Übersetzung entspricht wie etwa von Shimano angeboten. Diese Regel schließt unter anderem Srams Red AXS-Antrieb mit 54x10 aus, der bei vielen Profiteams im Einsatz ist. Doch nicht nur das: Selbst die Kettenblattabstufung 50/37 von Sram würde mit dem 10er-Ritzel – das Sram serienmäßig und ausschließlich bei seinen Rennradkassetten anbietet – mit einer Entfaltung von 10,80 Metern die UCI-Regeln sprengen. Sprich: Teams und Einzelfahrer, die bei UCI-Rennen antreten, müssten die Sram-Kettenblattabstufung 48/35 nutzen, deren schwerster Gang 48-10 eine Entfaltung von 10,37 Metern bietet – ein klarer Wettbewerbsnachteil, finden die US-Amerikaner.

Sram Red AXS Rennrad Elektronische Schaltung Antrieb
Agron Beqiri

Keine Bereitschaft zum Austausch

Sram sieht sich als "einziger große Hersteller, dessen Top-Setup durch diese Regel blockiert wird." Sram hat nach eigener Darstellung mehrfach versucht, mit der UCI in den Dialog zu treten und auf die Auswirkungen des Protokolls auf Fahrer, Teams und das Unternehmen hinzuweisen. Trotz dieser Bemühungen verweigerte laut Sram die UCI-Führung eine konstruktive Auseinandersetzung über die Gültigkeit oder Begründung der Regel. Aufgrund mangelnder Transparenz und Zusammenarbeit bleibe nun nur noch der Rechtsweg, so die US-Amerikaner.

"Das Protokoll bestraft Innovation und bringt unsere Teams ins Hintertreffen", so CEO Ken Lousberg in einer Pressemitteilung. Die neue Regel zwingt Sram nach eigener Darstellung zu einem technologischen Rückschritt, der Jahre an Entwicklung zunichtemachen würde.

Obwohl die UCI von einem "Test" spricht, ist die Umsetzung bereits Realität: Beim WorldTour-Rennen "Tour of Guangxi" sollen die Beschränkungen erstmals greifen – weitere Events könnten folgen. Laut Sram hat bereits die Ankündigung des Tests beim Rennen in China erheblichen Schaden verursacht: Sram-Schaltungen wurden öffentlich als nicht regelkonform dargestellt – was zu Imageschäden, Marktverwirrung, Verunsicherung bei Teams und Athleten sowie potenziellen rechtlichen Risiken geführt hat. Aus diesem Grund hat SRAM auch einen dringenden Antrag auf einstweilige Verfügung gestellt, um die Anwendung der Übersetzungsbeschränkung beim Guangxi-Rennen sowie bei künftigen Events zu stoppen.

Agron Beqiri

Fadenscheinige Begründung

Die UCI bezeichnet die Regel als Sicherheitsmaßnahme. Sram hält dagegen, dass Beweise für gesteigerte Sicherheit fehlen. Die US-Amerikaner sehen vielmehr keine Hinweise darauf, dass größere Übersetzungen zu mehr Stürzen führen. Sram hat Unfallanalysen der Tour de France 2025 durchgeführt (mit Telemetrie und Videoaufzeichnungen) und angeblich keinen Zusammenhang zwischen großen Übersetzungen und Unfallrisiken festgestellt. Stürze auf Abfahrten seien selten und passierten bei Geschwindigkeiten, die mit Antrieben aller Hersteller erreicht werden können.

"Wenn man mit den Fahrern spricht, wünschen sie sich sicherere Rennen – durch bessere Streckenführungen. Es gibt vieles, was wir gemeinsam tun können, um Rennen sicherer zu machen. Aber die Einschränkung einer einzigen Übersetzungsoption – und dann auch noch genau der, die nur wir unseren Teams anbieten – ist schlichtweg unfair gegenüber Teams, Fahrern und SRAM."
Ken Lousberg, CEO Sram

SRAM fordert:

  • die sofortige Aussetzung der Regel,
  • die Einbindung der Industrie in Entscheidungsprozesse,
  • transparente Verfahren im Einklang mit EU-Wettbewerbsrecht.

Kommentar ROADBIKE-Redakteur Eric Gutglück

Redakteur Eric Gutglück sieht bei der Diskussion nur Verlierer – und ganz praktische Fragen bei der Durchsetzbarkeit bzw. Kontrollierbarkeit der Regeln.

Eric Gutglück
ROADBIKE-Redakteur

Klar ist: Das grundlegende Ansinnen, Profirennen sicherer zu machen und Stürze zu vermeiden, ist berechtigt und alle Anstrengungen wert. Welche Möglichkeiten es dafür gibt, haben wir nach den schweren Stürzen von Wout van Aert, Jonas Vongegaard und Co. Anfang 2024 im ROADBIKE-Podcast mit Ex-Profi Fabian Wegmann diskutiert. Und klar ist ebenfalls: Wir bleiben an dem Thema dran.

Offener Brief von Sram

An unsere Fahrerinnen und Fahrer, Rennfahrer, Teams und Partner in der gesamten Radsportbranche,

SRAM wurde vor fast vier Jahrzehnten mit einem einfachen Glauben gegründet: Innovation treibt Fortschritt voran. Von Grip Shift bis hin zur kabellosen Schaltung haben wir Konventionen in Frage gestellt, um Fahrern bessere Werkzeuge zu bieten – damit sie Leistung bringen, im Wettkampf bestehen und ihre Fahrt genießen können.

Heute stehen wir vor einer neuen Herausforderung – diesmal nicht technischer, sondern fairer Natur.

Das neue Maximum Gearing Protocol der UCI wird die Ausrüstung einschränken, auf die viele von euch angewiesen sind, um auf höchstem Niveau zu fahren und Rennen zu bestreiten. Es schränkt die Wahlfreiheit ein, hemmt Innovationen und richtet sich auf unfaire Weise gegen SRAM-Fahrer – und gegen SRAM selbst. Wir haben versucht, in gutem Glauben mit der UCI, dem Dachverband des Radsports, in einen Dialog zu treten, doch unsere Bedenken wurden ignoriert. Deshalb haben wir rechtliche Schritte eingeleitet – nicht nur, um SRAM zu schützen, sondern um das Recht auf fairen Wettbewerb zu verteidigen.

Unsere Forderung ist bescheiden: Wir wollen lediglich, dass unsere Fahrerinnen und Fahrer auf einem fairen Spielfeld antreten können – und dass die Industrie als wesentlicher Interessensvertreter anerkannt und einbezogen wird. Gemeinsam sollten wir daran arbeiten, unseren Sport sicherer für die Athleten und inspirierender für die Fans zu machen. Uns liegen die Athletinnen und Athleten dieses Sports sehr am Herzen. Sie sind unsere Freunde, unsere Familienmitglieder und geschätzte Konkurrenten. Unser Ziel ist es, eine Lösung zu finden, bei der die gesamte Branche berücksichtigt wird und alle zentralen Beteiligten eine gleichberechtigte Stimme bei Entscheidungen haben.

Wir wissen, dass diese Regel bereits zu Verwirrung, Verunsicherung und Störungen geführt hat. Wir arbeiten intensiv daran, dieses Problem schnell und transparent zu lösen. Unser Engagement für Sicherheit, Leistung und Innovation bleibt unverändert. Wir glauben, dass die Zukunft des Radsports durch Zusammenarbeit und Partnerschaft gestaltet werden sollte – nicht durch Ausgrenzung und Einschüchterung.

Danke, dass ihr an unserer Seite steht. Wir sind stolz darauf, uns für Fairness im Sport einzusetzen, und wir werden weiterhin für eine Zukunft kämpfen, die gerecht, offen und von Fortschritt und Innovation geprägt ist.
Ken Lousberg
CEO, SRAM