Fordernde Anstiege, fahrtechnische Herausforderungen – jede Mountainbike-Tour ist ein kleines Abenteuer. Das gilt im Besonderen für Ausfahrten abseits der vertrauten Hausrunde, wenn unbekanntes Terrain erkundet und persönliche Grenzen neu ausgelotet werden. Klar, dass sich der Mountainbike-Fahrer hierbei zu 100 Prozent auf sein Mountainbike und seine Ausrüstung verlassen können muss. Den MTB-Tourenschuhen kommt dabei eine Schlüsselrolle zu.
Auf dem Mountainbike sollen die Schuhe die Muskelkraft bei hohem Tragekomfort möglichst verlustfrei aufs Pedal übertragen. In Schiebepassagen erwarten Biker, dass der Schuh gut abrollt und auch auf Fels und im Matsch Halt bietet. Es ist also der beste Kompromiss gefragt, denn eine extrem steife Sohle überträgt zwar die Kraft optimal, ist aber zum Gehen ungeeignet. Die Lösung: MTB-Tourenschuhe.
Sie gelten als die idealen Begleiter in allen Biker-Lebenslagen, denn sie vereinen die Vorteile von Klickschuhen und leichten Wanderschuhen. Auffälligstes Merkmal der Multitalente ist der klassische Schnürsenkel. Im Gegensatz zu Race-Schuhen mit starren Ratschenverschlüssen lassen sich Schnürer besser an die Fußform anpassen, die Flexibilität des Schuh-Obermaterials bleibt erhalten. MTB-Tourenschuhe erzielen so einen höheren Tragekomfort. Zudem sorgen griffig profilierte, weiche Sohlen für geschmeidiges Abrollen sowie festen Halt.
MTB-Tourenschuhe: überraschend effizient
Dennoch müssen Biker bei Tourenschuhen auf eine gute Kraftübertragung nicht verzichten. Anders als die vollständig steifen Sohlen von Race-Schuhen, die das letzte Quäntchen Vortrieb aufs Pedal bringen sollen, sind die Sohlen der Tourer oft zwar nur am Vorfuß im Kontaktbereich zu Pedal und Cleat versteift. Dennoch bieten sie nur einen geringfügig schlechteren Kraftfluss. Hobby-Mountainbiker werden den Unterschied kaum spüren.
Um die geschnürten Alleskönner zu prüfen, lud MountainBIKE zwölf aktuelle Modelle im Preisbereich zwischen 80 und 170 Euro zum Praxis-Test und ins Labor – 3D-Passform-Scan inklusive. Vorgabe an die Hersteller: Die Schuhe sollten für ausgedehnte Mountainbike-Touren mit Schiebe- und Tragepassagen geeignet sein. Mit Ausnahme der Shimano-Modelle erwiesen sich die zum Test bereitgestellten Damen- und Herrenschuhe als nahezu identisch, MountainBIKE verzichtete daher auf eine gesonderte Wertung – die Passformanalyse bezieht sich jeweils auf den Herrenleisten.
Neun Testschuhe weisen eine traditionelle, flache Bauweise auf. Der Northwave Dolomites, der Rose RTS und der Vaude Trailhead hingegen besitzen einen hochgezogenen Schaft: Schutz vor Abschürfungen und Knöchelprellungen im harten Gelände, eine bessere Stabilisierung des Fußgelenks und erhöhter Fersenhalt beim Schieben oder Tragen in Steilstücken sind die Benefits. Damit eignen sich diese Alleskönner bestens für heftigere Allmountain-Abenteuer sowie für hochalpine Einsätze – auch wenn alle drei Schuhe ohne klimaregulierende Membran à la Gore-Tex auskommen müssen.
Dass ein hoher Schaft nicht zwingend höheres Gewicht bedingt, beweist der Northwave als leichtester Schuh im Test. Ganze 300 Gramm liegen zwischen diesem leichten Allmountain-Tourenschuh und dem schwersten Modell (Vaude) des Testfelds. Prima: Die meisten Testkandidaten wiegen nur 800–900 Gramm und sind nur rund 100–150 Gramm schwerer als vergleichbar teure Race-Modelle!
Kraftübertragung versus Gehkomfort
Die wichtigste Aufgabe eines MTB-Tourenschuhs ist die möglichst verlustfreie Übertragung der Beinkraft auf das Pedal. Ist die Sohle im Vorfußbereich zu weich, geht ein Teil der Energie verloren. Und auch das Cleat kann bei einer zu flexiblen Sohle unangenehm drücken. Das verblüffende Ergebnis in unserem Test: Zehn der zwölf getesteten Tourenschuhe bieten eine mindestens sehr gute Kraftübertragung, die Modelle von Lake, Mavic und Specialized performten gar auf dem Niveau von Race-Schuhen.
Der Bontrager fällt sehr lang aus – ein rutschiger Sitz beim Pedalieren und verminderte Kraftübertragung sind die Folge. Nur beim Vaude wird das Cleat durch die biegsame Sohle bei hoher Belastung leicht spürbar. Seine Kraftübertragung liegt dennoch auf gutem Niveau.
Auf den Trails rund um Stuttgart nahm eine sechsköpfige Test-Crew das Abrollverhalten aller Modelle, den Grip der Sohlen und den Fersenhalt in Steilstücken und grobem Geläuf unter die Lupe. Hier konnte der Vaude Trailhead seine Bergschuh-Gene voll ausspielen: Hervorragender Grip, stabiler Fersenhalt und sanftes Abrollen machen ihn zu einem echten Dauerläufer. Sohlenspezialist Vibram sorgt an den Modellen von Lake, Northwave, Scott, Specialized und dem Herren-Shimano für starke Geh-Leistung.
Neben der Passform ermittelten die Experten von Corpus.e im Auftrag von MountainBIKE auch die Krümmung der Sohle im Vorfußbereich ("Sprengung"). Eine starke Aufwärtskrümmung weisen die Modelle von Lake, Rose, Scott und der Herrenschuh Shimano SH-MT71 auf, was deren Abrollverhalten positiv beeinflusst. Die schwach profilierte Sohle des Rose RTS 05 macht diesen Vorteil wieder zunichte und erzielt nur geringen Halt auf weichem Waldboden.
Mit hohem Grip punkteten die Sohlenprofile der Modelle Lake MX 100, Mavic Alpine/Zoya und Northwave Mission Pro und Dolomites 5/8. Vorteil für die hoch geschnittenen Modelle: Vaude, Rose und der Northwave Dolomites bieten auch abseits der Pedale Schutz und starken Fersenhalt, die Tester kritisierten beim Gehen jedoch leichte Druckstellen am Schaftrand des Rose.
Der MountainBIKE-Passform-Check schafft Klarheit
Um herauszufinden, welcher Schuh zu welchem Fuß passt, ließ MountainBIKE sämtliche Modelle von den Passformexperten von Corpus.e aus Stuttgart vermessen. Anhand der Grafiken in den Testbriefen können Sie die Charakteristik (siehe Ampel-Prinzip) der Schuhe auf einen Blick vergleichen. Dies erspart Ihnen langwieriges Suchen und Anprobieren.
Die Beurteilung des Tragekomforts ist stark von der individuellen Anatomie abhängig. Übereinstimmend bemerkten die Tester jedoch die kurze, schmale Form des Lake MX 100 (die auch durch den 3D-Scan belegt werden konnte) sowie den etwas zu rutschigen Sitz des Bontrager SSR (WSD) Multisport.
Der neue Mavic Alpine präsentiert sich stärker denn je: Testsieg für top Kraftübertragung und durchweg sehr gute Performance. Die Kauftipps gehen an Giro Rumble/Petra und das Damenmodell Shimano SH-WM43 für hohen Tragekomfort und prima Kraftübertragung.
Kurz und Knapp
Bequem, effizient und vielseitig – MTB-Tourenschuhe sind die wahren Allrounder unter den Bike-Schuhen und eine Empfehlung für komfortsuchende Mountainbike-Fahrer. Die Multitalente besitzen super Geh-Eigenschaften, gepaart mit starker Kraftübertragung. Wer extra Schutz und Fersenhalt benötigt, greift zu einem hochgeschnittenen Modell.
Diese Produkte haben wir getestet:
MTB-Tourenschuhe im Test: Was die Diagramme verraten
Zehenbox und Sohlenkrümmung
Zehen brauchen Bewegungsfreiheit. Ist die Zehenbox zu flach, leidet der Tragekomfort. Im Extremfall können Druckstellen entstehen. Die Sohlenkrümmung beeinflusst nicht nur das Abrollverhalten des Schuhs. Auch der Kraftfluss beim Treten wird von einer gekrümmten Sohle unterstützt.
Ballen
Biker mit hohem Spann und breitem Fuß sollten einen Schuh mit großem Ballenmaß wählen.
Ferse
Für perfekten Sitz darf der Schuh hier nicht zu weit ausfallen, sonst leidet die Kraftübertragung – der Fuß "schwimmt" im Schuh. Die Fersenkrümmung verhindert, dass der Fuß beim Gehen herausrutscht.
Labormessung
Für die Passformanalyse sämtlicher Schuhe setzte MountainBIKE erneut auf das weltweit einzigartige 3D-Messverfahren der Corpus.e AG aus Stuttgart. Diese für den Schuheinzelhandel entwickelte Messtechnik ermöglicht die Eingrenzung der für einen Fuß in Frage kommenden Schuhmodelle ohne stundenlanges Anprobieren.
Bei der Entwicklung eines Schuhs verwendet jeder Hersteller ein eigenes Fußmodell, den so genannten Leisten, an den der Schuh angepasst wird. Dieser Entstehungsprozess bedingt je Modell unterschiedliche Verhältnisse von Länge, Breite und Volumen zueinander.
Um die individuelle Passform eines Schuhs zu berechnen, fährt für die Corpus.e-Messung ein 3D-Scanner in den Schuh und ermittelt millimetergenau Länge, Breite und Höhe des Innenraums. Eine spezielle Software errechnet hieraus ein 3D-Modell für jeden Schuhtyp. MountainBIKE verglich die Messdaten der Schuhe untereinander. Die Ergebnisse finden Sie in den Testbriefen als Grafik.

Praxistest
Um Labormessungen und Performance der Tourenschuhe in der Praxis zu überprüfen, schwang sich eine sechsköpfige MountainBIKE-Testcrew mit jedem Schuhmodell für etliche Stunden und Trail-Kilometer in den Sattel.
Bewertungsschema
Im Lastenheft von MTB-Tourenschuhen steht an erster Stelle die effiziente Übertragung der Kraft auf das Pedal, die MountainBIKE mit 25 Prozent in die Endnote einfließen ließ. Komfortables Abrollen und ein fester Grip der Sohle ist für lange Gehstrecken unerlässlich (25 Prozent der Endnote). Doch auch geringes Gewicht erfreut den Tourenbiker (20 Prozent der Endnote).
Zwischen Fliegengewicht und schwerstem Schuh des Testfelds liegen über 300 Gramm Differenz. Die Ansprüche an den Tragekomfort sind sehr individuell. Nicht jeder Biker-Fuß fühlt sich in einem straff sitzenden Schuh wohl, weshalb MountainBIKE diesen Aspekt schwächer gewichtete (15 Prozent). Die Handhabung beim Ein- und Ausstieg sowie die Anpassung der Schnürung floss mit weiteren 15 Prozent in das Ergebnis ein.




