Kette wachsen - so geht's!

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Pflege-/Tuning-Serie: Teil 2
Wachsweich?

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Veröffentlicht am 20.08.2024
Wachsweich?
Foto: Agron Beqiri

Die Fahrradkette zu wachsen statt zu ölen war über Jahre eine – Pardon – Freakshow. Betrieben von Watt-Fetischisten, die sich dank der vermeintlich geringeren Reibung einen Hauch höhere Effizienz versprachen. Doch selbst im Rennsport setzte sich Wachs nicht flächendeckend durch, zu buchstäblich flüchtig waren dessen Eigenschaften. Speziell bei feuchten Bedingungen wusch sich Kettenwachs oft schneller ab, als man das Wort Antriebsstrang buchstabieren konnte.

Aktuell jedoch boomt das Thema! Die Hersteller von Tropfwachsen haben ihre Formeln merklich verbessert und damit die Haftfähigkeit gesteigert. Vor allem aber wird das Heißwachsen zum Hit. Dabei wird die – vorher komplett entfettete – Kette in ein heißes Schmelzwachsbad getaucht, wodurch sie bis aufs letzte Niet eingewachst wird. Ähnlich wie bei der Erstumrüstung auf Tubeless-Reifen ist dieser Prozess etwas zeitaufwendig, kann sich aber nicht nur für Vielfahrerinnen und -fahrer lohnen. Ein heißes Nachwachsen ist erst nach rund 300 bis 400 Kilometern nötig. Wer hin und wieder etwas Tropfwachs aufträgt, verlängert das Intervall gar auf 1000 Kilometer (siehe Interview weiter unten).

Der eigentliche Clou aber ist, dass Wachs im Vergleich zu Öl quasi keinen Schmutz anzieht. Selbst nach Matschfahrten glänzt eine gewachste Kette fast wie neu, was den Wartungsaufwand erheblich verringert und die Lebensdauer der Komponenten verlängert. Dass der Antriebsstrang mit Wachs zudem etwas gedämpfter, "weicher", in der Praxis also merklich leiser als mit Öl läuft, nimmt man als Benefit gerne mit. Und die versprochene Watt-Einsparung? Die Diskussion darüber überlässt man als genüsslicher Geländeradler natürlich nur zu gerne der Straßenfraktion.

Wie du deine Kette von Öl-Schmierung auf Wachs umstellst und dann nachhaltig pflegst, zeigen wir dir in dieser Werkstattfolge.

Das brauchst du:

Agron Beqiri

Natürlich gibt es ähnliche Produkte auch von anderen Herstellern.

Schritt 1: Antriebsstrang entfetten

ACHTUNG: Die Schritte in dieser Bidlergalerie zeigen den klassischen Weg, eine Kette zu entfetten, den wir vor allem für bereits benutzte Ketten empfehlen. Die Wachs-Spezialisten von Silca bieten auch eine andere Variante – siehe zweite Bildergalerie.

Schritt 2: Kette entfetten und heiß wachsen

Schritt 3: Gewachste Kette montieren

Kette flüssig (nach)wachsen

Agron Beqiri

4 Fragen an Josh Poertner, CEO von Silca

Silca
Warum wird das Wachsen einer Kette auf einmal so populär?

Ich denke, die meisten Leute kommen zum ersten Mal aufs Kettenwachsen, weil es schneller macht, also weniger Reibung aufweist als herkömmliche Schmiermittel. Und weil es die Lebensdauer des Antriebsstrangs im Vergleich drastisch erhöht. Was bei Menschen, die mit dem Wachsen beginnen, aber auch Anklang zu finden scheint, ist der superleise Lauf der Kette sowie die enorme Sauberkeit des Antriebsstrangs, die Wachs bietet. Der Anstieg der Popularität liegt zudem definitiv an begeisterten Kettenwachsern, welche diese Technik ihren Freunden vermitteln, kombiniert mit technologischen Fortschritten wie unserem "Kettenstripper" oder, noch besser, unserem All-in-one-System.

Warum hat sich Silca überhaupt so auf das Thema Wachsen fokussiert?

Wir haben uns diese Kategorie vor ein paar Jahren sehr intensiv angesehen, und wir haben zwei Schlüsselprobleme für die Benutzer identifiziert. Zum einen machten sich die Menschen, ähnlich wie die Reichweitenangst bei Elektrofahrzeugen, Sorgen, dass sie bei Bedarf die Kette nicht nachwachsen können. Also haben wir ein spezielles Tropfwachs entwickelt: Das einzige flüssige Wachs, das zusammen mit einem heißen Wachs wirkt.

Und viele hassten das 24-stündige Einweichen in Baumarktchemikalien in Kombination mit den damit verbundenen Spülschritten. Ganz zu schweigen von den Umweltauswirkungen all dieser Chemikalien. Wir waren das erste Unternehmen, das diese beiden Probleme wirklich gelöst hat, und die Resonanz war phänomenal. Radfahrer, die zwar interessiert, aber nicht bereit waren, es auszuprobieren, wurden plötzlich zu Kettenwachsern – mit einer relativ geringen Zeit- und Kostenbarriere

Woraus besteht denn ein Kettenschmelzwachs überhaupt?

Kettenwachs enthält eine Reihe von Wachsen, sowohl natürliche als auch synthetische, die jeweils für Reibung, Verschleiß, Metallhaftung und Wasserbeständigkeit optimiert sind. Wir verwenden auch ein ursprünglich für Formel-1-Motorenöle entwickeltes Additivpaket, das auf Wolframdisulfid basiert.

Es hat sich gezeigt, dass dieses Additiv die Reibung um bis zu 40 Prozent und den Verschleiß um bis zu 95 Prozent reduziert. Das ist der Schlüssel dazu, dass wir die meisten Tests von Drittanbietern sowohl für geringe Reibung als auch für geringsten Verschleiß gewinnen können. Diese Technologie ist zudem bioneutral und gilt im Vergleich zu vielen anderen auf dem heutigen Markt als umweltfreundlich.

Das Heißwachsen gilt als komplex. Wie macht man das am besten?

In der Vergangenheit war das so, daher haben wir unglaublich hart daran gearbeitet, Lösungen für die Entfettung zu entwickeln. Wir haben derzeit zwei Produkte, die diesen Prozess drastisch vereinfachen und rationalisieren. Unser Chain Stripper ist eine ultraleistungsstarke Mischung aus Tensiden und enzymatischen Reinigern, die eine fabrikneue Kette in 10 bis 15 Minuten entfetten kann.

Noch einfacher ist das von uns entwickelte Produkt namens Stripchip. Dieses verwendet Technologien aus der Lebensmittelindustrie, um das Öl in der Grundschmierung der Kette in Wachs umzuwandeln. Dafür legt man nur einen der Chips zusammen mit der neuen Kette in das heiße Wachs. Und ein paar Minuten später ist die Kette sowohl entfettet als auch gewachst! Dieses Verfahren ist nicht nur das einfachste, sondern auch das umweltfreundlichste, da es keine Entfettungsmittel gibt und am Ende auch nichts weggeworfen wird

Wie oft muss ich denn nachwachsen? Geht das dann auch mit Flüssigwachs?

Wer nur Heißwachs verwendet, sollte es alle 300 bis 400 Kilometer erneut auftragen. Man kann aber auch rund alle 200 Kilometer ein kompatibles Tropfwachs über die gewachste Kette geben, um Kette und Wachs zu pflegen. Bei dieser Methode reicht es aus, nur alle 1000 Kilometer erneut heiß zu wachsen. Dafür sollte die Kette übrigens vorab gereinigt werden. Aber das geht ganz einfach, man muss die Kette nur ein paar Minuten lang in kochendes Wasser legen. Dies entfernt sowohl Schmelz- als auch Tropfwachs und ist auch sehr umweltfreundlich.

Und wenn mir Kettenwachs doch nicht gefällt? Kann ich die Kette wieder ölen?

Natürlich. Ein Schmiermittel auf Wasserbasis kann man einfach auf das alte Wachs auftragen, und das Schmiermittel beginnt dann, das Wachs zu zersetzen und schließlich wegzuspülen. Bei Schmiermitteln auf Ölbasis empfehlen wir, die Kette wie beim heißen Nachwachsen im siedenden Wasser sauber zu kochen. Alle 500 bis 1000 Kilometer sollte man die Kette so oder so entfetten, um alle Verunreinigungen auszuspülen