Mountainbiken auf Europas MTB-Insel No. 1
La Palma: Bike-Perle im Atlantik

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Von Vulkankratern über Lavasand hinabsurfen? Oder auf uralten Pfaden durch den Dschungel bis an den Strand? La Palma macht es möglich! Und das am besten jetzt, wenn der Winter über das europäische Festland herfällt.

La Palma: Bike-Perle im Atlantik
Foto: Kirsten-J. Sörries

Ab in den Inselmodus

Was Sie für Ihren perfekten La Palma Urlaub wissen müssen.

Kirsten-J. Sörries
Dauergrinsen! So fühlt sieht Winterurlaub für Kathi, Stefan und Angie an.

Allgemeine Infos

Lage & Charakter: Die zweitwestlichste der sieben Kanareninseln bietet unterschiedlichste Klima- und Vegetationszonen. Die Topografie ist sehr steil, und die Insel bietet ein gut erschlossenes Wegenetz, welches man sich mit Wanderern und Trailrunnern teilt. Die beschriebenen Touren erfordern Singletrail-Erfahrung, und man muss sich etwas Zeit geben, um sich an den oft losen Untergrund zu gewöhnen. Fast alle Touren enden auf Meereshöhe an der Küste oder an einem schönen Strand. Die Kultur der Insel hat südamerikanischen Einfluss, die entspannte Lebensweise lässt schnell Urlaubsstimmung aufkommen.

Anreise: Mit dem Flugzeug erreicht man La Palma in circa 4–5 Stunden Flugzeit von Deutschland aus. Die Direktflüge gehen von vielen Flughäfen nur einmal pro Woche, Flüge mit Zwischenstopp häufiger. Bei der Buchung darauf achten, als Flughafencode SPC einzugeben, um nicht auf einer anderen Insel zu landen.

Klima & beste Reisezeit: grundsätzlich ganzjährig, aber von November–März sind die klimatischen Vorteile am größten. Dann herrschen im Westen der Insel Temperaturen von 18–25 Grad. Das Meer ist mit 17–19 Grad noch angenehm zum Baden. Durch die Äquatornähe geht die Sonne recht schlagartig auf und unter, die Tage sind aber deutlich länger als in Deutschlands Winter. Da sich das Wetter lokal schnell ändern kann, sind Regenjacke und -hose im Rucksack Pflicht. Achtung: Im Osten der Insel ist es meist feuchter als im Westen.

Übernachtung, Transfer & Shuttle: Es gibt nur wenige Hotels auf der Insel, üblicher ist die Übernachtung in Ferienwohnungen. Alle lokalen Tourenanbieter vermitteln auch Unterkünfte. Ein großes Portfolio an Unterkünften bietet Atlantic Cycling. Unter www.atlantic-cycling.de können diese ohne Umwege direkt bei den Vermietern gebucht werden. Einen Flughafentransfer zur Unterkunft bucht man am besten bei Aceshuttle La Palma (www.aceshuttle.es). Hier wird das Bike ohne Aufpreis transportiert. Der Bike-freundlichste Autovermieter der Insel ist Monta Rent a Car (www.monta.net).

Kulinarik: Es lohnt sich, abends preis- wert und landestypisch Fisch, Tapas oder kanarische Küche zu genießen. Fürs Après-Bike gönnt man sich Aperol und Bier an einem der Strandkioske auf der Terrasse des Restaurants Las Olas. Un- bedingt die kanarischen Kaffee-Speziali- täten in einer der vielen Bars checken!

Kirsten-J. Sörries
Dschungel-Feeling pur: Angie und Kathi rattern bergab nach Santa Cruz.

Geheimtipps

Tapas und verschiedene Hauptgänge für den ganzen Tisch bestellen und ausprobieren. Auch der Wein der Insel schmeckt sehr gut, und ein Sundowner-Abendessen am Leuchtturm im Süden ist nicht nur etwas für Romantiker.

Suppenkaspar? Das Restaurante Franchipani gehört mit seiner „Weltküche“ zu den originellsten der Insel und ist berühmt für seine pikante Bananensuppe! Unbedingt Tisch vorab reservieren: franchipani.com

Restdays are best days! Das Biken auf La Palma ist fordernd bis intensiv. Mit einem Ruhetag sinkt das Verletzungsrisiko deutlich. Schauen Sie sich dann unbedingt einmal Santa Cruz oder Los Llanos an. Hier findet man großartige Geschäfte und Restaurants. Wer es aktiver mag, macht eine geführte Wanderung in die Caldera und sieht die Insel noch einmal von einer ganz anderen Seite. Die schönsten Strände findet man in Tazacorte oder am Chaco Verde.

Das Vulkangestein stresst das Material. Frische Bremsbeläge und stabile Enduro-Reifen sind wichtig. Das scharfe Gestein führt auch schneller zu Kratzern am Rad, als einem lieb ist. Die lokalen Leihbikes sind seriös ausgestattet und eine gute Option, wenn man nicht mit dem eigenen Bike fliegen will.

Kirsten-J. Sörries
Am Ende eines tollen Trail-Tages sind wir am südlichsten Punkt der Insel, am El Faro, angekommen.

Alle Touren:

Unsere Reisegeschichte:

Mit Tempo 40 quält sich der Mitsubishi-Allradler, den ich vor zwei Jahren liebevoll Knubbelbus getauft habe, die Küstenstraße hoch. Mit drei Leuten, ebenso vielen Bikes sowie meiner Fotoausrüstung beladen, ist er auf dieser Straße hör- und spürbar außerhalb seiner Komfortzone. Dennoch kommt prompt der verbale Seitenhieb vom Nachbarsitz: „Kirsten, du musst schneller fahren“, drängelt Kathi. Ja, da ist es wieder, dieses Verlangen nach Schnelligkeit, Effektivität. Bloß keine Zeit verlieren. Jetzt sind meine zwei Begleiterinnen schon seit drei Tagen auf La Palma, und ich habe immer noch das Gefühl, dass die beiden nicht voll und ganz im Inselmodus sind. Der Inselmodus, wie ihn „La-Palma-Hausmeister“ Philipp Foltz (siehe Interview unten) bezeichnet, ist dieses Gefühl maximaler Entspannung, das so viele auf La Palma finden. Das Bewusstsein, endlich mal im Hier und Jetzt zu sein. Und keine Gedanken an Job, Karriere und die noch überfällige Steuererklärung verschwenden zu müssen. Auf einmal hat man wieder Zeit, entscheidet spontan, worauf man Lust hat. „Nö, muss ich gar nicht“, antworte ich daher auch, da ich mir den Inselmodus durch jahrelanges Training längst einverleibt habe.

Kirsten-J. Sörries
Die Orientierung auf der Insel ist trotz des guten Wegenetzes nicht leicht. Touren mit Guides sind daher empfehlenswert.

Seit 2009 fahre ich regelmäßig zum Biken auf die kleine Kanareninsel La Palma, um dem Winter und der Taktung in Deutschland zu entfliehen. La Palma gilt als die steilste Insel der Welt, was sich in hohen Bergen und ebenso tiefen Tälern auf kleinstem Raum bemerkbar macht. Diese geniale Topografie hat ihren Ursprung in zahlreichen Vulkanen. Die waren hier besonders aktiv, und so hat sich ein unglaubliches Fleckchen Erde im Atlantik gebildet, auf dem es sich im Winter perfekt biken lässt. Unterschiedlichste Klimazonen, alpine Berge, erkaltete Lavaströme, Dschungel, Sandwüsten und spanische Lebensart – ein Mix, der betört!

Kirsten-J. Sörries
Der Roque Kante Trail geht wirklich an der Kante eines Einsturzkraters entlang bis zum Meer. Das sind 2300 Tiefenmeter in einem Ritt!

Wir sind unterwegs, um eine Tour vom El Pilar auf dem Ostteil der Insel in die Hauptstadt Santa Cruz zu fahren. Begleitet werde ich von Kathi Kuypers und Angie Hohenwarter, beides Mountainbike-Profis und daher von Natur aus im Vollgas-, nicht im Inselmodus unterwegs. Das werde ich aber schon noch richten ...

Unsere Tour beginnt auf 1500 Metern über dem Meer mit flowigen Passagen durch dichte Pinienwälder, immer parallel zu einem Bergrücken. An diesem stauen sich häufig die Passatwolken, was dazu führt, dass es im Osten der Insel deutlich feuchter ist und der Wald dort einem Dschungel ähnelt. Schon nach wenigen Metern auf dem Trail höre ich von Kathi und Angie nur noch Entzücken und andere Quietschlaute. Der Trail ist in Wirklichkeit ein Wanderweg, bietet famose Kurven, kleine Stufen und den ein oder anderen Felsen, die sich wunderbar als Sprungschanze eignen. Zwischendrin kreuzen wir immer wieder einen Forstweg, der genau auf dem Grat entlangführt und die Insel quasi in zwei Hälften zerschneidet. Wir verlassen den Bergrücken, um in den eigentlichen Trail einzubiegen. Dieser zwirbelt mit deutlich mehr Gefälle in Richtung Santa Cruz. Sofort ändert sich die Vegetation, wir haben das Gefühl, in einem Regenwald zu sein.

Kirsten-J. Sörries
Summit to the Ocean ist auf La Palma fast immer das Biker-Motto. Und bei so großen Wellen darf der Mund auch einmal offen stehen.

Von den Bäumen hängt hellgrünes Moos in Fäden herab, die Büsche haben große, sattgrüne Blätter, und der Waldboden bildet mit seiner dunklen Farbe einen satten Kontrast. Es ist merklich feuchter nun, aber dennoch ist der Boden griffig, garniert mit flachen Steinen und anregendem Wurzelwerk. Angie und Kathi sind derweil dem Flow verfallen. Meist fahre ich voraus, suche einen guten Foto-Spot und warte, bis die beiden an mir vorbeirauschen. Bei den ersten Malen halten sie noch direkt an, bei den weiteren schießen sie an mir vorbei und horchen nur noch, ob ich „noch mal“ schreie oder nicht. Die beiden machen es mir leicht, und so kommen wir alle in den Genuss, fast ohne Unterbrechung die ersten 1000 Tiefenmeter abzusurfen. Nach dem „Regenwald“ wandelt sich die Flora wieder schlagartig. Der Wald öffnet sich, und wir fah- ren auf Trails, die links und rechts mit Kakteen und großen Gräsern gesäumt sind, zu einem alten Kloster mit dem Namen Las Nieves.

Kirsten-J. Sörries
Die Wanderwege sind gut ausgeschildert, und die gemeinsame Nutzung mit Wanderern und Trailrunnern funktioniert stets reibungslos.

Boxenstopp! Wir kehren im Kloster ein, essen typisch palmerisch Queso asado, Conejo und Papas arrugadas: gegrillten Käse, Kaninchen sowie in Salzwasser gegarte Kartoffeln. Dazu gibt es jede Menge Mojo verde, einen Dip aus Petersilie, Olivenöl und Koriander. Am Anfang unserer La-Palma-Woche haben wir noch jeder einzeln bestellt, mittlerweile ordern wir möglichst unterschiedliche Dinge und stellen alle in die Mitte des Tisches. Ein weiterer Schritt in Richtung Inselmodus.

„Haben wir noch Zeit für einen Kaffee?“ „Klar Kathi, auf der Insel hat man immer Zeit. Oder hast du hier irgendwo einen ‚Coffee to go‘ gesehen?“

Kirsten-J. Sörries
Philipp Foltz (rechts) bietet mit Atlantic Cycling neben einem tollen Guide-Team auch eine super Infrastruktur mit Shuttles und einer großen Werkstatt.

Nach dem Kloster finden wir auf einem Felsplateau einen der schönsten Plätze des Tages. „Dreht euch mal um!“ In den Bergen hinter uns steigt die Feuchtigkeit des Morgens in kleinen Nebelwolken auf, und die Mittagssonne lässt das Grün der Hügel noch intensiver wirken. „Das sieht aus wie im Jurassic Park!“ Oh ja, das tut es. Warum nur hat Steven Spielberg nicht hier, sondern auf Costa Rica den Film gedreht? Obwohl ich schon seit so vielen Jahren hierherkomme, bin ich immer wieder fasziniert, dass die Insel auf so kleinem Raum so viele unterschiedliche Facetten und Eindrücke bereithält. Unser nächster Trail führt uns entlang an Palmengärten und Avocadobäumen in Richtung Santa Cruz. In deren Hafen wartet unser Shuttle, um uns wieder an den Ausgangspunkt unserer Tour, das Refugio Pilar zu bringen. Hier verbringen wir den Nachmittag mit Fotografieren auf den Lavafeldern des Llano de Jable, bevor wir in den kleinen Küstenort Puerto Naos zurückfahren.

Die lokalen Bike-Stationen bieten meist geführte Touren mit Shuttles an. So kann man die im Inneren der Insel gelegenen Berge und Vulkane als Ausgangspunkt nutzen. Ohne Shuttle-Hilfe würde dies aufgrund der zahlreichen Schluchten sonst schnell mehrere 1000 Höhenmeter pro Tour bedeuten.

Kirsten-J. Sörries
Flowig und durch Steine eingefasst führt der Trail zu den Salinen am El Faro.

Lavasand-Surfen im Süden

Für den nächsten Tag möchte ich den beiden Mädels einen meiner buchstäblichen Hotspots zeigen: die Salinas ganz im Süden der Insel am Leuchtturm Farode Fuencaliente. Der Süden ist eher „jung“, das Landschaftsbild hat sich durch Vulkanausbrüche zwischen 1677 und 1971 massiv verändert. Lange Lavasand-Felder sind entstanden und führen, unterbrochen von Wäldern und einigen Felsen, Richtung Südspitze der Insel.

Kirsten-J. Sörries
Flowig und durch Steine eingefasst führt der Trail zu den Salinen am El Faro.

In der Tat ist es zunächst ungewohnt, sich auf die unterschiedlichen Untergründe auf der Insel einzulassen. Der schwarze Lavasand hat eher die Größe von kleinen Murmeln als von Sandkörnern und fühlt sich gleichsam erstaunlich leicht an. Wie beim Tiefschneefahren braucht es ein gewisses Tempo, damit die Reifen nicht einsinken. Und dann auf einmal kommt das Aha-Erlebnis. Der Spaß beginnt. Aus geraden Linien werden Bögen, und wir wedeln in Schlangenlinien die offenen Bereiche herunter. Nun wird der Untergrund wieder fester, die Wanderwege sind links und rechts mit größeren Steinen eingefasst. Was dem Fahrspaß natürlich keinen Abbruch tut. Nach jeder Kurve sehen wir das Meer und den rot-weißen Leuchtturm. Der Weg windet sich zwischen verschiedenen kleinen Vulkankratern hindurch, zum satten Schwarz des Gesteins kommen grüne Büsche, die aussehen wie gigantische Salatköpfe. Landschaft und Optik sind einfach surreal, und ich erkenne bei Kathi und Angie ein Leuchten in den Augen. Das kann an dem Erlebnis oder einfach nur an der Abendsonne liegen: Jetzt werden keine Handyfotos oder Instagram-Stories gemacht, die beiden genießen nur den Moment.

Kurz vor dem Leuchtturm kommen noch einmal zwei fahrtechnisch anspruchsvolle Kurven, dann sind wir schon an den Becken der Saline vorbei und rollen zum Lokal El Jardin du Sal. Hier genießen wir unser Abendessen mit lokalem Rotwein – im Angesicht des Sonnenuntergangs. Ja, ein großer Schritt in Richtung Inselmodus ist gemacht.

Kirsten-J. Sörries
Nix für Banausen. La Palma ist auch bekannt für seine Kulturfestivals.

Summit to the ocean

Haben in Deutschland Tankstellen meist einen zweifelhaften Ruf in Bezug aufs Essen, so ist dies auf La Palma gänzlich anders. Wir sind auf dem Weg zum höchsten Punkt der Insel, dem Roque de los Muchachos mit zirka 2400 Metern. Auf halber Strecke macht Acerina, unsere Fahrerin des Shut tleservice Aceshuttle, einen Stopp. Die Bar der Tankstelle ist voll mit Arbeitern und Fahrern von Lkws, die Bananen (die hier Platanos heißen), Avocados und andere Südfrüchte aus dem Norden der Insel zu den lokalen Supermärkten bringen. Wir versorgen uns mit Bocadillos: Hier kann man sich von Serranoschinken und Käse bis hin zu Sar dinen und Zwiebeln alles aufs Baguette legen las sen, was Herz und Magen begehren. Hektik oder Stress? Keine Spur, alle sind entspannt.

1800 Meter weiter oben brechen wir durch eine dünne Wolkenschicht, und schon wieder zeigt uns La Palma einen scheinbar anderen Planeten. Wir sehen eine Steppenlandschaft mit Sträuchern, vie len Steinen und großen, silbernen Kuppeln. Hier befindet sich die höchste Sternwarte Europas, un zählige Teleskope säumen unseren Weg zum Gipfel. Das Observatorium am Roque de los Muchachos gehört zu den drei wichtigsten der Welt, und so achtet man auf La Palma sehr auf das Thema Licht verschmutzung durch Straßenbeleuchtung in der Nacht. Durch die klare Luft und das wenige Streulicht haben die Wissenschaftler optimale Bedingungen für ihre Beobachtungen.

Kirsten-J. Sörries
Vulkan-Mosaik: In Santa Cruz rollt man zwischen wunderschönen Häusern auf Kieselsteinböden Richtung Hafen.

Auf 2400 Metern beginnen wir unsere Roque-Kante-Tour. Diese führt entlang des Kraterrandes der Caldera in Richtung Westen zur Küstenstadt Tazacorte. Schon in den ersten Kurven haben wir ein neuerliches Aha- und Oho-Erlebnis. Hier ist das Gestein auf einmal rot, in den Kurven haben wir nicht das Gefühl, auf Erde, sondern eher auf Glasperlen zu fahren. Wegen der dünnen Höhenluft und der gelegentlichen Gegenanstiege übertreiben wir es nicht mit dem Speed, fahren eher bedächtig entlang des Kraters. Wie kalt es hier nachts manchmal ist, wird uns bewusst, als wir eines unserer ersten Bilder an einem Strauch machen, in dessen Schatten sich eine kleine Eislandschaft gebildet hat, in der sich die Sonne wie in einem Kaleidoskop bricht. Der Trail ist technisch anspruchsvoll, aber auch gut einsehbar. Die Farben wechseln ständig, mal flowen wir auf rotem, mal auf grauem, mal auf schwarzem Boden Richtung Meer. Nach den ersten 600 Tiefenmetern machen wir unsere Mittagspause und packen unseren Tankstellen-Bocadillo aus. Unser Rastplatz liegt oberhalb einer 1000 Meter hohen Felswand: Staunend genießen wir den grandiosen Ausblick in die Tiefe des Vulkangrates Caldera de Taburiente.

Der Trail wird immer flowiger, auch die Landschaft verändert sich wieder. Nach kurvigen Abschnitten im Pinienwald folgen nun Trails, die links und rechts mit Blumen und Kakteen gesäumt sind. Die Wege führen zwischen Wasserbecken und Häusern entlang, immer wieder geht es wie auf angelegten Terrassen entlang des Caldera-Randes. Die Wanderer, die wir unterwegs treffen, sind freundlich und auch beeindruckt davon, dass wir mit dem Bike vom Roque kommen. Wir zeigen uns beeindruckt über die Strecken, die sie zu Fuß zurücklegen. Ein gutes Miteinander ist das hier, auch das gehört zum Inselmodus.

Kirsten-J. Sörries
Angie und Stefan im anspruchsvollsten Teil der Abfahrt der Tablado-Tour.

Uns knurrt schon wieder der Magen, und wir legen noch einen Stopp ein am El Time: einem Ausflugslokal mit tollem Kuchenbuffet und Ausblick auf den Westteil der Insel. Danach wählen wir den Serpentinen-Pfad in das Angustias-Tal. Die Direktvariante an der Küste entlang vermeiden wir am Wochenende, weil dort immer viele Spaziergänger sind. Unser Weg ist dennoch spannend und bringt uns durch Bananenplantagen in den Hafenort Puerto Tazacorte. Bunte Häuser und einer der schönsten Strände der Insel sowie viele Kulturfestivals zeichnen den Ort aus. Leider können wir Meer und Strand heute nicht genießen, die Wellen sind einfach zu hoch. Egal, wir werden noch eine ganze Weile auf der Insel sein und wiederkommen. Vorerst trinken wir ein kühles Bier an der Strandpromenade und genießen die Abendsonne, die hier genau über dem Meer untergeht.

Kirsten-J. Sörries
Der KM3-Trail führt über das sogenannte Hexenfeld bis hinunter nach El Paso.

So verfliegen unsere Tage, und wir merken, wie sehr wir nicht nur das Biken, sondern auch die ruhige Lebensweise genießen. Die Möglichkeiten, die einem die Insel im Winter zum Biken bietet, sind einmalig, man kann perfekt dosieren, wie anspruchsvoll oder entspannt man unterwegs sein möchte. Man kann an einem Tag durch drei bis vier Klimazonen fahren, genießt Untergründe, die es sonst nirgends gibt, und obwohl es sich anbietet, hin und wieder auf Shuttle-Unterstützung zu setzen, fühlt es sich nicht nach einem hektischen Freeride-Betrieb à la Finale Ligure an. Eher nach entspanntem Biken mit Freunden. Überhaupt hat man nie das Gefühl, Tourist zu sein. Auch weil man landestypisch isst und trinkt.

Und irgendwann auch denkt. Und fühlt. Der Inselmodus eben.

La Palma war schon immer meine Lieblingsinsel!„

Arbeiten, wo andere Urlaub machen? Der Mainzer Philipp Foltz erzählt, wie es ihn auf La Palma verschlagen hat und sein Herz für die Insel schlägt.

Wie kommt man darauf, Bikeguiding auf den Kanaren anzubieten?

Philipp Foltz: Ich bin schon früher als Straßen- und MTB-Rennfahrer vor dem Winter in Deutschland geflüchtet und hatte längere Aufenthalte auf verschiedenen Kanarischen Inseln. Irgendwann fing ich an, hier im Winter als Guide zu arbeiten. Nach meiner Rennfahrerzeit habe ich dann auch im Sommer Alpenüberquerungen für Bike Alpin geführt und als Fahrtechniklehrer für die MTB Academy gearbeitet. Ich konnte damit quasi Vollzeit mein Geld verdienen und meinen Job im Bikeshop in Mainz an den Nagel hängen. Bei Bike Alpin und der MTB Academy habe ich viel über Reise- und Gruppenorganisation gelernt, was elementar war, um später den Mut zu haben, eine eigene Firma zu gründen. 2005 gab es dann einen Boom bei den Bikereisen und immer mehr Leute, die ich vom Sommer kannte, wollten auf die Kanaren und dort Enduro-Touren fahren. Da ist dann die Idee für Atlantic Cycling auf La Palma entstanden. Diese Art von Reisen hatte zu dem Zeitpunkt hier noch niemand angeboten, und La Palma war schon immer meine Lieblingsinsel.

Was macht La Palma so attraktiv?

La Palma hat ganzjährig ein sehr stabiles Klima und ein nahezu unendliches Wege-netz, das mich nach 20 Jahren auf der Insel immer noch überrascht. Ideal ist auch, dass man zu allen interessanten Ausgangspunkten shuttlen kann und dass es nicht nur schwere Trails gibt, sondern auch flowigere Strecken und jede Menge Panoramawege für alle, die es etwas einfacher mögen. Das Einzige, was fehlt, sind Bikepark-Feeling und gebaute Flowtrails, aber das brauchen wir hier auch nicht. Dafür gibt es Sonnenuntergänge am Meer und kanarische Küche in den Restaurants.

Wo waren die Herausforderungen?

Wir arbeiten mit keinen großen Hotels zusammen, die es hier auch fast nicht gibt. Daher musste ich am Anfang eine Infrastruktur aufbauen, was viel Zeit gekostet hat, uns nun aber hilft. Denn Biker werden auf La Palma wahrgenommen als interessante Kunden für Restaurants und Apartments. Das ist anders als auf Gran Canaria und Teneriffa, wo fast alle in riesigen Hotelanlagen wohnen und Halbpension gebucht haben. Auf La Palma sind die meisten Biker in Apartments untergebracht, und sie kaufen im lokalen Supermarkt. Statt Essen im Hotel gibt es einen fangfrischen Fisch oder Paella im Restaurant. Dasselbe gilt fürs Shuttlen. Hier setzen wir auf einheimische Taxifahrer und den vor drei Jahren gegründeten Shuttleservice Aceshuttle. Damit haben wir eine große Akzeptanz fürs Biken auf La Palma geschaffen, die es im Umgang mit der Natur und in der Begegnung mit Wanderern und Trailrunnern zu pflegen gilt.

Wie lief die Kommunikation mit Einheimischen und Tourismusbehörde?

Der Tourismusverband macht keine offensive Werbung fürs Biken, da dies nach spanischem Recht ähnlich wie an vielen anderen Stellen auf Wanderwegen nicht erlaubt ist. Es gab eine kurze Phase, in der es aus politischen Gründen Trail-Sperrungen gab, nun sind wir aber dank vieler Gespräche auf den meisten Wegen geduldet. Wichtig ist, dass sich Biker an die DIMB-Trailrules halten und die wenigen Verbote wie am Pico de las Nieves und der Ruta de los Volcanes respektieren.

Gab es Probleme bzw. wo lief es super?

Kleine Probleme gibt es immer. Manchmal muss improvisiert werden, aber bisher gab es keine unlösbaren Aufgaben. Dafür aber viel Erfreuliches, denn wenn Bike- Profis wie Steffi Marth und Jasper Jauch sich durch dich in die Insel verlieben und dann als Mitarbeiter zum Guiden wiederkommen, macht einen das schon stolz.

Die aktuelle Ausgabe
MOUNTAINBIKE 04 / 2023

Erscheinungsdatum 16.03.2023