Vier Top-Touren rund um San Martino - inklusive Trailbooks und GPS-Daten:

Lage: San Martino di Castrozza liegt im äußersten Osten des Trentino, in einem engen Tal südlich des Passo Rolle. Östlich oberhalb der Ortschaft liegt das Hochplateau der Pale di San Martino, im Süden des Tals grenzt der Nationalpark der Dolomiten von Belluno an.
Beste Reisezeit: Mitte Mai bis Mitte Oktober. Auf dem Hochplateau muss man sich bis Mitte Juli auf Altschneefelder einstellen, ab dann meist gut fahrbar.
Anreise: über die Brennerautobahn bis Ausfahrt Neumarkt/Auer. Weiter über den Passo di San Lugano bis Cavalese, dann über Predazzo und den Passo Rolle nach San Martino di Castrozza (368 km, 4:10 h von München).
Übernachtung: Hotel Paladin, nettes Sporthotel mitten im Ort, Via Passo Rolle 253, Tel. 00 39/04 39/76 86 80, www.hotelpaladin.it
Guiding: geführte Touren bei Lagorai Bike School, Tel. 00 39/04 39/72 51 81, www.primierobike.com
Seilbahn-Biketransport: Col Verde/Rosetta, Tel. 00 39/04 39/6 85 05, und Le Buse, Tel. 00 39/04 37/ 59 90 68 (APT Val Biois), Öffnung erfragen!
Events: Miniprimierobike, Nachwuchsrennen, Juli 2010. Vederne Bike, Uphill-Rennen über 10,5 km vom Lago Schener zum Rifugio Vederna, Anfang August 2010. Tognola Free Bike, Uphill-Rennen von San Martino über eine Strecke von 8,5 km zum Monte Tognola, Mitte August 2010.
Karten: Tabacco Blatt 022 „Pale di San Martino“ und Blatt 023 „Alpi Feltrine, Le Vette, Cimònega“, beide im Maßstab 1:25 000.
Info: APT San Martino di Castrozza, Tel. 00 39/04 39/76 88 67
Internet: www.sanmartino.com
Touren
San-Martino-Reportage: Höhenflug





Vier Top-Touren rund um San Martino - inklusive Trailbooks und GPS-Daten:
Die letzte Kurbelumdrehung vor der Baita Segantini ist jedes Mal eine Erlösung. Andrerseits kann dieser Anstieg gar nicht lang genug dauern. Muss wohl Mountainbiker-Schizophrenie für Fortgeschrittene sein! Drei Mal habe ich mich in diesem Sommer 2009 auf Erkundungstour und Alpencross durch das Val Venegia nach oben gekämpft.
Drei Mal habe ich die vermeintlich entspannte, sogar recht flache Schotterstraße mit ihren weiten Kehren und die 500 Höhenmeter Anstieg auf ihr gnadenlos unterschätzt. Drei Mal bin ich dort im losen Schotter versandet, habe im Aufstieg mein letztes Hemd gelassen. Doch drei mal drei ergibt: einen meiner erklärten Lieblingsanstiege!
Wer Blut schwitzt, kann das Obensein umso mehr genießen. Logisch. Doch das Geheimnis des Val Venegia wäre damit nur unzureichend beschrieben. Klar, wer oben an der Baita Segantini den Biss in den Lenker endlich lockern kann, wird zur Beschreibung des Gesehenen manchen Superlativ bemühen.
Einem überbordenden Breitwandkino gleich rollen die Westabstürze der Palagruppe eine Leinwand im „160 zu 9“-Format aus. Ungläubig erfasst der Blick ein Meer aus Zacken, denn vom Val Venegia aus betrachtet wird die Palagruppe ihrem Namen mehr als gerecht.
Selbst in einem Gebirge wie den Dolomiten sticht der Anblick der „Pfähle“ oberhalb San Martino di Castrozza weithin heraus. Und dennoch: Die wahre Faszination dieses Gebirgszugs liegt in dem, was man nicht sieht. Zumindest nicht von unten.
„Nur gucken, nicht anfassen!“ – das gilt für den Rest der Dolomiten-Massive. Hier aber, vom Tal aus unsichtbar, verbirgt sich hinter den Gipfeln des Focobon, der Cima della Vezzana und des Cimon della Pala die Hochebene der Palagruppe. Flankiert von veritablen Dreitausender-Gipfeln wartet dort oben eine Tour, die zu den besten der gesamten Alpen zählt!
Ein alter Militärweg verbindet San Martino di Castrozza mit dem Valle di San Lucano auf der gegenüberliegenden Seite des Massivs. 99 Kehren verzeichnet die Karte auf der San Martino zugewandten Seite. Doch bergauf wie bergab ist dieser Steig durch einen böse steilen Felsabbruch für Tourenbiker unfahrbar – selbst Freeride-Spezialisten riskieren hier ihr Leben.
Auf der anderen Seite jedoch fällt das „Altopiano delle Pale di San Martino“ vergleichsweise sanft ab. An der Bergstation der Seilbahn zur Cima Rosetta beginnt die fahrbare Seite des Militärwegs und entführt den Biker in eine Wunderwelt. Über weite Strecken mit Trockenmauern gestützt, führt dieser Weg durch eine karge Landschaft aus Karstgestein.
Dann erreicht er vulkanisches Gelände, das den Biker nach unzähligen Kehren im Valle di San Lucano ausspuckt. Dort folgt man Trails bis nach Taibon – macht in der Summe 26 Kilometer Abfahrt. Schon ewig hatte ich diese Tour auf meinem Wunschzettel.
Die letzte Seilbahn hatte uns gestern Abend von San Martino di Castrozza aus zur Bergstation hinaufgegondelt, die unterhalb der Cima Rosetta abenteuerlich am Abgrund klebt. Wir, das ist ein internationales Biker-Trio aus dem Züricher Bike-Guide Beat, mir selbst und dem Dolomiten-Local Claudio Da Roit.
Claudio stammt aus Agordo und betreibt in Taibon einen kleinen Bike-Laden. Doch obwohl Claudios Heimatrevier auf der anderen Seite der Palagruppe liegt, kam er als erster auf die Idee, von San Martino aus die Abfahrt über das Altopiano zu wagen.
„Als ich zum ersten Mal mit dem Bike an der Talstation stand, wurde ich ausgelacht“, erinnerte sich Claudio mit einem Schmunzeln. „Dass man dort oben biken kann, schien schlicht unvorstellbar.“ Zehn Jahre ist das nun her. Doch inzwischen hat man sich an den Anblick von Mountainbikern gewöhnt, und das Belächeltwerden ist bewundernden Blicken gewichen.
„Wir Italiener haben eine Radsport-Kultur“, erzählte uns Claudio. „Wer bei uns mit dem Bike im Gebirge unterwegs ist, wird nicht angefeindet, sondern angefeuert!“
Oben angekommen, rollten wir schnell von der Bergstation hinunter und zielstrebig am Rifugio Rosetta vorbei. Wenigstens einen kurzen Blick auf die 99 Kehren des Val di Roda wollten wir uns gönnen. Schon 500 Meter nach der Hütte war allerdings Endstation. Wie mit der Axt gekappt bricht das Hochplateau geradezu senkrecht nach San Martino ab. An eine Weiterfahrt ist hier absolut kein Gedanke. Doch wer wollte sich daran stören?
Als brodelte ein Geysir am Fuß der Felswand, drückt der Abendwind dichte Thermikwolken zu uns hinauf. Während sich die Schwaden über unseren Köpfen sogleich wieder auflösen, taucht die Sonne die Szenerie in ein warm-orangenes Licht. Unten im Tal ist nun von den Bergen nichts mehr zu sehen, doch wir sitzen in der ersten Reihe. Ein Schauspiel, das sich hier des öfteren beobachten lässt.
Am folgenden Morgen spannt sich dann ein blank gewienerter Himmel über die Hochebene. Breit und in einer weiten Kehre führt der Weg hinab in eine Senke. Dort zeigt uns der erste Gegenanstieg die Zähne, doch auch diese Hürde ist schnell überwunden. Weiter vorne wird der Weg technischer, oft auch verblockt. Klar, dass der erste Durchschlag nicht lange auf sich warten lässt.
Am Campo Boaro dann der Landschaftswechsel: Enge Kehren in vulkanischem Kies führen hinunter zur Casera Campigat. Und im Valle di San Lucano lässt sich unser Guide nicht lumpen.
Kein Wildschweinpfad ist vor Claudios Ortskenntnis sicher: Unmöglich, diese Strecke ohne GPS zu finden! In Taibon verabschiedet sich Claudio. Heute Nachmittag muss er im Bike-Laden stehen. Beat und ich machen uns auf den Rückweg nach San Martino – es liegt noch einiges an Strecke vor uns. Die Fahrt nach Cencenighe ist ein Kinderspiel.
Auch der Aufstieg durch das Valle del Biois auf der alten Strada Mulaz geht entspannt vonstatten. Noch entspannter: die Fahrt mit dem Sessellift „Le Buse“, der uns gut 600 Höhenmeter Teerstraße erspart. Erst im Val Venegia wartet auf mich der Mann mit dem Hammer. Mit dem Hammer-Panorama, aber leider auch konditionell.
Die Erlösung oben an der Baita Segantini ist denn auch nur von kurzer Dauer. Schließlich stehen morgen die 48 Kehren zum Monte Totoga an. Die sind zwar nicht höllisch steil, aber auch reichlich happig. Trotzdem: Für Tourenfahrer ist diese Ecke der Dolomiten ein echtes Paradies!