Anreise: Den Startpunkt Weißenstein erreicht man von München aus über die A 92 in ca. zwei Stunden. Von Norden am besten über die A 3.
Bikeshops: Radsport Muhr in Regen, Tel. 0 99 21/56 96; Velotom Bikesport in Lam, www.velotom.de
Guiding: Karen Widmann und ihr Team von Bayerwald Bike (www.bayerwald-bike.de) bieten den Bayerwaldcross in mehreren Levels an.

MTB-Reportage Bayerwald-Cross
„Ui, ui, ui!“ Die blonde Kellnerin mit dem drolligen tschechischen Akzent, die uns in Drachselried im Gasthof der dorfeigenen Brauerei den Mittags-Snack serviert, mag es gar nicht glauben. „Mit den Rädern auf den Großen Arber? Heute noch?“ Kopfschüttelnd trottet sie von dannen. Hätte uns Warnung genug sein sollen ...
Inga, Christian und Manfred, mit denen ich unterwegs bin, sitzen kurz darauf wieder hochmotiviert im Sattel und drängen zum Aufbruch. Wir haben am zweiten Tag unseres Crosses durch den Bayerischen Wald schon über 700 anstrengende, aber wunderschöne Höhenmeter in den Beinen: durch schattige Fichtenwälder, auf kleinen Pfaden an geschwungenen Bächen entlang, über bunte Blumenwiesen, durch Dörfer, in denen es nach frisch gemähtem Gras riecht, und quer über urige Bauernhöfe, an denen uns frei laufende Hühner keck den Weg versperren. Sogar Störche haben wir erspäht. Jetzt wollen wir noch auf den Großen Arber, mit 1455 Meter immerhin der höchste Berg des Bayerischen Waldes. Das sind vom Gasthof aus satte 1000 Höhenmeter – in einem Rutsch hoch. Ui, ui, ui!
Pah! Garmisch–Gardasee macht doch jeder, habe ich mir gedacht, als ich bei dem Veranstalter „Bayerwald Bike“ auf diese Tour gestoßen bin. Was ich dort gelesen hatte, klang spannend: Auf historischen Säumerpfaden führt der Bayerwaldcross nicht nur über den Großen Arber, sondern über unzählige Berge wie Geißkopf, Rauher Kulm, Hirschenstein, Großer Falkenstein und Poledník bis nach Tschechien. Auf deutscher Seite geht es großteils durch den Nationalpark Bayerischer Wald, hinter der Grenze zu Tschechien führt der Weg vorwiegend durch den Nationalpark Šumava – insgesamt rund 250 Kilometer und 6000 Höhenmeter in vier Etappen durch einen der größten zusammenhängenden Wälder Mitteleuropas. Oder um mit den Worten des österreichischen Schriftstellers Adalbert Stifter zu sprechen: „Waldwoge reiht sich an Waldwoge, bis eine am Horizont die letzte ist und den Himmel schneidet."
Im Augenblick schneidet mir jedoch die letzte Schotterrampe vor dem Gipfel des Großen Arber die Luft zum Atmen ab. Im unteren Teil des Anstieges ging es beständig über steile Trails mitten durch den Wald. Armdicke Wurzeln hatten sich zudem gemein in unseren Weg gelegt, die nur unter erheblichem Kraftaufwand fahrend zu überqueren waren. Die Kellnerin hat es gewusst! Doch irgendwann muss auch der längste Uphill mal enden!
Oben am Gipfel ist die Plackerei beim endlosen Blick über die Berge, die sich wie gestaffelte Scherenschnitte in die Abendsonne gelegt haben, im Nu wieder vergessen. Wir machen das obligatorische Gipfelkreuz-Sieger- Foto, klatschen uns ab und kriegen das Grinsen kaum unter Kontrolle. Und wie das bei Superhelden so ist: Glück und Stolz über den letzten Anstieg sind wie immer neuer Nährstoff für neue Taten an neuen Bike-Tagen.
Der nächste Tag wird morgens sogar von mehreren Wölfen begleitet. Also keine echten Wölfe natürlich, sondern nur Blechimitationen am Rande eines Parkplatzes am Zwiesler Waldhaus. Aber Wölfe und Luchse gibt es hier im Nationalpark Bayerischer Wald nicht nur aus Blech. Die Philosophie des ersten Nationalparks in Deutschland, der 1970 eröffnet wurde, lautet „Natur Natur sein lassen“. Auf dem 24 000 Hektar großen Areal bleibt folglich alles so, wie es Mutter Natur geschaffen hat. So strampeln wir an einem chaotischen Baum-Mikado entlang, in dem abgestorbene Bäume kreuz und quer im grünen Dickicht liegen. Dazwischen erhaschen wir einen Blick auf die ersten Grenzschilder, denn die tschechische Grenze ist hier schon zum Greifen nahe.
Oben am Aussichtsturm Poledník auf dem Mittagsberg, schon auf tschechischer Seite, trauen wir unseren Augen kaum: Fast die gesamte Bergkuppe wimmelt nur so von kahlen Baumstümpfen, deren abgenagte Stämme wie ein Meer silberner Fahnenmasten in der Nachmittagssonne glänzen. Manfred, der schon unzählige Bayerwaldcrosse in seinen muskulösen Waden hat, klärt uns Unwissende auf: „Vor drei Jahren war hier noch alles grün. Dann kamen die Käfer und haben alles kahl gefressen.“ War wohl recht lecker. Auch das ist Natur.
Biketechnisch sind die Nationalparks für uns nach den Wurzeltrails der letzten Tage eher gemütliches Terrain, denn die Forstpisten dürfen dort nicht verlassen werden. Doch die einzigartige Natur zieht uns so magisch in ihren Bann, dass wir gar nicht an Trailsurfen denken. Wir passieren tiefschwarze Seen, aus denen mystisch tote Baumstämme aus dem Wasser ragen. Dann wieder geht es an breiten Bächen entlang, die sich gurgelnd über dicke blanke Steine kurvenreich ihren Weg durch weite grüne Wiesentäler suchen. Christian denkt laut: „Mich erinnert die Landschaft an Kanada. Sehr viel schöner kann es da auch nicht sein.“ Abends sitzen wir in dem kleinen tschechischen Dörfchen Modrava in dem mit viel Holz vertäfelten Gastraum unseres kleinen Hotels und lassen die vorletzte Etappe Revue passieren. Das Stimmengewirr von den anderen Tischen hat schon einen beachtlichen Lautstärkepegel erreicht. Das leckere tschechische Bier scheint allen zu munden, dazu gibt es Deftiges aus der böhmischen Küche.
Draußen zieht derweil ein heftiges Gewitter durch, wir aber sitzen gemütlich beim kühlen Pils zusammen. Die deftige böhmische Küche liegt uns am nächsten Morgen beim ersten Anstieg noch gehörig im Magen. Schwer schnaufend, aber immerhin kurbelnd erklimmen wir die ersten Anstiege. An einer Rampe überholen wir ein Mittfünfziger-Männer-Trio aus Norddeutschland, das sich mit vollgepackten Trekking-Rädern über die Berge quält. Das Gewitter haben sie gestern Abend nicht wie wir komfortabel im Wirtshaus, sondern im Zelt ausstehen müssen. Es gab nur Tütensuppe zu essen, und die Klamotten sind auch alle klamm. Ihre gute Laune lassen sich die drei aber nicht verderben. „Hier zu radeln ist einfach ein Geschenk“, meinte einer der Radler zum Abschied. Und damit hat er wohl Recht!