Mountainbiken ist im Wandel. Und das nicht erst seit kurzem. Kaum ein Fahrrad erfindet sich so oft neu, wie unser geliebtes Bergrad. Nach dem ersten Boom der 90er Jahre kam der Fully-Hype rund um die Jahrtausendwende. Immer schroffere Trails wurden möglich, immer mehr differenzierte sich das MTB aber auch in die verschiedensten Kategorien von Cross-Country bis Enduro, von Dirt bis Downhill. Später dann kamen neue Laufradgrößen dazu, auch Geometrien und Kinematiken werden quasi rund um die Uhr neu gedacht.

"Light-E-MTBs sind für mich das nächste große Ding. Sie überzeugen mit agilem Charakter und ausreichend starken Motoren", Lukas Ittenbach, Redakteur
Zunächst heftig umstritten, nahmen ab 2011 die E-MTBs in den Trailalltag Einzug. Zuerst vor allem Bosch, dann Shimano, Yamaha und Co. ermöglichten immer stimmigere und potentere Konzepte. Enorme Motorenkraft von teils über 100 Nm Drehmoment, große und vollintegrierte Akkus mit bis zu 900 Wh sowie das ungemein satte und sichere Fahrgefühl machen die "Full-Size"-E-MTBs heute extrem beliebt. Doch die Gewichte stiegen stetig: 25 Kilo sind heute keine Seltenheit mehr. Dass sich somit eine Lücke für leichtere E-Bikes auftut, erkannte Motorenhersteller Fazua früh. Dessen bereits 2015 gezeigtes Konzept mit kleiner, entnehmbarer
Akku-Motor-Einheit griffen zunächst aber nur wenige Bike-Hersteller auf. Der eigentliche Durchbruch gelang einmal mehr Specialized: 2020 kam das Levo SL mit von Mahle gebautem 35-Nm-Motor auf den Markt und zeigte, wie viel Spaß ein leichtes E-MTB machen kann. Und mit dem grenzgenialen Light-E-Enduro Kenevo SL legten die Kalifornier kurze Zeit später noch einmal nach.Neue Light-E-Motoren
2022 nahm das Thema dann richtig Fahrt auf. TQ präsentierte den nur 1850 g schweren HPR 50 mit 50 Nm Drehmoment, Fazua das Ride-60-System mit 60 Nm und bis zu 450 Watt Spitzenleistung. Und Specialized? Zeigte kürzlich die Neuauflage des Turbo Levo SL, dessen Motor nun maximal 50 Nm Drehmoment besitzt. Vor allem aber ist jetzt auch Branchen-Primus Bosch mit seiner Interpretation eines Light-Motors am Markt. Mit 55 Nm Drehmoment ist der neue SX-Motor klassentypisch platziert. Allerdings packt Bosch eine Spitzenleistung von 600 Watt in den kleinen Motor. Kurzzeitige "Höhenflüge" wie bei einem Full-Size-E-MTB sind also möglich. Voraussetzung für die volle Leistungsentfaltung ist allerdings, dass man mit hoher Trittfrequenz pedaliert – eine Gemeinsamkeit fast aller Light-Motoren-Konzepte. Aber es gibt auch andere Konzepte: Die beiden von uns getesteten Bikes von Giant und BH besitzen jeweils einen Full-Size-Motor mit 85 Nm Drehmoment und rund 2700 g Gewicht.
Akku-Größe ist entscheidend
Eine entscheidende Rolle, um Gewicht einzusparen, spielt die Akku-Kapazität der Light-Bikes. Wiegt beispielsweise ein großer Bosch-Powertube-Akku mit 750 Wh alleine 4300 g, liegt das Gewicht eines Fazua- 430-Wh-Akkus bei rund 2200 g. Specialized spart hier noch mehr Gewicht und verbaut im Levo SL eine 320-Wh-Batterie. TQ rüstet seinen Light-Motor mit 360 Wh aus. Im Forestal, das auf den selten verbauten Bafang-Motor mit 60 Nm setzt, kommt ebenfalls ein 360-Wh-Akku zum Einsatz. Logischerweise erreichen die Bikes mit kleinen Akkus keine immensen Reichweiten. Etwas über 1000 Höhenmeter sind aber bei allen drin. Reichweitenstärkstes Bike im Test ist das (schwere) BH mit 530-Wh-Akku.

Steile Rampen werden mit Light-E-MTBs wieder zur Herausforderung – ohne dass sie einem die letzten Körner rauben.
Wer mit den anderen Testbikes epische Ausfahrten plant, kommt jedoch um einen Range Extender nicht herum. Dies ist ein kleiner Aufsetz-Akku, der etwa im Flaschenhalter des Bikes Platz findet. Sie bieten bis zu 250 Wh Kapazität, sind mit Preisen bis zu 600 Euro aber kein billiges Vergnügen. Übrigens: Ein Serien-Bike mit dem neuen Bosch-SX-Motor war zum Testzeitpunkt leider noch nicht lieferbar.
Gewichte um 19 Kilogramm
Durch die unterschiedlichen Konzepte und die noch nicht ganz so umfassende Auswahl an Modellen verschiedener Preisklassen lassen sich die aktuellen Light-E-MTBs am Markt nur schwer vergleichen. So platziert Scott sein schickes Lumen mit TQ-Motor und 130 mm Federweg im Tourensegment und setzt auf leichte Anbauteile. Lohn ist ein sensationell geringes Gewicht von 16,8 Kilo. Die schwersten Bikes im Test sind mit je 20,6 Kilo das BH iLynx + und das Nox Epium Enduro. Auch das Giant Trance X E+ Elite mit "dickem" Motor liegt bei über 20 Kilo. Das Gros der Testbikes wiegt allerdings um 19 Kilo. Dazu zählen: die Light-E-Enduros Forestal Syrion und Simplon Rapcon Pmax TQ mit 170 mm Federweg sowie die beiden All-Mountains Haibike Lyke mit 140-mm-Fahrwerk und das Specialized Turbo Levo SL mit 160/150 mm Federweg.
Jedes dieser Bikes wurde von uns auf Herz und Nieren im Einzeltest-Format gefahren, wobei wir dennoch natürlich Vergleiche untereinander zogen. Eine Erkenntnis dieses Tests lautet: Aller Anfang ist teuer. Die acht Bikes kosten zwischen 6800 Euro (Giant) und 9999 Euro (Scott) – und es sind nicht mal die Topmodelle. Dafür bieten die neuen Leichtkraftsportler eine für E-MTBs nie dagewesene Agilität, man vergisst schier, dass ein Motor an Bord ist. Und so wird sich dieser Trend spätestens dann durchsetzen, wenn preiswertere Bikes verfügbar sind.