Lange gemunkelt, nun Realität: Sram zeigt mit der Eagle Powertrain sein erstes E-Bike-System speziell für Mountainbikes. Der Clou dabei: Die von Sram so forcierte Systemintegration. In Kombination mit dem von Brose stammenden Drive SMag-Motor, Srams neuen Transmission-Schaltungen und Sram eigener Software kann man das Selberschalten jetzt quasi ad acta legen. Doch der Reihe nach!
Kurz & knapp: Sram Eagle Powertrain
- Sram nutzt den bisherigen Brose Drive SMag als Basis (90 Nm, maximal 680 Watt)
- Zwei Motor-Modi: Range, Rally – per App auf eigene Vorlieben anpassbar
- Komplett abgestimmt auf Transmission-Schaltungen
- ... automatisiertes Schalten, immer per Pod überstimmbar
- Eigene 630 oder 720 Wh Akkus, Range-Extender mit 250 Wh
- Nur ein Oberrohr-Display mit den nötigsten Infos verfügbar
- Trittfrequenz, Geschwindigkeit & Co. nur per ANT+-Radcomputer
- Erste Bikes kommen von GasGas, Propain, Nukeproof und Transition

Powered by Brose: Unter der schwarzen Verkleidung werkelt der bekannte Drive S Mag, die Software ist jedoch von Sram.
Das ist der Sram-Motor!
Offiziell ist der Motor von Sram, aber "powered by Brose". Denn unter der schwarzen Verkleidung verbirgt sich wie erwähnt der Drive SMag, der maximal 90 Nm Drehmoment und bis zu 680 Watt Spitzenleistung bietet – bei den obligatorischen 250 Watt Dauerleistung. Der Brose Drive SMag ist wie wir finden eine gute Wahl und ist wegen seines tollen Rundumpakets in der Szene sehr beliebt. Er ist recht leise, relativ leicht (2,9 Kilo), äußerst kraftvoll, aber auch kultiviert – und das übers nahezu komplette Trittfrequenzband hinweg.
Im Video: Wir sind das Sram-System bereits gefahren!
Die Software: eine Eigenentwicklung von Sram
Bei der Software setzt Sram aber auf eine Eigenentwicklung. Die Motor-Software samt der Unterstützungsmodi sind extra auf die Powertain-Integration abgestimmt. Spannend: Sram beschränkt sich auf zwei Motor-Modi: "Range" und "Rallye". Der Range-Modus bietet in Werkseinstellung maximal 400 Watt Leistung bei 35 Prozent Unterstützung. Im Rallye-Modus geht es mit voller Spitzenleistung und 85 Prozent Unterstützung voran. Beide Modi können in der App auf 100 Prozent (oder nach Belieben andere Werte) gesetzt werden. Ein weiterer Modus ist nicht vorgesehen und kann auch nicht manuell hinzugefügt werden.

Macht, was der Algorithmus will: Die Kombination aus den Eagle-Transmission-Schaltungen und Powertrain-Motor macht voll automatisiertes Schalten möglich.
Vollautomatisiertes Schalten
Das wohl wichtigste Feature ist "Auto Shift" – nomen est omen eine Automatikschaltung. Einstellen lässt sich die präferierte Trittfrequenz. Wird man schneller oder langsamer, wechselt die bei Powertrain-Bikes obligatorische Transmission-Schaltung automatisch in den für den Algorithmus passenden Gang. Ein manueller Schaltvorgang deaktiviert Auto Shift für etwa fünf Sekunden. Man kann die Funktion aber auch ausschalten. Zudem kann das System dank "Coast Shift" auch im Stand bzw. im Rollen schalten. Das bei E-Motoren von der Kurbel entkoppelte Kettenblatt samt Motoranbindung macht es möglich.
Auto und Coast Shift ähneln nicht nur im Namen den von Shimanos Elektroschaltung XT Di2 in Kombination mit Steps-Motoren bekannten Funktionen "Autoshift" und "Freeshift". Die Japaner präsentierten die Techniken bereits im Sommer 2022, man sieht sie bisher dennoch eher selten an Bikes. Anders als das Shimano-System arbeitet Sram wie üblich drahtlos, ist in Hinblick auf Bedienung intuitiver. Shimano bezieht die Daten für Autoshift übrigens über Trittfrequenz und Geschwindigkeit, das System lernt dazu. Sram schweigt sich zur genauen Funktion des Algorithmus aus – dazulernen tut es aber nicht.
Eine weitere Besonderheit: Es ist nicht möglich, die Kettenblattgröße gegenüber der Herstellerspezifikation zu ändern, da das System mit allen Funktionen daran ausgerichtet ist. Im linken Ausfallende des Rahmens sowie in der Bremsscheibe sitzt der Geschwindigkeitssensor, der das System mit Fahrdaten versorgt und für Auto Shift besonders exakt sein soll.
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Smart gesteuert: Sram Powertrain
Die Bedienung erfolgt entweder über das im Oberrohr eingelassene "Bridge" genannte Mini-Display oder über die bekannten AXS-Pods am Lenker. Hier steuern wie gehabt zwei Tasten das System, per Gedrückthalten ergeben sich so bis zu acht Belegungen. In der Praxis kümmert sich der rechte Pod ums Hoch- und Runterschaltern, links steuert den Motor und die (optionale!) AXS-Vario-Sattelstütze.

Reichweitenstark: Sram bietet eigene Akkus mit 630 oder 720 Wattstunden an.
Zwei Akkus, Range-Extender
Statt des eher klobigen Brose-Akkus bietet Sram zwei selbst entwickelte Batterien. An Kapazität weisen die Stromspeicher 630 oder 720 Wattstunden auf, sie setzen auf den bewährten Zelltyp 21700. Der große, 4,1 Kilogramm schwere Akku wird von unten in den Rahmen geschoben. Ist die kleinere 3,1 Kilogramm schwere Batterie verbaut, kann diese nach vorne herausgeklappt werden. Transition ist hierbei zukünftig die Ausnahme, die US-Amerikaner verbauen den Akku fest. Die Ladedauer beträgt rund fünf Stunden für den 720-Wh-Akku, 30 Minuten weniger für den kleinen. Zusätzlich soll es ab November einen Range-Extender geben, der an einer Platte an der Flaschenhalterbefestigung eingeklickt wird. Er bietet weitere 250 Wh, funktioniert aber nur, wenn im schwächeren Range-Modus gefahren wird. Ein Flaschenhalter lässt sich ohne Demontage der Platte per Adapter befestigen.

Kurz-Test: So fährt sich Srams Powertrain!
Wie fährt sich der Eagle Powertrain? Klar, der Brose-Motor ist bekannt und bewährt! In allen Bereichen sehr durchzugsstark, aber dennoch harmonisch arbeitet das Aggregat, ist dazu für einen Full-Size-Motor relativ leise. Viel spannender jedoch: Was fällt beim Gesamtsystem auf? Die Bedienung per Pods ist intuitiv und simpel, auch an die Doppelbelegungen der Tasten gewöhnt man sich sofort. Und der Anblick des äußerst aufgeräumten E-Bike-Cockpits zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht. Einfach schön, damit hebt sich Sram nun deutlich von der Konkurrenz ab! Hat man sich an Auto Shift gewöhnt und lässt das System ungestört seine Arbeit verrichten, fährt es sich sehr natürlich. Die durch die Schaltautomatik verrichteten Gangwechsel sitzen nicht nur perfekt auf der Kassette, sondern wären fast immer identisch zu meinen manuellen Schaltbefehlen. Vorausgesetzt man hat den richtigen Trittfrequenz-Modus gefunden, denn der beeinflusst die Performance maßgeblich! Ich habe mich in den Modi "Mid" und "+1" (etwas höhere Kadenz) am wohlsten gefühlt. Passt diese Einstellung, hält man unabhängig von Terrain und Steigung immer die gewünschte Trittfrequenz. Und wenn einem der Gang doch mal nicht schmeckt, kann man selbst schalten. Wobei ich Auto Shift schon nach zwei Rides die Arbeit dauerhaft überlassen habe. Zudem ist die Nachjustierung der Fahrmodi per App praktisch, wobei 85 Prozent Unterstützung im Rallye-Modus durchaus passend gewählt sind. Unter dem Strich konnte mich der erste Fahreindruck begeistern. Mir fehlen lediglich mehr Infos auf dem Display oder wechselbare Seiten.
– Lukas Ittenbach, Mountainbike Redakteur

Schaltet vollautomatisch: Das GasGas ECC mit Sram Powertrain
Schon einmal ein modernes Auto mit Automatik gefahren? Ja? Dann wird dir das Powertrain-System sehr ähnlich vorkommen. Denn die Schalt-Automatik funktioniert tatsächlich wie beim Kfz überwiegend fantastisch. Manuelle Eingriffe? Braucht man selten – und die gehen im Falle der "Pods" am Lenker wie gehabt gut von der Hand. Aber: Gelegentlich wundert man sich dann doch über die Schaltvorgänge – manchmal ist der Gang zu hoch, manchmal zu niedrig. Klar: Man kann das mit dem System um insgesamt sechs Punkte in beide Richtungen (also später oder früher zu schalten) feintunen. Nötig war das bei einer ersten Testfahrt aber nur in Ausnahmefällen. Ansonsten überrascht das System mit Unauffälligkeit: Der quasi umprogrammierte Brose-Motor schiebt prima an und tritt sich harmonisch. Auch die weiteren Spezifikationen passen: Sram verzichtet auf Infotainment-Klimbim und zieht ein kleines, farbiges Oberrohr-Display vor. Wer darauf wert legt, soll in Zukunft per ANT+ Smartwatch und/oder Radcomputer verbinden können.
- Moritz Schwertner, BikeX-Redakteur
Neu: Diese Bikes kommen mit Sram Powertrain!
Beim Presse-Termin zeigte Sram uns insgesamt vier E-MTB-Prototypen – jeweils von GasGas, Nukeproof, Propain und Transition. Weitere Infos gibt es in unserer Bildergalerie!