"Eine Medaille ist mein Traum": Interview mit Luca Schwarzbauer

Im Gespräch mit Olympia-Hoffnung Luca Schwarzbauer
„Ich will den Mountainbike-Sport bekannter machen“

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Zuletzt aktualisiert am 23.05.2024

Er gehört seit einem Jahrzehnt zu den besten Cross-Country-Mountainbikern Deutschlands. 2022 gelang dem ehemaligen Lexware-Fahrer und derzeit Weltranglisten-Neunten mit dem Short-Track-Sieg beim Weltcup in Nové Město na Moravě (CZ) der große Durchbruch. Wir haben mit Luca Schwarzbauer unter anderem über seine Ambitionen für das Olympia-Rennen in zehn Wochen gesprochen. 18 Fragen an Luca Schwarzbauer! Los geht's:

MOUNTAINBIKE: Luca, du warst im April für die ersten beiden XCC- und XCO-Weltcups des Jahres in Brasilien? Wie lief der Saisonauftakt für dich?

Luca Schwarzbauer: Ich habe mich im Vorhinein gar nicht mega auf das Event gefreut, weil ich keine so guten Erinnerungen an den letzten Weltcup-Trip nach Brasilien habe. Das war 2022 meine erste große Reise mit dem neuen Team [Canyon CLLCTV, zuvor fuhr Luca für das Lexware MTB Team], ich musste mich erstmal dran gewöhnen, wie krass das alles organisiert ist und habe da enormen Druck verspürt, abliefern zu müssen. Und auch dieses Jahr habe ich mich nicht superwohl gefühlt und hatte doch ziemlich zu kämpfen. Die Klimaumstellung nach dem deutschen Winter, der Ethanol-Geruch in der Luft, das Rennen stand einfach unter keinem guten Stern für mich. Dennoch bin ich dann relativ problemlos Zweiter geworden im ersten Short Track.

Luca Schwarzbauer dürfte die große deutsche Hoffnung für Olympia 2024 in Paris sein.
Ross Bell/Canyon
Sam Gaze hat gewonnen und du hast eine spezielle Zielpose gemacht und auf ihn gezeigt, obwohl er für ein anderes Team fährt. War das geplant oder spontan?

Wir hatten das im Vorhinein schon abgesprochen. Er war mit uns in der Unterkunft und ist auch sonst oft mit uns unterwegs. Und da meine Teamkollegin Line Burquier derzeit ausfällt, hat mein Mechaniker auch für Sam gearbeitet in Brasilien. Wir kennen uns eh ganz gut, waren schon ein paar Mal zusammen trainieren und verstehen uns. Auch vom Typ sind wir ähnlich und haben dieselben Anliegen und Themen, er fährt ja auch für Canyon und so kam das zustande.

Wie liefen dann die nächsten drei Rennen in Brasilien für dich?

Das XCO-Rennen in Mairiporã lief dann eigentlich noch ganz gut [Platz 11], aber nach dem Wochenende ging es mir ziemlich schlecht und ich habe Magenprobleme bekommen. Die beiden Rennen in Araxá bin ich dann trotzdem gefahren und Fünfter bzw. 23. geworden. Klar, da ging es dann insbesondere in dem längeren Cross-Country-Rennen nur noch ums Überleben.

Ist es für dich in solchen Situationen auch ein Punkt, an dem du zurückblickst und stolz bist auf das, was du erreicht hast, oder überwiegt der Frust?

Ich hatte da halt wirklich körperliche Schmerzen. Wenn man einen Weltcup mit Magen-Darm-Problemen zu Ende fährt, geht's einem richtig dreckig. Und da war dann natürlich das dominante Gefühl, das irgendwie durchzuziehen. Ich versuche auf jeden Fall auch, mir mal ins Gewissen zu rufen, dass es halt nicht immer top laufen kann. Und in den letzten zwei Jahren hatte ich vielleicht zwei, drei richtig schlechte Rennen. Und das ist dann auch kein Weltuntergang, sondern okay. Es ist eigentlich sogar eher unnormal, überhaupt über so viele Rennen hinweg konstant seine Leistung so abrufen zu können. Es ist schon echt nervig und ich merke, dass mich das ziemlich fuchst. Aber es hat auch etwas Positives, weil man dann die Erfolge ein bisschen mehr wertschätzt.

Luca Schwarzbauer dürfte die große deutsche Hoffnung für Olympia 2024 in Paris sein.
Ross Bell/Canyon
Nun geht die Saison weiter. In Paris könntest du dein erstes Olympia-Rennen fahren. Ist das für dich gesetzt?

Luca Schwarzbauer: Deutschland wird zwei Fahrer zu Olympia schicken dürfen, die vom BDR [Bund Deutscher Radfahrer] nominiert werden. Dafür gibt es weiche Quali-Kriterien, die ich mehrfach erreicht habe. Am Ende ist es eine subjektive Entscheidung des Bundestrainers, welche Athleten er mit nach Paris nimmt. Auch die ersten 2024er-Ergebnisse spielen eine Rolle.

Wie schätzt du deine Chancen auf einen der beiden Startplätze ein?

Ich hatte nach einer erfolgreichen Saison 2023 mit zwölf Top-10-Resultaten im Weltcup die Freigabe, mich explizit auf Paris vorzubereiten und musste so keinen Fokus auf die beiden Brasilien-Weltcups legen.

Wen siehst du als Topfavorit auf den anderen Startplatz?

Sicherlich David List, der in Brasilien 22. und 14. im XCO wurde und das HC-Rennen in Heubach gewann. Außerdem sollte man Max Brandl und Julian Schelb nie abschreiben. Wenn die beiden dieses Wochenende in Nové Město abliefern, haben sie Chancen. Noch ist das Rennen also offen.

Zurück zu dir – kennst du den Olympia-Track, bist du dort schon gefahren?

Ja. Ich bin im September das Test Event gefahren und wurde 13. Allerdings ging es mir nur darum, die Strecke kennenzulernen und habe mich nicht spezifisch darauf vorbereitet, um meinen Short-Track-Gesamtsieg nicht zu gefährden.

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Erzähl mal was zur Strecke. Taugt sie dir persönlich?

Ich glaube nicht, dass der Kurs die neue Lieblingsstrecke von jemandem wird [lacht]. Aber ich kam sehr gut zurecht mit dem Track und mag ihn. Er ist schon speziell, viel Schotter, wenig Trailanteil, aber auf seine eigene Art anspruchsvoll. Ich freue mich drauf.

STECKBRIEF – Luca Schwarzbauer

  • Alter: 27
  • Nationalität: Deutsch
  • Wohnort: Nürtingen (BW)
  • Team: Canyon CLLCTV
  • vorheriges Team: Lexware MTB Team
  • aktuelles UCI-Ranking: #9
  • Instagram: @luca_schwarzbauer
Noch 2 Monate bis Olympia. Wird das dein Saisonhighlight sein?

Das ganze Jahr ist schon auf Paris ausgelegt, ohne dabei andere wichtige Rennen wie die WM zu vernachlässigen. Daher war ich jetzt in Brasilien auch noch nicht in Topform und bin die Europameisterschaft in Rumänien nicht gefahren. Das war von Anfang an so geplant, vor dem Weltcup am Wochenende stand jetzt ein Trainingsblock daheim an, den ich mit einem Sieg beim HC-Rennen in Österreich abgeschlossen habe.

Du wohnst und trainierst auf der Alb. Bist du ein Familienmensch?

Ja schon, daheim zu sein ist für mich wichtig. Klar, hätte ich jetzt auch woanders trainieren können, aber dann würde mir mein Umfeld wie Freundin und Familie schon sehr fehlen. Ich komme definitiv nicht so gut damit klar, das ganze Jahr lang auf Achse zu sein und bin auch keiner, der in der Saisonvorbereitung viel reist und andauernd Trainingslager macht, da bin ich lieber daheim.

Mit deinem aktuellen Team bist du aber happy, oder? Hat sich da nochmal viel verändert für 2024?

Ja, total. Es ist ja schon mein drittes Jahr mit Canyon. Wir haben jetzt ganz neu einen richtig großen Team-Truck, der dieses Wochenende in NMNM zum ersten Mal zum Einsatz kommt. Und ich habe einen Dreijahresvertrag sicher, aktuell bin ich im ersten Jahr. Loanas Vertrag [Lecomte] läuft dieses Jahr aus. Thomas [Griot] wurde jetzt verlängert und wird noch bis mindestens 2025 bleiben. Es gibt sicherlich irgendwelche Gespräche, aber da bin ich null involviert. Vielleicht wird auch noch ein Top-Fahrer mit großem Namen zu uns stoßen, das kann ich mir schon vorstellen. Aber das Team Setup funktioniert jetzt grad richtig gut und in Sachen Staff sind wir inzwischen auch von A bis Z top aufgestellt.

Ihr setzt alle auf Canyons Racefully Lux. Erzähl mal was zu deinem Bike.

Genau, ich fahre ein Canyon Lux CFR in unserem Team Setup mit Sram-Schaltung und Flight Attendant, vorne 110 und hinten 100 mm Federweg.

Das Flight-Attendant-Fahrwerk fährst du jetzt auch schon eine ganze Weile. Was sagst du dazu?

Stimmt, ich bin schon letztes Jahr damit unterwegs gewesen und durfte es im Renneinsatz testen. Klar, man muss immer noch selber fahren können, aber ich sehe es schon als klaren Vorteil. Ich finde es wirklich cool. Angesichts dessen, dass es die erste Entwicklungsstufe [für Sid/SidLuxe] ist, funktioniert das schon saugut und nimmt einem echt Arbeit ab.

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Spannend ist auch, dass du als einer von wenigen Fahrern eigentlich immer ohne Dropperpost fährst. Warum?

Ich komme mit starrer Stütze gut zurecht, fahre jetzt sogar erstmals eine Sattelstütze mit Setback nach hinten. Auf einer sprunglastigen, technisch schwierigen Strecke wie in Araxá hätte eine Dropperpost natürlich schon Vorteile, aber bei den meisten Weltcups braucht man es meiner Meinung nach nicht unbedingt. Ein Faktor ist bei mir auch meine Beinkonstellation. Ich habe recht lange Oberschenkel, ganz kurze Unterschenkel. Und ich würde behaupten, dass ich dadurch einfach zwei, drei Zentimeter tiefer sitze als andere Fahrer. Das ist natürlich auch ein bisschen Schönrechnerei, aber da ist schon was dran, würde ich behaupten. Einen großen Vorteil sehe ich bei Trailbikes und Co, da ist das was anderes. Für unsere Cross-Country-Bikes ist eine starre Sattelstütze nicht der limitierende Faktor. Da ist mir die Sensibilität des Fahrwerks viel wichtiger. Und gute Laufräder sowie Reifen machen viel aus.

Hast du sonst etwas Besonderes an deinem Racebike, was es am Serien-Lux so nicht gibt?

Ja, tatsächlich! Spannend dürfte sein, dass ich zuletzt viel mit dem K.I.S.-System herumexperimentiert habe, das ja eigentlich eher an Bikes mit mehr Federweg verbaut wird. Ich werde das auch bei Olympia in Paris fahren, weil das auf der Strecke einen echten Vorteil bieten dürfte. Es ist dort sehr viel seitlicher Grip gefragt und ich habe das Gefühl, das K.I.S. hilft am allerbesten, in Kurven Traktion aufs Hinterrad zu kriegen. Das war für Canyon auf jeden Fall ein großer Aufwand, da es ja keine Lux-Rahmen mit K.I.S. gibt und man bei Olympia aber keine Prototypen fahren darf.

++ Neues Lux-Modell von Canyon ++

Just frisch vorgestellt hat Canyon das Racefully-Sondermodell Lux CFR Loana Lecomte, benannt nach Lucas französischer Teamkollegin. Das Bike kommt mit Sram-XX-SL-Transmission-Schaltung samt Powermeter, DT-XRC1200-Carbon-Laufrädern und einem Rock-Shox-Flight-Attendant-Fahrwerk. So können auch Hobby-Marathonisti und -XC-Racer Profi-Vibes verspüren. Preis? 9499 Euro. Einen Test liest du in MOUNTAINBIKE-Ausgabe 07/2024 (ab 04.06. am Kiosk).

Mit dem Lux CFR Loana Lecomte stellt Canyon ein Sondermodell seines beliebten Racefullys vor.
Stefan Eigner
Jetzt sind wir wieder beim Thema. Was geht dir durch den Kopf, wenn du heute an das Olympia-Rennen denkst?

Ich will auf jeden Fall mit ein bisschen Demut rangehen und nicht meinen, dass ich da jetzt plötzlich alle toppen kann. Es wird meine erste Olympiade sein. Also hoffentlich [lacht]. Auch wenn ich mich jetzt darauf ausrichte und das ganz klar als Ziel habe, gibt es immer noch das Worst-Case-Szenario in meinem Kopf, dass ich einfach nicht dabei bin. Im Moment sieht es überhaupt nicht danach aus, aber sicher ist man halt erst, wenn man an der Startlinie steht.

Hast du dir eine Platzierung vorgenommen?

Puh, die Frage wurde mir schon echt oft gestellt und ich tue mich damit sehr schwer, weil ich nicht weiß, wie die nächsten Weltcups in Europa laufen werden. Ein Top-8-Resultat ist meine persönliche Zielsetzung. Und meine Traumvorstellung wäre es natürlich, eine Medaille zu holen. Ich weiß aber auch, dass es viele Fahrer gibt, die insbesondere bei Olympia mehr Erfahrung haben und ich sie nur an einem perfekten Tag schlagen kann. Ich wünsche mir auch, den MTB-Sport durch meine Leistung und die Berichterstattung darüber publiker machen zu können.

Danke, Luca. Wir wünschen dir dafür viel Erfolg!

Vielen Dank!

INFO Am kommenden Wochenende – 25. (XCC) und 26. (XCO) Mai – findet der dritte Weltcup-Stopp des Jahres in Tschechien statt. Auf der Strecke hat Luca Schwarzbauer 2022 seinen ersten Short-Track-Weltcup gewonnen und zählt auch dieses Jahr zu den "riders to watch".

Action! Mehr Eindrücke von Luca Schwarzbauers letzten Rennen findest du in der Bildergalerie:

Ausblick! Wir haben sieben Racebikes der Olympia-Stars getestet, unter anderem das brandneue Lux CFR Loana Lecomte, das Canyon am 23. Mai vorstellt. Den Test liest du in MOUNTAINBIKE 07/2024, ab 04. Juni am Kiosk!

Wir haben sieben Bikes getestet, die allesamt von den Cross-Country-Profi-Fahrer*innen gefahren werden dürften.
Stefan Eigner