Im Juni kündigte Red Bull in einer kurzen Mitteilung an, dass es bei der Rampage 2024 erstmals eine Frauen-Kategorie geben wird. Und noch eine Neuerung gibt es bei dem 2001 erstmals ausgetragenen Event: Die bisher eintägige Veranstaltung wird auf zwei Tage ausgeweitet.
Inzwischen steht fest, dass das Frauenrennen am 10. Oktober ausgetragen wird. Die Männer sind dann am 12. Oktober an der Reihe. Auch beim Austragungsort gibt es eine Änderung: Zwar treffen sich die Freeriderinnen und Freerider traditionell im amerikanischen Virgin, Utah, aber es wird zwei verschiedene Veranstaltungsorte geben. Einen für die Damen und einen für die Herren! Acht Frauen und 18 Männer wurden von Red Bull für das Event nominiert.
Wir haben mit Freeriderin Georgia Astle ein exklusives Interview über die erste Frauen-Rampage geführt.

Georgia Astle, bekam erst kurzfristig die Zusage für einen Platz im Teilnehmerfeld. Im Interview spricht sie über die Herausforderungen der Vorbereitung, die Bedeutung dieses Meilensteins und den Nervenkitzel, in der Wüste ihre eigene Linie zu bauen.
Ich bin ziemlich aufgeregt. Ich habe mich sofort beworben und wollte direkt bei der Erstaustragung dabei sein. Zuerst stand ich aber auf der Ersatzliste, wollte die anderen Frauen aber trotzdem unterstützen oder in einem Trailbauteam mithelfen, denn wer bei der Rampage startet fährt nicht auf bestehenden Strecken, sondern muss sich seine eigene Strecke schaufeln. Dann hat sich eine Fahrerin verletzt und jetzt bin ich doch dabei. Damit hatte ich nicht gerechnet.
Als ich erfuhr, dass ich dabei bin, war ich erst einmal überwältigt, aber dann kamen die ganzen logistischen Herausforderungen. Es ist nicht so, dass man einfach hier in der Wüste auftaucht und sein Bike mitbringt, man muss alles selbst organisieren: Man muss sein Bauteam hierher bringen, eine Unterkunft organisieren und das passende Fahrrad. Zum Glück brauchte ich nur ein paar Freunde anzurufen, von denen ich wusste, dass sie gute Trailbauer sind. Die waren sofort bereit mitzukommen. Als alles Organisatorische geklärt war, wurde mir klar: Wow, das mache ich wirklich!
Ja, das denkt wahrscheinlich niemand. Red Bull hilft mit einem kleinen Budget, sobald du angemeldet bist, aber die meisten von uns haben keinen Manager. Dann musst du dich selbst darum kümmern.
Darauf meine eigene Strecke zu bauen! Als ich in der Formation gefahren bin, hatten wir keine eigenen Strecken, wir haben die bestehenden Rampage-Linien der Männer umgebaut. Es wird also das erste Mal sein, dass ich wirklich von Grund auf eine Strecke baue, und das ist ein bisschen beängstigend, aber auch sehr aufregend.
Einen komplett neuen Standort zu haben, ist großartig. Wir haben ein unbeschriebenes Gelände, während die Männer an den Ort zurückkehren, an dem sie bereits Strecken gebaut haben. Das schränkt die Möglichkeiten ein, da der Platz begrenzt ist. Ein neuer Standort gibt uns die Freiheit, alles selbst zu bauen, ohne uns um bestehende Features kümmern zu müssen. Außerdem entfällt der direkte Vergleich mit den Männern.
Es wäre toll, ein komplettes Frauenteam zu haben, aber es gibt einfach noch nicht so viele Frauen mit Erfahrung im Trailbau. In allen "Dig-Teams" gibt es nur zwei Trailbauerinnen. Der Rest sind Männer, die hier entweder schon gebaut haben oder selbst aktive Trailbauer sind. Für uns Frauen ist es wichtig, ein Team zu haben, auf das wir uns verlassen können, vor allem, weil wir hier in der Wüste nicht so viel Erfahrung mit dem Bau von Features haben.
In diesem Jahr haben wir drei Trailbauer*innen in unseren Teams, normalerweise sind es zwei. Aber da wir eine komplett neue Strecke bauen müssen, wurde uns eine zusätzliche Person zugeteilt. Das ist für uns Fahrerinnen eine große Entlastung.
Wir haben fünf Bautage, in denen wir die Strecke fertig haben wollen. Das wird extrem anstrengend, tagsüber wird es bis zu 37 Grad heiß. Dann gibt es einen Ruhetag und drei Tage, an denen wir zum ersten Mal die Features ausprobieren und noch Änderungen an der Strecke vornehmen können.

Rechen, schippen, shapen: der Bau der Strecke ist ein essenzieller Teil der Red Bull Rampage, von dem wir Zuschauer nur wenig mitbekommen.
Da mein Start bei der Rampage sehr kurzfristig war, hatte ich keine Zeit, das perfekte Rampage-Bike zu planen. In den letzten Jahren habe ich mit Devinci viele verschiedene Bike-Setups zum Freeriden ausprobiert: vom Trailbike bis zum Downhillbike. Am Ende ist es ein leichtes Endurobike mit 27,5" Laufrädern geworden, das fantastisch springt. Das ist auch mein Rampage-Bike.
Ja, das ist wirklich wild. Es gibt eine riesige Bandbreite an Freeride-Setups. Manche fahren mit einem Bike, mit dem sie auch ein Downhill-Weltcuprennen fahren würden. Andere bevorzugen ein 27,5"-Trailbike oder ein Mullet-Setup mit 26"-Hinterrad.
Für die großen Sprünge hier in der Wüste stellen wir die Federung sehr hart und langsam ein, auch den Reifendruck ist sehr hoch. Der Rebound ist langsam, damit man nicht nach vorne geschleudert wird, wenn man über ein großes Feature springt oder in der Luft ist. Bei Downhill-Rennen ist die Federung normalerweise weicher und schneller eingestellt, sodass das Bike bei jedem Schlag Energie aufnimmt und schneller reagiert. Aber hier in der Wüste will man das nicht. Die Fahrwerkseinstellung war für uns Frauen in den letzten Jahren ein Lernprozess. Trotzdem kommen manchmal Männer, die mir bei einem großen Sprung "mansplainen", wie ich mein Fahrwerk einstellen soll. (lacht)
Wenn du vor einem Sprung nervös bist, ist das gesund – das heißt, du bist kein kompletter Psychopath. Aber das Wichtigste bei so großen Sprüngen ist: Du musst dein Ego zu Hause lassen. Es ist immer noch ein mentales Spiel. Solange du die richtigen Leute um dich hast, wird dir aber die Angst oft genommen, wenn du siehst, dass bei ihnen etwas gut funktioniert. Aber es gibt trotzdem Tage, da will dein Gehirn einfach nicht, dass du einen großen Sprung springst. Dann denkst du zu viel über die Konsequenzen nach. Dann gehst du und kommst später wieder.
Ich denke, die Risiken ändern sich, wenn man besser wird. Und jedes Feature hat ein anderes Risiko. Wenn du zum Beispiel bei einem "Double-Drop" einen Fehler machst, sind die Konsequenzen viel größer als bei einem "Single-Drop". Und noch gefährlicher ist es natürlich, wenn dieser Drop exponiert ist oder du über eine Schlucht springst. Bei der Rampage gibt es für solche extremen Features auch die höchsten Bewertungen. Ja, das ist ein großes Risiko. Wenn etwas schief geht, wäre das schrecklich. Am Ende ist das High, das du davon bekommst aber unvergleichlich. Und ich glaube, deshalb lieben wir das Mountainbiken.
Das Preisgeld ist für Frauen und Männer gleich. Aber keiner von uns macht das wegen des Geldes. Wir sind hier, weil es eine unglaubliche Chance ist. Für den ersten Platz gibt es 100.000 US-Dollar. Für diejenige, die das Geld gewinnt, bedeutet das, dass sie sich zuhause ihre erste eigene Sprungstrecke bauen kann. Für Freeride-Männer ist es normal, dass sie einen eigenen Trainingsparcours haben. Für uns Frauen ist das nicht selbstverständlich, deshalb freue ich mich sehr über diese erste Entwicklung, in der das zum ersten Mal möglich wird.
Ich denke, die Jungs hatten, wie in vielen Sportarten, einen Vorsprung. Keine von uns war ursprünglich Freeriderin oder Slopestylerin, auch diese Kategorie gibt es erst seit kurzem für Frauen. Die meisten der Frauen die dieses Jahr bei der Rampage teilnehmen kommen aus irgendeiner Form des Rennsports, wie BMX oder Downhill. Das war der einfachste Weg, um Sponsoren zu bekommen. Auf diese Hintergründe können wir uns jetzt stützen.
Genau, die Formation 2021 war wirklich ein riesiger Schritt. Da haben wir uns alle kennen gelernt, Freundschaften geschlossen und das Niveau und der Bekanntheitsgrad von uns Freeride-Frauen ist von da an rasant gestiegen. Dann haben einige Fahrerinnen selbst Frauen-Events organisiert. All das hat uns auf dem Weg zur Rampage geholfen. Es ist nicht so, dass wir unvorbereitet da reingeworfen werden. Wir haben hart dafür gearbeitet! Und jetzt sind wir bei der großen Show dabei.
Das ist verrückt und ich vergesse schnell, was wirklich passiert. Die junge Frauen können nicht nur zu uns aufschauen, sondern sehen auch echte Karrierechancen. Es wäre verrückt gewesen, mir vor zehn Jahren, als ich mit dem Fahren angefangen habe, zu sagen, dass ich heute hier stehen würde.
Ja, ich denke schon. Es gibt jetzt viel mehr Möglichkeiten, weil es gerade einen sehr positiven Aufschwung und mehr Chancen für Frauen gibt. Aber ich denke, im Allgemeinen ist es immer noch schwierig, davon zu leben. Mountainbiken entwickelt sich weg vom Nischensport, aber es ist noch nicht auf dem Niveau von Skifahren.
Die größte Herausforderung wird sein, ein Feature schwierig und technisch genug zu gestalten, aber nicht so sehr, dass ich zu viel Angst habe, es zum ersten Mal zu fahren. Das ist also die Grenze, die ich für mich überschreiten muss. Das zu schaffen ist mein persönliches Ziel.
Ich habe zwar schon Ideen, aber alles steht und fällt mir dem Ort an dem wir sind. Und den haben wir bisher noch nicht gesehen. Nur auf Google-Maps-Fotos. Es hängt wirklich davon ab, wenn wir vor Ort sind und schauen wo man Linien reinbauen kann. Dabei werden wir auch zusammenarbeiten und uns Features und größere Landungen teilen, die lange Zeit zum Bauen brauchen.
Rückblick: Große Erfolge bei Red Bull Formation und Hardline
Dass Freeriderinnen die große Bühne verdient haben, haben sie bereits bei anderen Freeride-Events bewiesen.
Zum Beispiel beim Red Bull Formation, einem Perspektiv-Event für Freeriderinnen, das 2021 und 2022 in Utah stattfand. Hier zeigten sie bereits auf ausgesetzten Lines und großen Sprüngen mit fetten Whips und No-handern, dass das Potenzial da ist und vor allem: dass das Niveau der Frauen in der Szene immer weiter steigt.
Bei der Red Bull Hardline in Tasmanien im Februar 2024 schafften Gracey Hemstreet (Norco Race Division) und Louise Ferguson (Intense Factory Racing) als erste Frauen in der Geschichte der Hardline einen Top-to-Bottom-Run. Auch das zweite Red Bull Hardline Event in Wales Anfang Juni war ein voller Erfolg für die Frauen-Freeride-Szene. Zwar schaffte es keine von ihnen, einen kompletten Run zu absolvieren, aber sie klapperten ein Feature nach dem anderen auf der Strecke ab. Darunter zum Beispiel das historische Road Gap.
Reaktion auf Kritik im letzten Jahr
Dass die Einführung einer Frauenkategorie bei der Rampage längst überfällig ist, zeigte sich letztes Jahr in einem regelrechten Aufruhr in den sozialen Netzwerken. Nach der Absage des Frauen Freeride Events Red Bull Formation war die Hoffnung groß, dass es bei der Rampage 2023 erstmals eine Frauenkategorie geben würde. Fehlanzeige. Die Folge: Deutliche Kritik an den Veranstaltern für den Ausschluss der Frauen vom Event – auch von männlichen Athleten.
Was ist die Red Bull Rampage?
Die Red Bull Rampage ist wohl das bekannteste und prestigeträchtigste Freeride-Mountainbike-Event der Welt und findet jährlich im Zion National Park in Utah statt. Die Teilnahme folgt per Einladung, und nur die besten Fahrer, und nun auch Fahrerinnen, der Welt dürfen teilnehmen. In extrem anspruchsvollem Gelände navigieren sie durch steile Abhänge und schroffe Felsen, wo sie vor dem Event mit ihren Teams eigene Lines und Sprünge bauen. Die Jury bewertet die Schwierigkeit, Ausführung und den Gesamteindruck der Runs und Tricks. Dabei gilt: Je höher, weiter, riskanter – desto besser! Trotz umfangreicher Schutzausrüstung bleibt das Verletzungsrisiko dabei hoch. Wohl auch deshalb zieht das Event weltweit zahlreiche Zuschauer und Medien weltweit an und ist bekannt für spektakuläre, riskante Fahrten und beeindruckende Tricks.
Warum ist eine Womans Kategorie bei der Rampage so wichtig?
Frauen von großen Events auszuschließen, hat Konsequenzen. Ohne Medienpräsenz sind die Athletinnen unattraktiver für Sponsoren, was die Existenz als Profi erschwert. Außerdem fehlt die Vorbildfunktion für Nachwuchsfahrerinnen. Bei anderen Freeride-Events, wie Crankworx oder die Fest Series, gibt es mehr Gleichberechtigung bei der Teilnehmer- bzw. Teilnehmerinnenzahl. Das Ergebnis? Das Level der Fahrerinnen steigt Jahr um Jahr und ist höher als je zuvor. Eine Bühne bei der Rampage war also überfällig.