Status quo: Die Sache mit den Laufradgrößen
Nach 27,5 und 29 Zoll kündigt sich die nächste Laufrad-Revolution an: 32-Zoll-Reifen wurden erstmals auf der Cycling World in Taipeh und auf der Eurobike gesichtet – und bescheren uns nun die ersten Prototypen-Bikes, die im Netz und auf den Rennstrecken auftauchen. Braucht es wirklich noch größere Laufräder? Die Frage beschäftigt die Branche, denn Laufradgrößen sind ein heißes Thema beim Mountainbiken. Lang vorbei sind die Tage, an denen 26-Zoll-Laufräder die einzige Option waren. Die meisten Fahrerinnen und Fahrer kennen heute vermutlich zwei Laufradgrößen: 27,5 Zoll und 29 Zoll oder den Mix aus beiden beim Mullet-Setup.
Jetzt also 32 Zoll?!
Auf der Taipeh Cycling World wurden die ersten Cross-Country-Reifen mit 32 Zoll Durchmesser von Maxxis gesichtet. Auch auf der Eurobike-Messe bestätigt sich: Das ist kein Einzellfall. Das 32-Zoll-Thema war in aller Munde. Hier zeigte Reifenriese Maxxis den serienreifen Aspen-XC-Reifen. Wir konnten mit Ulrich Guppenberger von Maxxis sprechen.

„Die Branche geht diesmal durchdachter vor.“
Wir bei Maxxis haben mit dem Aspen bereits einen serienreifen 32-Zoll-Reifen für den XC-Bereich – so viel kann ich sagen. Auch andere Hersteller entwickeln in diese Richtung. Wann genau das Format kommt, lässt sich schwer sagen – aber in den nächsten Jahren wird da sicher etwas passieren. Ob im Cross-Country, Tourenbereich oder vielleicht sogar im Gravel-Segment – das ist aktuell noch offen.
Die Reifen sind tatsächlich das kleinste Problem. Komplexer wird es bei Federgabeln, Laufrädern und vor allem den Rahmengeometrien. Die größeren Laufräder müssen in die Bikes passen und trotzdem steif und stabil bleiben. Ich glaube aber, die Branche hat aus den Umstellungen von 26 auf 29 Zoll gelernt – diesmal geht man durchdachter vor.
Die Vorteile sind klar: mehr Auflagefläche, besserer Abrollwinkel, höhere Geschwindigkeit und mehr Sicherheit – gerade auf schweren, anspruchsvollen Strecken. Ich kann mir gut vorstellen, dass 32 Zoll sogar perfekt für Gravelbikes sein könnte. Dort braucht es keine Federgabel, was die Integration erleichtert – und das größere Laufradformat würde dem Fahrverhalten enorm zugutekommen.
Übersicht: Diese 32-Zoll-MTBs gibt es
Bike Ahead Project 32

Große, namenhafte Hersteller tun sich (noch) schwer mit 32-Zoll-Bikes. Da sind kleinere, exklusive Marken von Haus aus agiler um bei dem Megatrend des Radjahres 2025 mitzuwirken. So wie die Carbonspezialisten von Bike Ahead, die ihre feschen Carbonrahmen per Hand in der Nähe von Würzburg fertigen, haben sich ihrem "The Frame" angenommen: Der eigentlich auf 29-Zoll konzipierte Hardtailrahmen wurde am Heck verlängert und minimal in der Geometrie angepasst. So passen die 32-Zoll-Laufräder in den Rahmen. Apropos: Die ikonischen BiTurbo-Laufräder mit sechs Speichen wurden ebenfalls auf die "Riesenräder" optimiert, sodass die Main-Franken nun in die weitere Erprobung des neuen Laufradmaß einsteigen können. Ab davon finden sich coole Parts am Conceptbike, welches 9,6 kg wiegt: Der irrwitzige 40-Grad negativgeneigte Vorbau in 50 mm Länge ist indes eine Spezialanfertigung von den Fräspäbsten rund um Radoxx, die auch Frästeile für Intend, 612 oder Bikehersteller im Allgäu fertigen.
Stoll Bikes
In der Schweiz gibt man sich experimentierfreudig: Die Boutique-Brand testet an einem Aluminiumbike ein 32-Zoll-Setup. Wie seine Mitstreiter ist besonders die Geometrie offenbar in der Erprobungsphase. Besonderes Augenmerk fiel bei unserer Recherche auf die Federgabel: Anders als bei bisherigen Prototypen kommt keine Upsidedown-Federgabel zum Einsatz. Wer bei einem YouTube-Video von dem Rad genau hinschaut, fühlt sich bei den Einstellungsknöpfen am Kopf der Gabel an ein Fox-Modell erinnert. Gut möglich, dass die US-Amerikaner bereits an einer 32-Zoll-Gabel feilen!
Ballern Cycles
Richtig pfiffig gibt sich der Rahmen von Ballern Cycles Erstlingswurf: Dank zweier Tretlager ist der Rahmen sowohl mit 29 als auch 32-Zoll kompatibel, sodass man den Custom-Rahmen schon jetzt anschaffen könnte, um zukunftsfähig zu sein. Das Messe-Bike von der Bespoke in Dresden kommt mit Starrgabel und gerschraubten T47 Innenlager. Auch das Ausfallende ist für maximale Variablilität einstellbar, im Rahmendreieck ist Platz für eine große Tasche – der Anspruch ist klar: Das Rad will auf XXL-Touren oder auch Tagestrips überzeugen.
Leovelo

Mächtig was her fürs Auge macht das Leovelo mit Starrgabel: gefertigt werden die Stahlrahmen in Leipzig. Farbenfroh ist die Optik gewählt, bei den Parts wird auf ein edles Monocoque-Cockpit von Bike Ahead zurückgeriffen, ebenso bei Sattelstütze, Sattel und Carbonlaufradsatz. Die Zugführung wirkt sehr aufgeräumt, ebenso die Klemmung der Sattelstütze. Grober Kostenpunkt für einen Rahmen laut Herstellerwebsite: Zirka 1000 Euro.
KTM Sixty Four 32-Zoll-Hardtail
Auch die österreichischen Artgenossen von KTM machen sich an das neue Trendthema. Die Mattighofener haben das Prototypenbike frech mit zum XC-Weltcup gebracht, wo das Bike natürlich von vielen Bikemedien abgelichtet wurde. Offizielle Infos oder Bildmaterial gibt es nicht, weswegen wir uns hier mit einem eingebetteten Instagram-Beitrag behelfen:
Was wir bisher über das Rad wissen: Aktuell wird bei vielen Herstellern im Zusammenhang mit 32-Zoll-Bikes nach einer passenden Geometrie gesucht. Ergo ist auch das weiß-grüne Ungetüm als Basis für verschiedene Tests zu verstehen. Weil eine Upside-Down-Federgabel ohne Gabelbrücke auskommt und somit auch 29-Zoll-Modelle für 32-Zoll Versuchsfahrten kompatibel sind, wird hier auf eine Intend-Forke gesetzt. Bei den Reifen sind, wie bei vielen weiteren 32-Zoll-Projekten die Maxxis Aspen gesetzt – schlichtweg sicher auch, weil noch keine anderen Modelle verfügbar sind. Spannend: Die Laufräder scheinen vom französischen Kulthersteller Mavic zu stammen – so zumindest der Aufkleber. Scheinbar ist die Traditionsmarke entschlossen auch bei den Riesenrädern mitzuwirken. Damit der Lenker angenehm niedrig positioniert ist, verbaut KTM einen negativen Vorbau.
Faction Bike Studio Big Ben
Auf der Eurobike am Stand von Reifengiganten Maxxis, die übrigens aktuell einer der wenigen sind die 32-Zoll-Reifen anbieten (siehe Interview), ist uns das Concept Bike von Faction Bike Studio vor die Linse gefahren. Es setzt auf einen gemufften Aluminium-Rahmen und auf 120 mm Federweg an Bug und Heck. Beim Fahrwerk kommt deutsche Kleinserienkunst von Intend zum Einsatz bestehend aus Hover-Dämpfer und Samurai-Gabel. Apropos klein: Der kanadische Hersteller ist mit rund 30 Mitarbeitern sehr agil und wird nach eigenen Angaben die Forschung und Entwicklung von 32-Zoll-Bikes fortführen.
Dirty Sixer Big Ben

David Folch ist selbst 1,98 m groß und bietet mit Dirty Sixer Bikes mit 32 oder sogar 36 Zoll an. Zu den Kunden zählen prominente Basketball-Stars wie Shaquille O’Neal und Dirk Nowitzki.
Pionier Dirty Sixer geht einen Schritt weiter: Gründer David Folch baut Bikes für Menschen über zwei Meter – und präsentiert stolz das erste Serien-MTB mit 32-Zoll-Laufrädern. Selbst die Reifen ließ er auf eigene Kosten bei Vee Tire fertigen. Faction Bike Studio aus Kanada hatte einen Prototyp namens "Big Ben" mit 120 mm Heckfederweg am Maxxis-Stand platziert.
Erste Prototypen hat Gründer David Folch bereits vor acht Jahren entwickelt. "Doch erst mit eigenen Felgen und Reifen ist jetzt die Zeit für den Marktstart gekommen", erklärt David und spricht von Vorteilen wie besserem Rollverhalten, höherem Momentum oder größerer Aufstandsfläche.
BMC Project Fahrenheit

Unter dem Label "Impec-Lab" entwickelt BMC traditionell seine neuen Bikes. Wo dieses Label draufsteht, ist fast immer etwas ganz Spannendes drin: so auch im Fall dieses Prototyps.
BMC sorgte beim Worldcup-Wochenende in Andorra mit einem Prototyp für Gesprächsstoff: Mit großen 32-Zoll-Laufrädern testen die Schweizer wohl die neue Laufradgröße auf ihre Vor- und Nachteile. Eine zeitnahe Serieneinführung scheint jedoch kein Thema zu sein.
Das sagt die Mountainbike-Community
Die Reaktionen auf den sozialen Medien sind gespalten, manch groß gewachsener freut sich über eine ausgewogenere Geometrie an seinem Bike. Andere witzeln, dass sie noch nicht einmal auf den 29-Zoll-Trend aufgesprungen sind. Und: kommt dann noch ein 30,5-Laufrad für das Mullet-Setup?
Auch als Gary Fisher 1999 die ersten 29"-Bikes entwickelte, lief das Thema in den folgenden Jahren schleppend voran. Damals waren 26-Zoll noch Standardgröße, 29-Zoll-Laufräder wurden von vielen als zu groß und schwerfällig abgetan. Doch mit zunehmender Weiterentwicklung der Technologie und des Designs setzten sich 29-Zoll-Räder immer mehr durch und sind heute Goldstandard.
Das sagt die MOUNTAINBIKE-Redaktion zu 32-Zoll

Mein Motto lautet: Hinterfrage immer den Status quo. Genau das passiert gerade wieder in Sachen Laufradgrößen, nachdem auf der Messe in Taipeh nun die ersten 32-Zoll Reifen gezeigt wurden. Nino Schurter soll angeblich bereits Testfahrten machen – das klingt für mich wie ein logischer Schritt.
Man muss es zumindest einmal versuchen. Für die schnellen XC-Kurse, auf denen es im Schlusssprint um Hundertstel geht, kann eine höhere Rotationsmasse von Vorteil sein. Und dass größere Laufräder im Gelände besser über Hindernisse abrollen, muss man ja mittlerweile nicht mehr erklären.
Dass diese Bikes dann schnell für Endkunden verfügbar sind, liegt an der Geschwindigkeit der Branche, in der es kurze Wege gibt und viele Tüftler neue Trends rasch umsetzen, um sie am Markt zu testen. Für großgewachsene gibt es 32-Zoll-Modelle ja ohnehin schon länger. Es wird also wieder spannend – bleibt nur zu hoffen, dass die UCI mitzieht und nicht, wie jahrelang im Rennradbereich, zum Hemmschuh wird. Ich jedenfalls habe große Lust, den neuen Trend zu testen, zu bewerten und darüber zu diskutieren.

Bitte nicht schon wieder! Dieser Gedanke schoss mir durch den Kopf, als ich von den ersten 32-Zoll-Sichtungen hörte. Nachdem sich nach langem Hin und Her nun überwiegend 29-Zoll-Laufräder in vielen Kategorien und auch in meiner persönlichen Radgarage durchgesetzt haben, war nahezu Ruhe in das MTB-Standardwirrwar mit Laufrädern, Reifen und anderen Parts eingekehrt.
Um jetzt mein Sammelsurium aus persönlichen Lieblingsreifen oder den für mich als Racer so wichtigen Wechsellaufrädern wieder komplett auf einen neuen Standard zu hieven, fehlt mir neben den Nerven auch das Geld. Doch das ist genau, was die Radindustrie jetzt will: Durch neue Innovationen die Kaufimpulse ankurbeln.
Per se funktioniert der Markt so. Nur ob man für sein Hobby in Zeiten von geopolitischen und wirtschaftlichen Krisen drei Zoll Reifengröße am MTB mehr braucht? Fraglich! Dass bei diesen "Riesenrädern" vor allem größer gewachsene Fahrer profitieren sollen, lassen meine 176 cm messende Frohnatur hoffen, dass der große 32-Zoll-Trend an uns vorbeizieht, wie so manch andere, "großartige Innovation".





