Wer günstig kauft, kauft zwei Mal – das behauptet jedenfalls der Volksmund. Und zugegeben: Oft ist an dieser Weisheit auch etwas dran. Dennoch wollen wir dem aus China stammenden Touroll MA2 natürlich eine faire Chance geben, denn heißt es nicht auch, dass die Ausnahmen die Regel bestätigen? Schauen wir uns das mit aktuell 879 Euro wirklich extrem preisgünstige E-Bike mal näher an. Übrigens: Weitere günstige E-Bikes haben wir hier in der Test-Zusammenfassung.

Als BikeX-Redakteur nehme ich quasi wöchentlich neue E-Bikes unter die Lupe: vom stylischen City-Flitzer bis zum SUV auf zwei Rädern. Dabei frage ich mich oft nicht nur, wie viel Drehmoment wirklich nötig ist, sondern auch, warum ausgerechnet bei Regen der Bordcomputer wie ein Weihnachtsbaum blinkt. Ich teste mit Neugier, einer Portion Skepsis – und daher meist mit matschigen Schuhen.
In unseren Tests prüfe ich nicht nur Zahlen und Daten, sondern vor allen Dingen, ob ein Bike im Alltag wirklich funktioniert: Wie fährt es sich im Feierabendverkehr, mit Einkaufstasche am Gepäckträger oder auf matschigen Waldwegen? Ich höre aufs Motorgeräusch, spüre, was der Rahmen macht – und freue mich natürlich, wenn mich ein Bike einfach grinsend vom Hof rollen lässt.
Meine Meinung: Gute E-Bikes erkennt man daran, dass man gar nicht mehr darüber nachdenkt, ob man gerade mit oder ohne Unterstützung fährt.
Kurz & knapp: Touroll MA2
- 24,4 Kilo schweres Stadt-E-Hardtail mit Alu-Rahmen
- "One-Size"-Rahmen, soll für Piloten zwischen 1,60 und 1,95 m passen
- angetrieben von einem Ananda-Mittelmotor (max. 70 Nm)
- entnehmbarer 468-Wattstunden-Akku, kleines Lenkerdisplay
- keine Angabe zu Systemgewicht oder Zuladung
- UVP: 1099 Euro, ständig für 879 Euro im Angebot
Erstaunlich: Mittelmotor und recht großer Akku!
Der erste Anblick überrascht: Wer beim Touroll bei dem Preis fest mit einem Nabenmotor rechnet, irrt gewaltig. Stattdessen setzt das MA2 auf einen Ananda-Antrieb aus dem Reich der Mitte. Der soll gar nicht mal geringe 70 Newtonmeter Drehmoment leisten, über die Spitzenleistung schweigen sich die Chinesen jedoch aus. Etwas baff sind wir auch beim Akku: 468 Wattstunden sind für den Preis echt ein Wort. Welcher Akku zu dir passt, sagen wir dir hier. Geschaltet wird sogar mit einer Tourney-Kettenschaltung von Shimano, immerhin sieben eng gestufte Gänge liegen vor. Die Brems-Hardware stammt von "Logan" – einem uns gänzlich unbekannten Hersteller. Kleine 160er-Scheiben verbaut Touroll, das ist in der Ebene okay, bei nachgewogenen 24,4 Kilo würden wir jedoch für Bergetappen anderes, namhafteres Material und mindestens 180-mm-Scheiben bevorzugen.
Einfache, aber funktionale Ausstattung
Der Alu-Rahmen ist dabei als "One-Size"-Variante ausgestattet und soll Piloten zwischen 1,60 und 1,95 m beheimaten können. Allzu groß sollten Piloten jedoch nicht sein, wir waren beim Fotofahrer mit seinen 1,85 gefühlt schon an der Grenze des Bequemen. Zum Kampfpreis gesellt sich ansonsten eine vollständig alltagstaugliche Grundausstattung. Ein rudimentärer Gepäckträger ist dementsprechend genauso dabei wie ein Frontlicht, Rücklicht, Klingel und gut funktionierende Spritzschützer. Klar: Wertig ist davon nach eingehender Betrachtung nichts so wirklich – im Alltag hatten wir damit jedoch keine Probleme.
Garantie und Risiko?
Und wie schaut's mit den Garantieleistungen aus? Dazu macht Touroll ausgiebig auf deren Webseite Auskunft. Die Eckdaten sind die folgenden: Auf den Rahmen gibt es drei Jahre Garantie, je ein Jahr gibt Touroll für die Gabel, Lenkersteuerung, Motor und Ladegerät. Schade: Sowohl Batterie, Display, Kettenblatt, Freilauf, Bremse als auch das Rücklicht haben jeweils nur sechs Monate Garantie. Kurios: Auf den Seitenständer und die Pedale gewähren die Chinesen nur drei Monate, "weiteres" nur vierzehn Tage. Ulkig daran: Auf der Webseite warb der Hersteller noch mit einer auf zwei Jahre erweiterten Garantie auf Motor und Batterie – was wir sehr begrüßen würden. Wie Touroll Garantiefälle im Zweifelsfall handhabt, können wir indes nicht sagen. Insgesamt muss man aber festhalten, dass etablierte europäische Hersteller in diesem Hinblick klar besser aufgestellt sind.
Im Alltag gefahren: Touroll MA2
Wir bekamen das Touroll wie angepriesen vormontiert in die Redaktion – vorsichtshalber checkten wir wie bei allen Testrädern jedoch vor Abfahrt noch einmal jede Schraubverwindung. Wer jetzt erwartet, wir müssten hier Warnungen aussprechen, der sei beruhigt: Alle Schraubverbindungen waren fest, einzig die Kettenschaltung etwas verstellt. Das kann passieren, übrigens auch deutlich teureren Herstellern, und ist kein Beinbruch. Noch Luft in die Kenda-Bereifung gepumpt und los geht's. Direkt fällt der erstaunlich leise Ananda-Motor auf. Die 70 Nm will man ihm gerne glauben, im Stadtverkehr schlägt er sich wacker. Was wundert, sind die Fahrstufen: Der Ananda unterstützt in jeder Fahrstufe gleich, was sich ändert, ist die Unterstützungsgrenze. Nur im höchsten, fünften Modus, gibt der Ananda bis zur 25-km/h-Grenze Gas, die kleineren Zahlen ziehen je Modus drei km/h ab und unterstützen genauso kräftig, koppeln aber eben eher aus. Das wirkt unausgegoren und mutet im Gegensatz zu modernen Systemen von Bosch und Shimano seltsam an, weswegen wir den Test in der "höchsten" Unterstützungsstufe fortführten.
Ansonsten schlägt sich das Touroll durchaus befriedigend im Alltag. Es ist erstaunlich wuselig, der Geradeauslauf geht in Ordnung, kann aber mit anderen günstigen E-Bikes nicht mithalten. Die Kenda-Reifen grippen insgesamt gut, sind aber reine Straßenarbeiter. Die No-Name-Bremse "Logan" funktioniert für defensive Naturen in Ordnung, jede vermeintlich billige Shimano MT200 ist aber deutlich kräftiger und temperaturfester. Was uns aufstößt, sind die 160er-Bremsscheiben. Das ist am Rennrad okay, an schweren E-Bikes verbieten sich solche Experimente jedoch. Kurz: In der Ebene gerade noch okay, im Mittelgebirge ein Risiko.
Ansonsten kann man dem Touroll erfreulich wenig vorwerfen. Die Lichtanlage geht in Ordnung, die Bedienung ist selbsterklärend, Fahrkomfort dank der rudimentären Stahlfedergabel durchaus gegeben. Dass die Restreichweitenanzeige manchmal etwas erratisch ist, dürfte zukünftigen Touroll-Piloten und den vermutlich eher kurzen Wegen zum Bäcker, zur Arbeitsstelle oder anderweitigen kurzen Ausfahrten kaum stören. Ein klassisches Tourenrad ist das Touroll in unseren Augen nicht.
Die zweite Meinung: Touroll MA2

Ich bin ehrlich: Ich bin alles, nur kein Fahrradfahrer. Normalerweise nehme ich für meinen Arbeitsweg das Auto. Wegen der nervigen Parkplatzsuche, dem teuren Sprit und natürlich den Instandhaltungskosten komme ich aber immer öfter ins Grübeln. Daher kam mir auch das Touroll gerade recht. Ich würde vermutlich nie mehr als 1000 Euro für ein Fahrrad ausgeben, ob mit oder ohne Motor, wäre mir dabei fast egal. Daher reicht mir das "China"-Rad hier auch vollkommen. Der Motor ist kräftig, der Fahrkomfort in Ordnung, der Akku für meine Mietswohnung zum Laden easy enthembar. Mehr brauche ich persönlich nicht. Beim Fotografieren konnte ich dann ein anderes E-Bike fahren, das knapp sechsmal so viel kostet. Macht es vieles selbst in meinen Laienaugen besser? Ja. Wäre es mir das wert? Nein. Insofern kann ich für meinen Einsatzzweck echt eine Lanze für das Touroll brechen. Aber auch ich weiß: Viel erwarten, sollte man von dem Rad nicht. Dafür wird man dann auch nicht enttäuscht.
👍 Das gefällt
- insgesamt zufriedenstellende Fahreigenschaften
- Licht, Gepäckträger, Spritzschutz – alles inklusive
- für den Kaufpreis erstaunlich großer Akku
- erfreulich leiser, durchaus kräftiger Motor
👎 Das weniger
- maue Bremsanlage, in der Stadt gerade noch okay
- Motor unterstützt nur in Stufe 5 bis 25 km/h
- nachts zu hell hinterleuchtetes Display
- Reichweitenanzeige springt oft hin und her
- altbackene Optik
💗 Das perfekte Rad für ...
- ... Radfahrer mit wenig Anspruch und engem Portemonnaie