Vollgefedert und voll ausgestattet: Das Riese & Müller Homage5 hat alles, was das Herz begehrt – ist aber selbstredend kein Budget-E-Bike. In unserer Ausstattung kostet es sagenhafte 8599 Euro in der Basis, der Preis ist je nach Konfigurator-Kreuzchen noch etwas steigerbar. Ob sich das lohnt, schauen wir uns natürlich genauestens an. Derweil gilt: Weitere günstigere E-Bikes ab fairen 900 Euro haben wir hier in der Test-Zusammenfassung.

Als BikeX-Redakteur nehme ich quasi wöchentlich neue E-Bikes unter die Lupe: vom stylischen City-Flitzer bis zum SUV auf zwei Rädern. Alle getesteten Räder findest du hier in der Übersicht! Dabei frage ich mich oft nicht nur, wie viel Drehmoment wirklich nötig ist, sondern auch, warum ausgerechnet bei Regen der Bordcomputer wie ein Weihnachtsbaum blinkt. Ich teste mit Neugier, einer Portion Skepsis – und daher meist mit matschigen Schuhen.
In unseren Tests prüfe ich nicht nur Zahlen und Daten, sondern vor allen Dingen, ob ein Bike im Alltag wirklich funktioniert: Wie fährt es sich im Feierabendverkehr, mit Einkaufstasche am Gepäckträger oder auf matschigen Waldwegen? Ich höre aufs Motorgeräusch, spüre, was der Rahmen macht – und freue mich natürlich, wenn mich ein Bike einfach grinsend vom Hof rollen lässt.
Meine Meinung: Gute E-Bikes erkennt man daran, dass man gar nicht mehr darüber nachdenkt, ob man gerade mit oder ohne Unterstützung fährt.
Kurz & knapp: Riese & Müller Homage5 Pinion
- 33,9 Kilo schwereres, vollgefedertes High-End-E-SUV
- angetrieben von Ponion MGU mit 12 Gängen
- alternativ auch mit Bosch CX5 erhältlich
- 800 Wattstunden Akku
- 120 mm Federweg vorn und hinten
- wartungsfreier Gates-Carbonriemen statt Kette
- voll ausgestattet mit Licht, Spritzschutz & Co.
- nur als Tiefeinsteiger erhältlich
- Preis: ab 8599 Euro (mit Pinion MGU)
Alles dran und drin: riesiger Akku, Superman-Motor
Bei seiner Vorstellung zur Eurobike 2023 war er das dominierende Thema der Messe: Pinions Motor Gearbox Unit, kurz "MGU" getauft, steckt im Alu-Rahmen des Riese & Müller Homage5. Der Clou des Antriebs: Die MGU vereint, wie der Name schon sagt, E-Antrieb und Schaltgetriebe in nur einem Gehäuse. Für den Kraftschluss sorgt dabei je nach Hersteller eine klassische Kette oder, wie im Fall des Testrads, ein wartungsfreier Carbonriemen. Eine Schaltung am Hinterrad benötigt man natürlich nicht, zwölf manuell oder vollautomatisch schaltende Gänge stecken direkt im Gehäuse und sind dank Ölbad quasi wartungsfrei. Quasi, denn einzig ein Ölwechsel zwingt das Riese & Müller nach 10000 Kilometern in die Werkstatt, ansonsten bleibt das System fest verschlossen. Zünftige 85 Newtonmeter soll er im Mittel leisten können, im ersten Gang liegen laut Hersteller wohl sogar wahnwitzige 160 Nm an. Davon ab braucht sich der Motor vor der Konkurrenz von Bosch & Co. nicht zu verstecken. Im Homage 5 kommt zudem der riesige 800-Wattstunden-Stromspeicher zum Einsatz. Übrigens: Welcher Akku zu dir passt, sagen wir dir hier. Wichtig zudem: Das Homage5 gibt es auch mit Boschs CX-Motor der fünften Generation – auch mit 800er-Akku und optionalem Range-Extender und wahlweise mit Kettenschaltung oder Rohloff-Nabe. Selbst eine S-Pedelec-Variante bietet Riese & Müller an!
Alles vom Feinsten: Die Ausstattung
Einen "Tiefeinsteiger der Extraklasse" nennen die Darmstädter ihr E-Bike. Ein Blick in die Komponentenliste bestätigt diesen Eindruck: Riese & Müller verbaut nur, was gut und teuer ist. Beispiel? Das Fahrwerk stammt aus Fox' AWL-Serie und bietet satte 120 mm Federweg und ist selbstredend vielfältig einstellbar – inklusive Lockout für einen im Bergsprint wippfreien Hinterbau. Auch die Tektro-Stopper kommen mit großen Scheiben rundherum und sind richtig standfeste und bissige Begleiter, auch bei Vollgas und deftiger Beladung – wichtig bei den nicht leichten 33 Kilo auf unserer Waage. Gleiches gilt für die Beleuchtung: Der M99 Mini-Pro-Scheinwerfer von Supernova ist gleißend hell, auch das TL3-Rücklicht aus gleichem Hause ist top. Schade hingegen ist die Aufpreispolitik: Das (empfehlenswerte!) "Offroad-Kit" mit profilierteren Johnny-Watts-Reifen von Schwalbe und anderen Pedalen schlägt mit 50 Euro zu Buche, ein optionaler Frontgepäckträger kostet satte 170 Euro. Unsere Meinung: Bei dem ohnehin schon saftigen Einstandspreis ist das ein Wort, zumal ein etwas weniger imposanter Gepäckträger sowie ein Komfortlenker kostenfrei im Konfigurator dazugebucht werden können.
Im Alltag gefahren: Riese & Müller Homage5 Pinion
Hier können wir nur wiederholen, was wir neulich beim Konkurrenz-Modell von Bulls bereits festgestellt haben. Die MGU ist auch drei Jahre nach ihrer Vorstellung ein echter Kraftmeier. Egal wie steil der Anstieg: Wie ein Schiffsdiesel zieht der Antrieb den Piloten aus dem Tal den Berg hinauf. Wirklich verstecken braucht sich die MGU vor Boschs CX der fünften Generation nicht, auch wenn die MGU nicht ganz so explosiv voranschreitet, wie der neulich per Firmware auf satte 100 Nm aufgebüchste Branchenprimus von Bosch. Das gilt auch für die Unterstützungsharmonie: Die MGU reagiert feinfühlig auf Pedal-Input, schießt aber beileibe nicht so vehement nach vorn, wie man das von Bosch oder gar DJI derzeit gewohnt ist. Für defensive Piloten ist das aber sicher ein Plus und einem Trekkingrad durchaus angemessen. Was nach heutigem Maßstab hingegen gleich auffällt, ist die Lautstärke am Berg. Gerade die unteren sieben Gangstufen sind je nach Motorlast wirklich laut, je niedriger der Gang, desto kräftiger hört man ein Surren, was auf die Dauer echt nerven kann.
Als ausgereift bezeichnen wir hingegen die Schalt-Automatik: Sie hält, korrekt auf die eigene Trittfrequenz eingestellt, meist den korrekten Gang vor und wählt im Stand sogar (auf Wunsch sogar frei wählbar!) einen leichteren Anfahrgang. Generell ist die Schaltperformance auf hohem Niveau, besonders die hohen Gänge "flutschen" besser rein, als so manche Kettenschaltung. Ausnahmen bilden dabei die Gangwechsel von vier auf fünf und acht auf neun: Da das Pinion-Getriebe als 3 × 4-Gang ausgelegt ist, merkt man hier die Gangwechsel wegen des Wechsels auf eine andere Welle recht deutlich. Wie sich das anfühlt? Ein wenig, als bräuchte das Getriebe eine kurze Gedenksekunde, was den Tret-Rhythmus etwas aus dem Takt bringen kann. Aber: Im Alltag spielt das wohl eher selten beim Homage5 eine Rolle – bei hastigen E-MTB-Auffahrten würden wir diesen Malus schon schwerwiegender einstufen, als bei einem eher gemütlichen Tourer.
Fahrerisch kann man das Homage5 als wohltuend unauffällig bezeichnen. Touring wird hier großgeschrieben, besonders Waldetappen sind dank des vollgefederten Rahmens und der griffigen Schwalbe-Gummis komfortabel abzufahren. Man sitzt entspannt und sehr aufrecht auf dem Radl, auch im Talschuss liegt das Riese & Müller satt auf Asphalt und Waldboden. Kurzum: Ein richtig gemütlicher, äußerst kommod gefederter Tourer für richtig ausgedehnte Ausfahrten.
👍 Das gefällt
- ausgesprochen bequemes Fahrwerk
- kräftiger Motor, reichweitenstarker Akku
- sehr gute, dem Preis angemessene Ausstattung
- sehr gute Bremsanlage
👎 Das weniger
- Motor ist – besonders nach heutigem Maßstab – kein Leisetreter
- Schaltstufen mit spürbaren Sprüngen
- alles, aber kein Schnäppchen
- mit gewogenen 33 Kilo sehr schwer
💗 Das perfekte Rad für ...
- … Tourenfreunde mit allerhöchstem Komfortanspruch und prall gefülltem Portemonnaie





