"Wer günstig kauft, kauft zweimal" weiß der Volksmund. Aber heißt es nicht auch, dass die Ausnahme oft die Regel bestätigt? Wo also steht der mit 1599 Euro äußerst günstige E-Tiefeinsteiger der Lidl-Eigenmarke Crivit? Der BikeX-Test klärt's auf.
Schicker Rahmen, gute Verarbeitung
Schauen wir uns zunächst den Alu-Rahmen des Tiefeinsteigers an. Die Schweißnähte sind sauber überschliffen, allenfalls am Tretlager sind sie etwas naturbelassener. Die Kabel führen wie derzeit Mode direkt in den Rahmen und sind sogar ummantelt, was die Optik nochmals cleaner macht. Einzig die Leitung der Vorderradbremse liegt für uns gefährlich nah am Steuerkopf an – hier sollte man selbst mit etwas Rahmenfolie unschönen Scheuerstellen vorbeugen. Lidl gibt ein zulässiges Gesamtgewicht von guten 140 Kilo an – wobei der Discount-Riese 20 Kilo für den stabilen Gepäckträger vorsieht. Die von Lidl angegebenen 100 Kilo Fahrergewicht sind in Anbetracht der Tatsache, dass es das E-Bike nur als One-Size-Rahmen gibt, aber in unseren Augen in Ordnung.
Pfiffiges Antriebskonzept, einfache Ausstattung
Clou am mit 20,8 Kilo erfreulich leichten City-Rad ist das Antriebskonzept: Als Motor fungiert ein Mivice-Nabenmotor mit guten 40 Newtonmeter Drehmoment im Hinterrad. Der mit 360 Wattstunden nach heutigen Maßstäben eher kleine Akku sitzt dabei nicht wie üblich im Unterrohr, sondern in der Sattelstütze. Aus dem Sattelrohr ziehen und aufladen gelingt spielend leicht; der Akku-Anschluss sitzt dabei gut geschützt unter dem Sattel, ein Schloss schützt den Speicher im Rahmen vor Langfingern.
Irgendwo muss der Kampfpreis aber herkommen – und hier spart Lidl nicht so treffsicher wie noch zuvor beim Motor. Fangen wir bei der fehlenden
Gangschaltung an. So aufgeräumt das Crivit auch ausschaut, so seltsam mutet das Konzept für Gefilde mit Höhenunterschieden in Deutschland und Umgebung an. Während man in der Ebene prima mit den drei Unterstützungsstufen und Boost auf Knopfdruck haushalten kann, zieht eine Steigung schnell am ohnehin schon kleinen Stromspeicher. Andersherum: Was nicht verbaut ist, kann auch nicht kaputtgehen oder muss aufwendig gewartet werden – zumal der Gates-Carbon-Riemen unserer Erfahrung nach ein waschechter Dauerläufer ist. Gleiches gilt für die Shimano-Bremse. Die verbaute MT200 ist preiswert im Unterhalt und funktioniert gut, die kleinen 160er-Scheiben rundherum sind in unseren Augen aber für schwere Piloten ungeeignet, der Fahrradhändler um die Ecke hilft hier weiter.Schade: Das Crivit kommt ohne Display und somit ohne genaue Akku- oder Geschwindigkeitsanzeige aus. Einzig der Einschaltknopf zeigt über Farben und Striche Fahrmodus und Akkustand in Viertelschritten an. Abhilfe könnte die fest in den Vorbau integrierte SP-Connect-Handyhalterung für entsprechende Handyhüllen schaffen. Keine große Kritik gibt's an der weiteren Ausstattung. Der Seitenständer ist solide, die Lichtanlage in Ordnung, die Spritzschützer machen ihren Job ordentlich.
Im Alltag gefahren: Crivit Urban E-Bike Y.2
Also Motor-Knöpfchen gedrückt, den Sattel dank gut greifbarer Klemme auf die Sitzhöhe eingestellt und ab dafür! Zugegeben: Es mutet schon etwas seltsam an, dass das Crivit gar kein Display besitzt und nur über den Einschaltknopf über Unterstützungsmodi und Akkustand grob aufklärt – aber man gewöhnt sich dran. In der Ebene spurtet das Discounter-Rad dank des kräftigen Mivice-Nabenmotors gut nach vorn und braucht sich nicht groß hinter stärkeren Mittelmotoren zu verstecken. Auffällig ist dabei einmal mehr die geringe Geräuschentwicklung eines Nabenmotors im Vergleich zu den Tretlager-Konkurrenten. Durch die Stadt gefahren gefällt das Crivit mit einer treffsicheren Linie, allenfalls im Talschuss wird es für Tiefeinsteiger typisch etwas instabiler. Apropos: Größte Problemzone dürfte für Piloten in hügeligen Gegenden die fehlende Gangschaltung sein. Entweder man hat dicke Waden (oder möchte diese haben) – oder man nutzt den Motor als Booster. Das nagt kräftig am Akku – siehe unsere Reichweiten-Berechnungen in der Tabelle unten. Wichtig hierbei: Wer in flacheren Gefilden wohnt, bekommt je nach Fahrstil dramatisch mehr Kilometer aus dem kleinen Akku gekitzelt.
Fazit
Das von Lidl verkaufte Crivit ist im besten Sinne eine echte Wundertüte: Die Verarbeitung passt, der kleine Hecknabenmotor schiebt gut vorwärts, der Akku reicht für den Alltag locker, auch die Anbauteile sind weitestgehend passend. Konzeptbedingt verzichtet Lidl auf eine Gangschaltung – das geht zulasten der Reichweite, wenn es doch häufiger Bergauf geht. Zu kritteln gibt's zudem an den kleinen Bremsscheiben, unter Nickeligkeiten zählen wir das fehlende Display samt Tacho. Dennoch: Für sehr Preisbewusste und/oder Einsteiger ist das Lidl-E-Bike für das Geld ein buchstäbliches und auch nach Punkten gutes City-Bike.
Ergebnis
👍 Das gefällt
- äußerst preiswert und doch praxistauglich ausgestattet
- erstaunlich kräftiger Nabenmotor
- zufriedenstellende Anbauteile
👎 Das weniger
- kleine 160er-Bremsscheiben rundherum
- starre Gabel bietet eher wenig Komfort
- keine Gangschaltung, nicht ideal hügelige Umgebungen
💗 Das perfekte Rad für ...
- City-Pendler, die auf guten Radwegen und Straßen unterwegs sind.