Chefs von Landesrundfahrten haben große Pläne

TV-Talk mit deutschsprachigen Rundfahrtchefs
Chefs von Landesrundfahrten haben große Pläne

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Zuletzt aktualisiert am 21.11.2024
Thomas Pupp mit Oliver Senn und Fabian Wegmann
Foto: Maria Hörhager

In einem Talkshowformat haben hochkarätige Gäste über Gegenwart und Zukunft der größten Radrundfahrten im deutschsprachigen Raum diskutiert: Tour of Austria-Direktor Thomas Pupp begrüßte Tour de Suisse-Chef Olivier Senn – der auch die Rad-WM in Zürich organisierte – und Ex-Radprofi Fabian Wegmann, Sportlicher Leiter der Deutschland Tour und zahlreicher Eintagesrennen in Deutschland. Gesprächsthemen waren die Herausforderungen für die drei großen Landesrundfahrten im DACH-Raum und innovative Zukunftsideen. Das Zusammenkommen war nach Angaben des Veranstalters eine Premiere dieser Art, die Zusammenarbeit soll intensiviert werden.

Der TV Talk der Tour of Austria mit Namen Windschatten
Maria Hörhager

Gemeinsam haben die drei größten Landesrundfahrten der Schweiz, Deutschland und Österreich die deutsche Sprache. Davon abgesehen bestehen enorme Unterschiede zwischen den Veranstaltungen, vor allem was die Finanzierung betrifft. Für die Tour de Suisse gilt laut Renndirektor Olivier Senn: "Einnahmen aus dem Tourismus – für den der Radsport eine unglaubliche Bühne bietet – samt öffentlicher Gelder belaufen sich bei uns auf 15 Prozent. Der Rest wird über Sponsoren abgedeckt. Und zwei Drittel der Etappenorte bewerben sich aktiv bei uns."

"Das sind Werte, wohin wir auch gerne möchten", ergänzte Österreichs Rundfahrtchef Thomas Pupp. "In Deutschland ist der Fußball die absolute Nummer 1", schilderte Fabian Wegmann, der im Organisationsteam der Deutschland-Tour sitzt, die seit 2018 wieder ausgetragen wird und zum Tour de France-Veranstalter ASO gehört. "Nach dem Hype um Jan Ullrich mussten wir in den Städten und Tourismusregionen viel Aufbauarbeit leisten – auch bei Eintagesrennen, wie in Köln, bei den Cyclassics oder beim Münsterland Giro. Wir mussten den Entscheidungsträgern klarmachen, dass der Radsport eine große Chance für sie ist", so Wegmann, ehemaliger Bergtrikotträger bei der Tour de France.

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Sicherheit beschäftigt alle

Drei Todesfälle gab es in den vergangenen zwei Jahren bei großen Radrennen in Österreich und der Schweiz. Der Schock sitzt nach wie vor tief, auch bei den Familienvätern Pupp und Senn. Das Thema Sicherheit wurde entsprechend im Windschatten-Talk ausgiebig diskutiert. Ob die Profirennen gefährlicher wurden? Das sieht Wegmann differenziert: "2011 habe ich meinen Zimmerkollegen Wouter Weylandt nach einem tödlichen Sturz verloren. Das sitzt nach wie vor sehr tief bei mir, auch wenn er leider einen Fahrfehler beging. Grundsätzlich sind Radrennen sicherer geworden durch viele Maßnahmen. Früher gab es zum Beispiel noch Absperrgitter mit Füßen, und die Sicherheitsauflagen wurden auch immer strikter. Aber Fakt ist: Durch das Material und die Aerodynamik werden Rennen immer schneller. Dann sind Konsequenzen bei Stürzen leider dramatischer. Bei uns in Deutschland kommen noch viele Verkehrsmaßnahmen hinzu, die auf Kosten der Sicherheit gehen: Ständig werden neue Verkehrsinseln gebaut. Solche verkehrsberuhigenden Maßnahmen der öffentlichen Hand sind für den Radsport nicht förderlich."

Tour de Suisse plant neues Sicherheitssystem

Olivier Senn sieht ein großes Sicherheitsproblem während Profirennen darin, dass es mitunter zu viele Informationen gibt: "Jedes Team hat Roadbooks, digitale Karten, VeloViewer. Die Realität zeigt aber: Wenn man eine Gefahrenstelle erreicht, kann sie sich alleine durch Regen ganz anders darstellen. Über Funk prasseln dann diese Informationen ein, die bei den Sportlichen Leitern und schließlich bei den Radprofis aufgrund von sprachlichen Barrieren oft auch nicht verstanden werden. Deshalb sind wir an einem System in Echtzeit dran, Gefährdungsstellen visuell darzustellen. Das klappt auch mit Bildern, die zehn Minuten vor der Durchfahrt reingespielt werden."

Thomas Pupp und Olivier Senn mit Radprofi Carina Schrempf
Maria Hörhager

"Wir sind vor gut 55 Jahren zum Mond geflogen. Dann kann es doch nicht sein, dass wir das Verschwinden eines Fahrers oder einer Fahrerin nicht sofort bemerken können", sagte Senn. Bei der Straßen-WM in Zürich war die Nachwuchsfahrerin Muriel Fuhrer nach einem fatalen Sturz in einem Waldstück zunächst nicht entdeckt worden – wichtige Hilfe erreichte sie so zeitverzögert, Fuhrer verstarb einen Tag später. "Deshalb sehen wir das GPS-Tracking als Gebot der Stunde, um künftig die Kontrolle über alle Profis bei Rennen erhalten zu können", so Senn. Senn würde ein GPS-Tracking auch ohne den Weltradsportverband UCI umsetzen, wo auch Pupp mit der Tour of Austria mitziehen würde. Fabian Wegmann ist auch für so ein System, brachte aber einen Einwand bei der Umsetzung: "Was ist, wenn ein Rad wegen technischem Gebrechen getauscht wird? GPS-Tracker müssten am Körper montiert werden und ich sehe hier die UCI in der Pflicht, verbindliche Regeln zu erstellen."

Tour de Suisse-Chef Oliver Senn und der Sportliche Leiter der Deutschland-Tour Fabian Wegmann
Maria Hörhager

Kooperationen der großen Landesrundfahrten?

Ein weiteres Thema waren mögliche engere Zusammenarbeiten zwischen den drei Rundfahrten im deutschsprachigen Raum. Im U23-Bereich wurde bereits vorgezeigt, wie im DACH-Raum Radsportkooperationen zum Beispiel im Zuge der Ausrichtung von gemeinsamen U23-Staatsmeisterschaften der Schweiz, Luxemburgs, Deutschlands und Österreichs funktionieren können.

Einen Schulterschluss wünscht sich hier auch Thomas Pupp von der Tour of Austria – Stichwort größer denken und maximaler handeln: "Warum gastiert die Tour of Austria nicht – es wäre das erste Mal – in der Schweiz oder in Deutschland? Und vici versa? Das Gespräch war sehr informativ und ich hoffe, dass wir einen engeren Austausch bei allen möglichen Themen pflegen. Um gemeinsam unseren Radsport noch weiter voran bringen." Eine Sicht, der die anderen Diskutanten zustimmten.