Endlich ist es da. Eingepackt im Karton steht es im Hausflur – das lang ersehnte, penibel ausgesuchte neue Bike. Doch direkt nach dem Öffnen zeigt sich: Das ist doch die falsche Rahmenfarbe! Extrem ärgerlich und meist mit einer Menge Papierkram und Wartezeit verbunden. Wir erklären genau, was im Fall einer falschen Lieferung zu tun ist. Fachlichen Support geholt haben wir uns dafür bei Rechtsanwalt Dustin Hirschmeier vom Rechtskontor49 in Osnabrück, die sich u.a. auf Fahrradrecht spezialisiert haben.
Kleiner Disclaimer vorab: Wir versuchen, einen allgemeinen Überblick über die Rechte zu geben, auf die sich Radfahrende berufen können. Aber jeder Einzelfall ist anders. Schon Kleinigkeiten können dazu führen, dass ein Sachverhalt komplett anders bewertet werden kann. Unsere Infos können deshalb keine individuelle juristische Beratung ersetzen.
Nach der Online-Bestellung kommt ein falsches Rad an – das solltest du jetzt tun
Wer bei FahrradXXL, LuckyBike, Decathlon oder einem anderen Versandhändler online geshoppt hat und nun mit einer fehlerhaften Lieferung dasteht, darf darauf nicht sitzenbleiben. Etwas anderes geliefert zu bekommen als bestellt wurde, geht nicht – und das ist auch rechtlich so festgelegt. Das solltest du jetzt tun:
Schritt 1: Prüfen, ob ein Versehen vorliegt
Wenn du Ungereimtheiten in deiner Fahrradlieferung feststellst, solltest du als Erstes nach Anhaltspunkten suchen, ob möglicherweise ein Versehen vorliegt. Ist vielleicht offensichtlich, dass der Händler z.B. ein kostenloses Upgrade am Fahrrad vorgenommen hat, weil die bestellten Komponenten nicht mehr verfügbar waren? Liegt im Karton eine Karte bei oder gibt es eine E-Mail mit dem Hinweis auf Lieferschwierigkeiten? Oder findet sich vielleicht irgendwo ein anderer Name, der auf eine Verwechselung der Lieferung hindeuten könnte?
Auch solltest du deinen Kaufvertrag und – sofern noch verfügbar – das Online-Angebot genau ansehen und das Kleingedruckte lesen. Manchmal ist z.B. das abgebildete Bild im Onlineshop nicht genau die Ausführung und Ausstattung, die am Ende verkauft wird. Hierbei gilt, was im Kaufvertrag steht, nicht, was auf den Bildern abgebildet ist.
Schritt 2: Entscheiden – Nachlieferung oder Nachbesserung?
Wenn nach Prüfung der Unterlagen offensichtlich ist, dass dir etwas Falsches geliefert wurde, hast du rechtlich Anspruch auf die Ware, die du bestellt hast. Das ist gesetzlich festgelegt durch die Gewährleistungsrechte. Rechtsanwalt Hirschmeier konkretisiert: "Das Gesetz sieht in diesem Fall einen Sachmangel am Fahrrad als gegeben an. Der Anspruch auf die bestellte Sache ist damit nicht erfüllt. Dem Verkäufer muss jedoch die Möglichkeit eingeräumt werden, diesen Fehler zu beheben, also das richtige Produkt zu liefern bzw. den Mangel zu beheben. Hier spricht man vom Nacherfüllungsanspruch. Das kann er entweder in Form einer Nachlieferung (eine andere, neue Sache) oder Nachbesserung (Reparatur) tun."
Die Entscheidung, welche von beiden Optionen gewählt wird, liegt zunächst einmal beim Käufer selbst. Erst wenn eine Variante unzumutbar ist oder mit unverhältnismäßigen Kosten (im Vergleich zur anderen) verbunden ist, darf der Verkäufer die andere wählen.
Meist ergibt sich der Nacherfüllungsanspruch aus dem Problem selbst: Bei einer falsch eingebauten Schaltgruppe macht es wenig Sinn, ein neues Rad zu verlangen. Ist ein komplett anderes Rad – etwa durch eine Verwechslung – angekommen, dann schon.
Was ist ein Sachmangel? Ein Sachmangel ist die Abweichung einer Ware von der vereinbarten Beschaffenheit. Also z.B. eine falsche Rahmenfarbe, ein Kratzer im Sitzrohr, aber auch ein Defekt im E-Bike-Motor, der nicht sofort auffällt.
Was sind Gewährleistungsrechte? Stellst du bei einer gekauften Ware einen Sachmangel fest, kannst du dich auf die Gewährleistungsrechte (auch Sachmängelgewährleistung, Sachmängelhaftung oder einfach Gewährleistung genannt) berufen. Diese verpflichtet den Händler, innerhalb von zwei Jahren nach dem Kauf einen Mangel, der zum Zeitpunkt der Übergabe vorhanden war, ohne zusätzliche Kosten für den Käufer auszubessern oder eine Ersatzlieferung zur Verfügung zu stellen. Aber: Später auftretende Mängel durch Benutzung führen nicht zwangsläufig zum Gewährleistungsanspruch. Der Händler muss also nicht zwei Jahre lang das Fahrrad generell in Stand halten.
Schritt 3: An den Händler wenden
Der konkrete Ansprechpartner im Fall einer Mängel-Lieferung ist der Händler, bei dem man gekauft hat. Nicht etwa der Hersteller des Rades. Am besten nimmt man per Mail Kontakt auf – dann hat man alles dokumentiert, sollte es später mehr Probleme geben. Beinhalten sollte dieses Schreiben:
- Eine Beschreibung des Problems.
- Dass man eine Nachlieferung oder Nachbesserung wünscht.
- Eine angemessene Frist, bis wann der Händler das Problem behoben haben soll. Diese muss die Überführungswege berücksichtigen und kann bei kleineren Anpassungen z.B. 10-14 Tage betragen.
Erfahrungsgemäß, so Rechtsanwalt Hirschmeier, gehe die Abwicklung mit dem Händler problemloser, je offensichtlicher der Sachmangel ist. Bei unauffälligen Mängeln muss man ggf. viel schreiben und Hartnäckigkeit mitbringen.
Übrigens: Die Kosten einer Nacherfüllung sind vom Händler zu tragen. Dadurch soll der Verbraucher nicht davon abgehalten werden, seine Rechte geltend zu machen, weil das für ihn teuer ist. Auch eine Bearbeitungsgebühr darf der Händler für eine Sachmangellage nicht verlangen.
Was passiert, wenn der Händler nicht reagiert?
Ab jetzt musst du warten, wie der Händler antwortet. Im Idealfall nimmt er sich der Sache zeitnah an und kommt seiner Pflicht zur Nacherfüllung nach. Wenn die gesetzte Frist abgelaufen ist und der Händler den Sachmangel nicht behoben hat oder gar nicht erst reagiert hat, kannst du dich als Kunde auf deine Sekundärrechte berufen. Du kannst ggf. den Kaufpreis mindern, vom Vertrag zurücktreten oder Schadenersatz geltend machen.
Darf ich falsch gelieferte Ware behalten?
Ein 300-Euro-Fahrrad bestellt und ein 3000-Euro-Fahrrad bekommen? Da liegt es ja nahe, einfach die Füße stillzuhalten und das teure Bike zu behalten. Rechtsanwalt Hirschmeier erklärt, dass so etwas unter Umständen sogar geht: "Niemand ist per se verpflichtet die falsch gelieferte Ware in jedem Fall zurückzugeben. Vorausgesetzt, der Käufer meldet sich nicht direkt und fordert das Fahrrad heraus oder es liegt ein offensichtlicher Irrtum vor (z.B. falscher Name). Hat der Verkäufer aber bewusst das höherwertige Fahrrad zur Erfüllung seiner Verpflichtung geschickt, dann führt die Nutzung und das Akzeptieren dieses Fahrrads zu einer stillschweigenden Vertragsanpassung mit der Folge, dass das Rad behalten werden darf."
Bei krassen Unterschieden hinsichtlich der Wertigkeit oder des Modells sollte aber – allein um Klarheit herbeizuführen sicherheitshalber nachgefragt werden. Fällt der Irrtum beim Händler später auf kann dieser unter bestimmten Umständen doch noch eine Herausgabe verlangen.