Regnerisches Wetter, nicht weggefegtes Lauf auf dem Radweg, eine verdeckte Bordsteinkante und zack: Fahrradsturz. So oder so ähnlich ist das 2023 rund 27.400-mal auf deutschen Straßen passiert.
Laut einer Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV) ereigneten sich 2023 nämlich genau so viele Alleinunfälle mit Fahrrädern. Solche Unfälle also, bei denen keine anderen Verkehrsteilnehmer beteiligt sind. Dabei wurden 6.400 Menschen schwer verletzt, 147 starben. Damit geht jeder dritte tödliche Fahrradunfall und knapp die Hälfte der Schwerverletzten auf Alleinunfälle zurück.
Zahl der Alleinunfälle seit 2020 verdreifacht
Auffällig ist: Die Zahl der ohne Fremdeinwirkung verunfallten Fahrradfahrer ist in den letzten Jahren stark gestiegen. 27.400 solcher Unfälle wurden 2023 registriert – fast dreimal so viele wie 2020. Mittlerweile machen sie 28 Prozent der Radverkehrsunfälle mit Personenschaden aus.
Was ist der Grund? Ein entscheidender Faktor ist die Infrastruktur. Laut Polizei ist in einem Drittel der Fälle schlechte Straßenplanung schuld – etwa durch gefährliche Bordsteinkanten oder Straßenbahnschienen. Noch häufiger sehen Betroffene jedoch ihre eigene Fahrweise als Ursache: Zwei Drittel der verunglückten Radfahrer gaben an, selbst Fehler gemacht zu haben. Jeder Dritte war zudem schlicht zu schnell unterwegs.
Winter als Risikofaktor
Die Studie zeigt, dass die meisten Alleinunfälle in den Wintermonaten von Dezember bis Februar passieren. Nässe, Eis, Schnee und Laub machen die Straßen gefährlich glatt. In dieser Zeit ist es besonders wichtig, die Fahrweise an die Verhältnisse anzupassen.
"Sichere Radwege und vorausschauendes Fahren können viele Unfälle verhindern", erklärt UDV-Leiterin Kirstin Zeidler. Sie fordert Städte auf, gefährliche Stellen umzugestalten, Bordsteinkanten zu beseitigen und Radwege sicherer zu machen – auch wenn dafür Parkplätze weichen müssen.
Pedelecs: Segen und Risiko zugleich
E-Bikes und Pedelecs, die immer populärer werden, sorgen für eine zusätzliche Unfallgefahr. "Sie beschleunigen stärker, sind schwerer und nicht immer leicht zu handhaben", so Zeidler. Unfälle mit diesen Rädern enden laut der Studie häufiger mit schweren Verletzungen.
Und: Radfahren wird immer beliebter – und das auch bei älteren Menschen. Doch diese sind verletzlicher: Ihre Reaktionszeit ist langsamer, und sie verlieren schneller das Gleichgewicht. Während 2008 jeder siebte Alleinunfall-Patient älter als 66 war, ist es heute jeder fünfte.
ADFC sieht Kommunen in der Pflicht
Neben dem Fakt, dass das Fahrrad als Verkehrsmittel für den Nahbereich immer populärer wird, sieht der ADFC auch Inaktivität von Kommunen als Grund für die hohe Alleinunfall-Zahl. Kommunen schwächelten beim Ausbau und der Pflege von Radwegen, beseitigten Schlaglöcher und Wurzelaufbrüche nicht und senkten Bordsteine nicht fahrradgerecht ab.
ADFC-Bundesgeschäftsführerin Dr. Caroline Lodemann sagt:
"Natürlich muss man die Fahrweise den widrigen Verhältnissen anpassen. Aber die Radfahrenden hier allein in die Verantwortung zu nehmen, greift zu kurz – denn die eigentliche Gefahrenursache ist die schlechte und schlecht gepflegte Infrastruktur. Internationale Fahrradhauptstädte wie Kopenhagen und sogar das finnische Oulu nahe des Polarkreises zeigen, dass sicheres Radfahren im Winter möglich ist, wenn die Radwege gut sind – und die Kommunen den Winterdienst auf Radwegen ernstnehmen."
Fazit: Verbesserte Infrastruktur und Vorsicht gefragt
Die hohe Zahl tödlicher Alleinunfälle zeigt: Sichere Infrastruktur ist entscheidend, um Radfahrende besser zu schützen. Schlechte Straßenverhältnisse und mangelnde Pflege tragen ebenso zu Unfällen bei wie unangepasstes Fahrverhalten – besonders im Winter. Kommunen sollten gefährliche Stellen entschärfen und Radwege besser ausbauen, während Radfahrende ihre Fahrweise an die Bedingungen anpassen müssen.