Land vs. Stadt: Wo fährt es sich besser Rad?

Sicherheit, Infrastruktur, Spaß
Land vs. Stadt: Wo fährt es sich besser Rad?

Veröffentlicht am 14.06.2025
Fahrradfahren auf dem Land vs. in der Stadt
Foto: Getty Images / Justin Paget

Fahrradfahren auf dem Weg zur Arbeit durch den Hamburger Großstadtdschungel oder mit dem Fahrrad auf Familienbesuch in der niedersächsischen Provinz sein: Das sind zwei komplett unterschiedliche Fahrrad-Erfahrungen. Zwei Realitäten mit Vor- und Nachteilen, zwischen denen ich mich seit zehn Jahren bewege. Grund genug für mich, um endlich zu klären, wo es sich besser fährt: in der Stadt oder auf dem Land?

1. Fahrradinfrastruktur

Fahrradfahren auf dem Land vs. in der Stadt
Getty Images / IGphotography

Stadt: Eigene Radspuren, Abbiegeampeln, Pop-up-Lanes, Fahrradparkhäuser – Fahrradfreundlichkeit wird zumindest in einigen Städten langsam Realität. Allerdings gepaart mit Baustellen, schlecht geparkten Autos und generell zu wenig Platz für zu viele Verkehrsteilnehmer.

Land: Auf dem Land ist Fahrradfahren wie Lotto: Man weiß nie, was man bekommt. Entlang großer Landstraßen gibt es oft gut ausgebaute Radwege – juhu! Aber sobald du dich ins eigentliche Dorf traust, enden sie abrupt an der Bushaltestelle oder im Nirgendwo. Und wenn die Landstraße keinen Radweg hat, bist du geliefert: Zwischen 70 km/h fahrenden SUVs und Traktoren mit Überbreite wird Radfahren zum echten Risiko.

Punkt für: 🌇 Stadt (wenn auch mit Abstrichen)

Fahrradfahren auf dem Land vs. in der Stadt
Getty Images / Witthaya Prasongsin

Stadt: Hier ist immer was los – und genau das ist das Problem. Autos, Busse, E-Scooter, Fußgänger, Lieferwagen, Baustellen, Radfahrer auf der falschen Spur: Der urbane Straßenverkehr stresst einen täglich. Unfälle passieren häufig, oft bei niedriger Geschwindigkeit, aber eben regelmäßig. Wer täglich im Großstadtverkehr unterwegs ist, lebt mit Daueranspannung, bei der die regelmäßigen Berichte über den nächsten Lkw-Abbiegeunfall nicht gerade helfen.

Land: Klar, auf dem Land gibt’s weniger Verkehr – und damit auch weniger Stress. Die Gefahr besteht vor allem auf Landstraßen ohne Radweg – da steigen die Unfallzahlen sogar. Aber: Unfälle sind die Ausnahme, nicht der Alltag. Wer umsichtig fährt und Stoßzeiten meiden kann, kann auf dem Dorf oder in der Kleinstadt sehr entspannt fahren.

Punkt für: 🌄 Land

Fahrradfahren auf dem Land vs. in der Stadt
Getty Images / Golero

Stadt: Mein subjektiver Eindruck beim Fahren in Hamburg ist: Als Radfahrer wird man von Autofahrern gesehen. Nicht immer geliebt, aber immerhin wahrgenommen. Autofahrer sind an dich gewöhnt – du bist Teil des Systems. Klar, es gibt auch hier die notorischen Drängler und Eng-Überholer, aber im Großen und Ganzen funktioniert das Miteinander überraschend gut. Beim Abbiegen wird genau geschaut, ist der Schutzstreifen blockiert, lassen sie dich einfädeln – ein bisschen wie in einer chaotischen WG, in der man sich arrangiert.

Land: Im Dorf meiner Kindheit dagegen fühle ich mich manchmal wie ein UFO auf zwei Rädern. Manche Autofahrer begegnen einem mit ehrlicher Verwunderung, andere mit Hupkonzerten. Vor allem auf schmalen Straßen ohne Radweg ist die Botschaft oft klar: "Was hast du hier überhaupt zu suchen?" Verständlich vielleicht – man begegnet sich seltener, und der Geduldsfaktor ist entsprechend kleiner.

Punkt für: 🌇 Stadt

Fahrradfahren auf dem Land vs. in der Stadt
Getty Images / Ilbusca

Stadt: Fahrradfahren in der Stadt fühlt sich mehr nach Konzentrationssport als nach Freizeitvergnügen an. Jeder Meter erfordert Aufmerksamkeit. Das Gefühl von Flow stellt sich eher selten ein. Spaß macht’s höchstens, wenn man mal wieder am stehenden Verkehr vorbeidüsen kann.

Land: Fahre ich auf dem Land, ist Radfahren Balsam für Hirn und Herz. Keine Ampeln, kein Klingelkonzert, kein Slalom um schlecht geparkte E-Scooter. Stattdessen: Felder, Wälder, Weite. Ich kann mit den Gedanken auch mal abschweifen, beim Fahren telefonieren oder Musik hören. Und jeder, der schon mal mit full speed endlose Schotterwege langgefahren ist, weiß dass das verdammt viel Spaß macht.

Punkt für: 🌄 Land

Fahrradfahren auf dem Land vs. in der Stadt
Getty Images / Davidf

Stadt: Grundsätzlich ist es ja cool, dass es viele Menschen gibt, die in der Stadt mit dem Rad statt mit dem Auto fahren. Aber wenn ich an der Außenalster mal wieder in der Mitte eines ungewollten Pelotons gefangen bin oder die Möchtegern-Tour-de-France-Fahrer mich im Kampf um die Pole Position an der Ampel überholen, oder ich wegen einer Schlaftablette vor mir die Grünphase nicht mehr schaffe – dann nerven mich andere Fahrradfahrer doch, obwohl ich es nicht möchte.

Land: Auf dem Land grüße ich jeden entgegenkommenden Radler freundlich – selbst wenn ich ihn oder sie noch nie gesehen habe. Ein kurzer Blick, ein Nicken, ein "Moin" – das reicht schon, und trotzdem fühlt es sich gut an. Überholt man sich auf dem einsamen Radweg neben der Landstraße, wird "Achtung, nicht erschrecken!" gerufen. Es entsteht so eine Art stille Verbundenheit: Wir sind beide hier draußen unterwegs.

Punkt für: 🌄 Land

Fazit: Und der Sieg geht an...

Ganz ehrlich? Es ist ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Fahrradfahren in der Stadt und auf dem Land – das sind zwei komplett verschiedene Disziplinen. So unterschiedlich, dass man fast vergisst, dass es sich um die gleiche Fortbewegungsart handelt.

In der Stadt fühlt sich Radfahren oft an wie ein taktisches Strategiespiel: vorausschauend, hektisch, manchmal nervig, aber eben auch praktisch und schnell. Hier ist das Rad Teil eines größeren Verkehrssystems – mit klarer Funktion und immer mehr Infrastruktur. Man ist sichtbar, akzeptiert und manchmal sogar schneller als alle anderen.

Auf dem Land dagegen ist Radfahren Freiheit pur. Es gibt weniger Regeln, weniger Menschen, weniger Stress – dafür mehr Weite, mehr Begegnung und oft einfach mehr Freude am Fahren. Es ist die Sorte Radfahren, bei der man abends mit Matsch an den Waden und einem Grinsen nach Hause kommt.

Ich wohne in der Stadt, aber mein Radherz schlägt fürs Land. Vielleicht, weil ich dort gelernt habe, was Radfahren wirklich bedeutet: nicht nur ein Mittel zum Zweck, sondern ein Gefühl. Trotzdem will ich das urbane Radchaos nicht missen – denn es hält mich wach, flexibel und ist immer noch die beste Art, sich in der Stadt zu bewegen.

Also, wer hat gewonnen? Vielleicht ist die eigentliche Antwort: das Fahrrad selbst. Egal wo, Hauptsache, man fährt.