Auf dem Rad zum Weihnachtsmarkt und mit Plautze zurück? Am 29.11.2023 öffnete der Stuttgarter Weihnachtsmarkt seine Pforten. Und nicht nur hier, in ganz Deutschland verführen Stände mit gebrannten Mandeln, Bockwurst im Brötchen und Schupfnudeln mit Sauerkraut und Speck. Wie überstehen wir diese vier Wochen bis Weihnachten und bleiben trotzdem fit und gesund im Sattel?
Wer regelmäßig viele Trainingskilometer auf dem Rennrad, Gravel oder Mountainbike abreißt, hat in der Vorweihnachtszeit einen Bonus, den sich manch ein anderer nur wünschen kann. Kohlenhydrate sind ein essenzieller und recht großer Teil der Ernährung von Radfahrern. Plätzchen, heißer Kakao und Kartoffelklöße fallen daher weniger ins Gewicht. Dennoch gibt es ein paar Hinweise von Ernährungsexpertin Judith Haudum, wie man mit den Versuchungen der Vorweihnachtszeit besser umgehen kann. Denn auch Ausdauersportler*innen können und müssen in dieser Zeit Zurückhaltung üben, besonders mit einem intensiven Trainingsplan im Nacken.
Wer ist Judith Haudum?

MMag. Judith Haudum MSc ist Sportwissenschafterin und Sport-Diätologin. Mit ihrer Firma berät sie Breiten- und Profisportler:innen. Seit einigen Jahren betreut Sie Radsportler:innen verschiedener World Tour und Continental Teams und unterstützt sie im Bereich Ernährung. Weiterhin leitet sie das Referat Medizin/Ernährung im Österreichischen Skiverband, lehrt an den Universität Salzburg und leitet die Ernährungsabteilung am Olympiazentrum Salzburg. Mehr Informationen über Judith Haudum findest Du auf ihrer Webseite.
Anders als Außenstehende denken mögen, befinden wir uns Ende November nicht in der Off-Season des Radsports, sondern bereits mittendrin. Viele Radsportler*innen, die Judith Haudum betreut, haben bereits ihre Rennprogramme und sind in der Vorbereitung für die Saison 2024. Gerade die Gewichtsoptimierung spielt in dieser frühen Phase noch eine große Rolle. Auch neue Supplemente oder Ernährungsumstellungen sind Herausforderungen, mit denen die Sportler*innen derzeit zu kämpfen haben. Das erfordert Disziplin.
Verträgt sich das mit den Versuchungen der Vorweihnachtszeit? Judith Haudum sagt: Ja! Natürlich falle es manchen schwerer als anderen mit den vielen Adventsfeiern und Weihnachtsmarktbesuchen umzugehen. In Maßen sei aber eigentlich alles erlaubt, auch in dieser Phase. Am Ende komme es auf das Ziel an, das man verfolge.
Diese 7 Tipps der Expertin helfen auch Dir, mit den Verführungen der Vorweihnachtszeit umzugehen.

Wähle weise!
Auf dem Weihnachtsmarkt locken zahlreiche Stände mit ihrem Angebot. Dennoch zahlt es sich aus, nicht gleich dem erst besten Leckerbissen nachzugeben. Gerade wer nicht bereit ist auf etwas zu verzichten, kann verstärkt auf die Qualität des Snacks und seine Zusammensetzung schauen. Dadurch kann man nicht nur Kalorien sparen, sondern dem Körper auch ein paar wertvolle Nährstoffe mehr zuführen. Wähle zum Beispiel Lebkuchen und Kekse bevorzugt ohne Zuckerguss oder einen Überzug aus Milchschokolade. Achte auf hochwertige Zutaten wie Nüsse, Honig und Gewürze und meide künstliche Inhaltsstoffe mit komplizierten Namen wie Invertzuckersirup und Oligofruktose.
Auf abgepackten Süßigkeiten sind diese Angaben häufig auf einem Aufkleber aufgedruckt. Wo sie nicht ausliegen, müssen die Standbetreiber diese Informationen zur Auskunft bereithalten. Eine Nachfrage sollte genügen. Tipp der Redakteurin: suche nach kleineren Ständen lokaler Betreiber. Handgemachtes hat oft eine kürzere Zutatenliste ohne künstliche Konservierungsstoffe, Aromen und versteckte Zuckerarten.

Finde gute Alternativen!
Bist Du bereit für dein Wohlbefinden, dein Fitness-Ziel oder deine Gesundheit Kompromisse einzugehen, kannst du nach gesünderen Alternativen zu deinen Lastern suchen. Diese können zum Beispiel weniger raffinierter Zucker und mehr komplexe Kohlenhydrate, Vitamine sowie Ballaststoffe enthalten. Statt gebrannter Mandeln, die von Unmengen raffiniertem Industriezucker eingehüllt werden, könntest Du beim nächsten Mal...
- eine Tüte heiße Maronen naschen, während du zwischen den Ständen flanierst. Diese enthalten mehr Stärke als Zucker, einiges an Protein, ein paar gute Ballaststoffe sowie B-Vitamine, Vitamin A, C, D, E und K.
- Trockenfrüchte enthalten immernoch viel Zucker, aber auch viele Ballaststoffe, die die Aufnahme im Körper verlangsamen.
- ein Crêpe mit Apfelmus hat weniger Kalorien als eine Tüte gebrannte Mandeln.
- ein warmer Bratapfel mit Vanillesauce hat oft sogar noch weniger Kalorien. Und man hat auch gleich noch eine Portion Frucht im Speiseplan abgedeckt.
Auch Fette haben in der vollwertigen Ernährung ihren Platz, wie die Sportwissenschaftlerin betont. Dennoch kann es für die Gewichtsreduktion erforderlich sein, vorübergehend einige Gramm davon einzusparen. Aber auch wer nicht am Fett sparen will, sollte einen Blick auf diesen zentralen Nahrungsbaustein werfen. Zu den „guten“ Fetten gehören Fischöl sowie pflanzliche Öle aus Raps, Oliven, Leinsamen oder Algen, da sie Omega-3 Fettsäuren enthalten, die das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erheblich senken. Tierische Lebensmittel, aber auch Kokosfett enthalten wiederum überwiegen gesättigte Fettsäuren, die das Risiko für solche Erkrankungen erhöhen. Was können wir also tun, wenn wir über den Weihnachtsmarkt schlendern und frittierte Kartoffelpuffer oder Langos unseren Speichelfluss anregen?
- Zunächst können wir fettärmere Alternativen wie die Pilzpfanne wählen, die in den letzten Jahren an beliebtheit gewonnen hat. Inzwischen bekommt man sie auf fast jedem Markt
- Auch Schupfnudeln mit Sauerkraut sind weniger fettig und die Kombi wartet außerdem mit zusätzlichen Vitaminen und komplexen Kohlenhydraten auf.
- Wer Fleischhunger hat, kann die obligatorische Wurst im Brötchen oder das Schweinenackensteak durch ein Putensteak ersetzen.
- Wer hingegen gute Fette sucht, sollte bevorzugt zu einem saftigen Stück Lachs oder einem vegetarisch/veganen Snack auf Nussbasis greifen.
- Auch auf die Qualität des Frittierfettes kann man achten. Palm(kern)öl sowie Kokosöl enthalten viele gesättigte Fettsäuren, obwohl es Pflanzenfette sind. Frag nach Sonnenblumenöl, Rapsöl oder sogar Olivenöl.

Eine Tasse Glühwein schadet nicht.
Alkohol sollte in einer vollwertigen Ernährung eine möglichst geringe Rolle spielen. Er hat viele Kalorien und auch der Zucker in vielen alkoholischen Lieblingsgetränken, wie dem Glühwein, schlägt ordentlich zu buche. Dennoch sagt die Sporternährungswissenschaftlerin Judith Huadum, ist eine Tasse Glühwein okay.
„Wenn man sich an den Ernährungsrichtlinien orientiert, wären ein bis zwei Gläser Wein oder Bier das Maximum pro Tag. In Kombination mit dem Training muss man sich vor Augen halten, dass Alkohol in bestimmten Mengen die Regenerationszeit verlängert. Vor dem Training sollte man keinen Alkohol konsumieren. Nach dem Training ist die Frage: beeinträchtigt es, wenn es bei einer Portion bleibt, meine Regeneration? Und da wissen wir zumindest aus der Wissenschaft, dass sich das in Grenzen hält.“
Ein Tipp im Tipp: Wer häufiger in die Situation kommt, sich mit Freunden und Familie am Glühweinstand wieder zu finden, kann auch hier ab und an zu alkoholfreien Alternativen greifen. Kinderpunsch oder heißer, gewürzter Apfelsaft bieten sich an. Wer noch einen Schritt weiter gehen will, fragt nach Kräutertees oder heißer Zitrone mit Ingwer.

Verzichten ist nicht alles!
Setz Dir realistische Ziele und gönn Dir auch mal was, lautet der vierte Tipp. „In jedem Tag hat das irgendwo Platz, auch ohne Konsequenz. Weil es wichtig ist für ein gesundes Essverhalten.“ sagt sie. Es kommt eben immer auf die Menge, die Häufigkeit und das eigene Ziel an. Wenn du also Lust auf gebrannte Mandeln oder eine saftige Wildschweinbratwurst hast, dann gönn dir das! Vielleicht nicht beides an einem Abend, aber dafür kannst Du es dann morgen mit einem der anderen Tipps versuchen oder dir die Woche drauf noch die Zuckerwatte gönnen und sie mit einer Freundin oder einem Freund teilen.
Dasselbe gilt übrigens auch für die Neujahrsvorsätze. Schnelle und kurzfristige Abnehm- oder Fitness-Ziele gehen eher mal nach hinten los, weiß Expertin Judith Haudum aus Erfahrung. Realistische Ziele sind wichtig. Der Sommer ist ja noch eine Weile hin.

Geh nicht hungrig aus dem Haus!
Viele werden diesen Gedanken von sich kennen: Lieber mal nix zu Mittag essen, denn heute Abend trifft man sich ja noch zum Schlemmen in der Stadt. Judith Haudum meint aber, man solle lieber mit einem guten Sättigungsgefühl zu solchen Treffen gehen. Denn wer vorher nix isst und dann mit knurrendem Magen erscheint, läuft Gefahr anschließend zu viel und zu schnell zu essen. Das lässt sich mit einer vollwertigen Mahlzeit am Mittag oder einem gesunden Zwischensnack am Nachmittag vermeiden.

Geteiltes Glück, ist doppeltes Glück und halbe Kalorien.
Oft sind die Portionen klassischer Weihnachtsmarkt-Schleckereien ohnehin recht groß. Teilt euch eine Packung gebrannter Mandeln oder das Steakbrötchen einfach, denn geteilte Kalorien sind halbe Kalorien. Ganz nebenbei macht Teilen auch noch glücklich.

Nimm dir Zeit!
Kau langsam und sorgfältig. Leg das Handy weg beim Essen. Trink ein Glas Wasser vor dem Frühstück. Zahlreiche dieser Hinweise gelangen noch vor Vollendung des Teenageralters an unsere Ohren. Das macht sie aber nicht weniger wahr. Genau das ist es auch, was Frau Haudum für die Vorweihnachtszeit und das Festessen empfiehlt. Wenn der große Teller mit Plätzchen oder Omas Kohlrouladen locken, ist es keine Schande zuzugreifen. Doch wer langsamer isst, das Plätzchen bewusst schmeckt, die Sättigung einwirken lässt und vielleicht noch eine Tasse Tee oder ein Glas Wasser dazu trinkt, der isst am Ende weniger.
Zu Frau Haudums Kunden gehören nicht nur Sportler*innen, sondern auch Personen, die eine gesundheitliche Ernährungsumstellung durchmachen oder einfach nur ihr Gewicht reduzieren wollen. Auch das bedeutet nicht immer den totalen Verzicht. Wenn Du zum Beispiel Gewicht verlieren möchtest, kannst auch du dich an diesen Tipps orientieren. Hier findest du außerdem 10 Tipps von Sportwissenschaftler Ingo Froböse, wie du durch Radfahren abnehmen kannst.
Profi-Tipp: Nach dem Training ist vor dem Training.
Der Weihnachtsmarkt ist eine gute Gelegenheit nach einem intensiven Trainingstag deine Kohlenhydratspeicher wieder aufzufüllen. Dafür empfiehlt Judith Haudum vor allem Lebkuchen. Damit gemeint sind aber nicht die schokoüberzogenen Herzlebkuchen vom Discounter, sondern hochwertige Lebkuchen nach dem Originalrezept, am besten ganz ohne Überzug. Diese enthalten laut der Sporternährungswissenschaftlerin viele gute Inhaltsstoffe. Auch als Trainingsverpflegung kommen sie daher in Frage.
Wer keinen Lebkuchen mag, kann auf Alternativen wie Früchtebrot und hochwertige Weihnachtsplätzchen ohne Glasur zurückgreifen. Auch hier sind wertvolle Nährstoffe enthalten, die dem Körper nach oder während dem Training schnell zugeführt werden können. Nüsse enthalten beispielsweise viele ungesättigte Fettsäuren, Mineralstoffe und Vitamine. Trockenfrüchte wiederum liefern schnellen Zucker, der aber durch die enthaltenen Ballaststoffe vom Körper langsamer absorbiert wird als in Saft oder Haushaltszucker.