Der Winter ist da und Schnee und Eis bestimmen aktuell die Straßenverhältnisse. Für Radfahrer eine echte Herausforderung. Analysen verschiedener Institute zeigen, dass die Unfallgefahr im Radverkehr bei winterlicher Witterung ungefähr doppelt so hoch ist als bei unkritischer Witterung (Anstieg um 80 bis 100 %). Berücksichtigt man die hohe Dunkelziffer der nicht polizeilich erfassten Unfälle und die geringeren Radverkehrsmengen an winterlichen Tagen, ist das relative Risiko eines Unfalls bei Glätte etwa 20-mal so hoch wie bei normalen Straßenverhältnissen.
In diesem Artikel sprechen wir mit einem Anwalt für Fahrradrecht über die Rechtslage.
Tipp: Damit es gar nicht erst zu einem Unfall kommt, solltest du bei Eis und Schnee so vorsichtig wie möglich fahren: Hier haben wir ein paar Tipps dazu.
Müssen Radwege überhaupt geräumt und gestreut werden?
Bevor wir uns anschauen können, wem gegenüber du im Falle eines Unfalls eventuell Rechte geltend machen kannst, müssen wir erst einmal die Basics klären. Wer ist überhaupt für den Winterdienst verantwortlich?
Die gesetzliche Winterdienstpflicht auf den Radwegen ergibt sich aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht nach dem BGB sowie aus den Straßengesetzen der Länder und des Bundes. Laut Bundesgerichtshof (BGH) gilt die Räumpflicht auch für verkehrswichtige Radwege. Als verkehrswichtig können z.B. das städtische Hauptradwegenetz, das überörtliche Alltagsradwegenetz und Radschnellverbindungen gelten.
Keinesfalls dürfen Radwege, insbesondere solche mit Benutzungspflicht, zugeschoben werden oder gar als Schneeablagefläche dienen. So viel die Theorie – jeder, der bei Winterbedingungen schon einmal auf dem Rad unterwegs war, wird allerdings wissen, dass es in der Realität häufig anders aussieht.

Eingefrorene Spurillen auf einem Radweg: Das OLG Celle urteilte hier in einem Fall gegen den klagenden Radfahrer. Er müsse sich auf die Begebenheiten einstellen und kann keinen Schadensersatz von der Gemeinde verlangen. (OLG Celle 9 U 199/04).
Sturz auf vereistem Radweg – wer haftet?
Nun zur großen Frage: Kann man die Gemeinde dafür belangen, wenn man auf einem Radweg zu Fall kommt, der eigentlich hätte geräumt und gestreut werden müssen?
Wir haben dazu mit dem Rechtsanwalt und Experten für Fahrradrecht Dustin Hirschmeier gesprochen. Er sagt:
"Die Gewährleistung der Verkehrssicherheit zählt zu den Aufgaben der Kommune. Wenn die Gemeinde dem bei Glatteis nicht nachkommt, existieren gerichtliche Entscheidungen, die Schadenersatzansprüche gegen die Träger der Straßen zugesprochen haben."
Das heißt, theoretisch kannst du den Träger der Straße nach einem Sturz auf einem nicht geräumten Radweg verklagen. Aber: Radfahrende haben auch eine Eigenverantwortung und müssen ihr Verhalten an mögliche Gefahren anpassen. "Ist das Glatteis oder eine vereiste Schneedecke deutlich sichtbar, dann muss ich als Radfahrender notfalls auch schieben und darf das Risiko – trotz bestehender Streu- und Räumpflicht – nicht eingehen. Mehr als noch in anderen Bereichen kommt es hier aber stets auf den konkreten Einzelfall an wobei alle Faktoren berücksichtigt und gewürdigt werden müssen", so Hirschmeier.
Solltest du dich dazu entscheiden, nach deinem Sturz rechtliche Schritte zu unternehmen, solltest du mit einem langwierigen Verfahren rechnen und solltest dir auf jeden Fall rechtliche Beratung holen.
Wer zahlt die Arzt- und Reparaturkosten nach einem Sturz auf Glatteis?
Hier gilt prinzipiell dasselbe, wie bei einem Sturz aufgrund eines Fahrfehlers oder eines Schlagloches.
- Krankenkasse: Arztkosten nach einem selbstverschuldeten Fahrradunfall werden grundsätzlich von deiner Krankenkasse getragen. Die übernimmt auch die Kosten für Hilfsmittel wie Rollstühle oder Prothesen, solltest du welche brauchen.
- Gesetzliche Unfallversicherung: Stürzt du auf dem Weg zur Arbeit, greift die gesetzliche Unfallversicherung. Die hat jeder, der in einem Arbeits-, Ausbildungs- oder Dienstverhältnis steht. Aber: Stürzt du in deiner Freizeit, greift sie nicht.
- Private Unfallversicherung: Wenn du dich in der Freizeit richtig schwer verletzt hast, und Schäden davonträgst, die voraussichtlich länger als drei Jahre bestehen werden, greift die private Unfallversicherung – sofern du eine hast. Sie zahlt einmalig einen festen Geldbetrag oder eine Unfallrente, wenn du wegen des Unfalls dauerhaft eingeschränkt bist.
Während bei einem unverschuldeten Unfall mit einem Auto die Versicherung des Unfallgegners die Reparaturkosten für dein Fahrrad zahlt, musst du die bei einem selbstverschuldeten Fahrradunfall selbst tragen. Es sei denn natürlich, du hast eine entsprechende Fahrradversicherung. Welche Ansprüche du nach einem Unfall mit einem Auto hast, erfährst du hier.
Übrigens: Wenn ein benutzungspflichtiger Radweg im Winter nicht geräumt ist, ist die Benutzungspflicht aufgehoben. Das heißt, du darfst dann auch auf der Straße fahren.
Fazit: Klagen ist möglich, aber meist langwierig
Ein Unfall aufgrund eines vereisten und verschneiten Radweges ist ärgerlich. Sich Schmerzensgeld und Reparaturkosten kann man sich unter Umständen von der Kommune zurückholen, sofern diese ihre Pflicht zur Verkehrssicherheit verletzt hat. Dafür sollte man sich aber tendenziell auf ein langwieriges Verfahren einstellen und sich rechtliche Beratung suchen.