Beim Klamotten kaufen gehen wir ganz selbstverständlich entweder in die Frauen- oder in die Männerabteilung. Ausrüstung wie Helme oder Sonnenbrillen sind hingegen meist Unisex. Und Fahrräder? Hier gibt es unterschiedliche Ansätze. Einerseits können wir in Onlineshops immer noch oft nach Herren- oder Damenrädern filtern. Andererseits ist das Geschlecht längst nicht mehr das wichtigste Kriterium. Zunehmend werden alle Modelle von allen Geschlechtern gefahren. Was also gilt beim Kauf für Frauen?
Cityräder: Damenrad = tieferer Einstieg?

Galten lange als Herren- bzw. Damenräder: Räder mit Diamantrahmen (links) und Trapezrahmen (rechts).
Lange galt das Bild: Herrenräder haben einen geraden Diamantrahmen, die klassische "Stange", Damenräder den tieferen Trapezrahmen (Trekkingräder) oder geschwungenen Tiefeinsteiger-Rahmen (Cityräder). Diese Einordnung kommt aus einer grauen Vorzeit, als es für die rocktragenden Damen noch als schicklich und sicherer galt, sich nicht über eine hohe Stange schwingen zu müssen. Genau diese Einteilung von Damen- und Herrenräder findet sich auch heute noch auf Fahrradseiten. Zeitgemäß ist sie aber nicht mehr, weil beide Rahmentypen heute von beiden Geschlechtern gleichermaßen genutzt werden.
Entscheidend ist nämlich nicht das Geschlecht, sondern das, was Mann oder Frau mit dem Fahrrad vorhat. Sportliche Frauen bevorzugen oft Modelle mit Stange, Herren, die nicht mehr ganz so beweglich sind, sind mit tieferem Einstieg sicherer unterwegs. Auch wenn etwa Kinder auf einem Kindersitz transportiert werden oder man mit schwerem Rucksack unterwegs ist, ist der tiefere Durchstieg empfehlenswert.
Spezielle Frauenmodelle: Rennräder und Mountainbikes

Kein optischer Unterschied zwischen Herren- und Damenrad: Das Liv Devote Advanced 2 für Frauen.
Aber auch unabhängig vom pastellfarbenen Tiefeinsteiger-Klischee werden heute manche Fahrräder als spezielle Frauenräder angeboten. Und die unterscheiden sich optisch auf den ersten Blick überhaupt nicht von Unisex- oder Männerrädern. Das heißt, es gibt keine unterschiedlichen Rahmenformen oder Ähnliches. Vielmehr liegen die Unterschiede im Detail und zielen darauf ab, maximale Kraftübertragung und Komfort für Fahrerinnen zu ermöglichen. Zu finden sind diese Räder meist im Performance-Bereich bei Rennrädern oder Mountainbikes.
Bei einem Damen-Sportrad handelt es sich damit um ein Rad, bei dem die Komponenten von vornherein an die typisch weibliche Anatomie angepasst werden.
Kennzeichen von Frauen-Sporträdern sind:
- Rahmen: Meist ist der Abstand vom Sitz- zum Oberrohr kleiner, da Frauen in der Regel kürzere Oberkörper haben.
- Lenker und Griffe: Meist ist der Lenker kleiner und die Griffe schmaler, damit auch mit kleineren Händen Schaltung und Bremse bequem erreicht werden können.
- Sattel: Spezielle Damensättel haben eine größere Kontaktfläche und haben eine Aussparung in der Mitte, die etwas weiter hinten liegt als beim Männersattel. Beispiel: Der Rose Butterfly Arteria Gel Women.
Darüber, ob ein spezielles Frauenmodell nun sinnvoll und besser für Frauen ist, herrscht Uneinigkeit in der Fahrradwelt. Manche Hersteller wie z.B. Canyon bieten spezielle Frauenmodelle. Andere, wie Cannondale oder Specialized, haben ihre Ladybikes nach und nach auslaufen lassen. Marken wie Giant und Scott wiederum haben mit Liv bzw. Contessa eigene Marken aufgebaut, die sich rein an die weibliche Zielgruppe richten.
Was für Frauenräder spricht

Ob beim Rennradfahren oder Mountainbiken: Ob man als Frau ein Frauenbike oder ein Männermodell bevorzugt, ist Geschmackssache.
Die weibliche Anatomie weicht in vielen Details von der männlichen ab. Nicht nur, dass Frauen oftmals kleiner sind, sie haben auch schmalere Schultern, breitere Hüften und – relativ gesehen – kürzere Oberkörper. Das wiederum stellt andere Anforderungen an Größe und Geometrie eines Fahrradrahmens.
Judith Schäfer von Liv erklärt im Interview etwa: "Wenn eine durchschnittliche Frau auf einem normalen Herrenrahmen in ihrer empfohlenen Größe sitzt, ist sie zu stark nach vorn gebeugt und muss sich zu sehr strecken. Das wirkt sich negativ auf die Kraftleistung, auf die Effizienz beim Pedalieren und die Balance zur Kontrolle des Bikes aus."
Das heißt, ein auf die körperlichen Voraussetzungen von Frauen zugeschnittenes Fahrrad ist nicht nur kleiner, sondern unterscheidet sich auch in der Geometrie von Herrenrädern.
Was gegen Frauenräder spricht
Die entgegengesetzte Perspektive vertritt etwa Specialized. Hier habe man im Laufe der Zeit herausgefunden, dass die Unterschiede innerhalb eines Geschlechts viel größer seien als zwischen den Geschlechtern. Klar, Fahrerinnen sind nicht automatisch schmaler und kleiner sind als männliche Racer. Genauso wie es Frauen mit einem hochgewachsenen Körper und einer breiten Statur gibt, finden sich auch drahtige, kleine Männer. Entscheidend ist, dass Sportlerinnen mit ihrem Rad gut zurechtkommen und keinerlei Abstriche aufgrund ihrer Körpergröße oder ihres Körperbaus machen müssen.
Statt spezielle Ladybikes anzubieten, setzt man bei Specialized das individuelle Einstellen eines Rades. Durch eine Vielzahl an Einstellungsmöglichkeiten wie Rahmengröße, Sattelhöhe, Sattellänge, Vorbau, Lenkerhöhe etc. könne man für jede Person ein perfekt abgestimmtes Bike aufbauen, ganz unabhängig vom Geschlecht.