Gravelbike aus Stahl - Temple Cycles Adventure Disc 1 im Test

Dieses Gravelbike gehört nicht zum alten Eisen
Gravelbike Temple Cycle Adventure Disc 1 im Test

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Veröffentlicht am 14.12.2023
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Foto: Oliver Hitzegrad

Stahl ist ein Material beim Fahrradbau, dass sich seit vielen Jahren bewährt hat und bei vielen Rennradliebhabern immer noch einen hohen Stellenwert besitzt. Der Grund liegt auf der Hand: Stahlrahmen sind robust und vertragen hohe Belastungen, sind flexibel bei der Herstellung und können dadurch individuell auf die Bedürfnisse des Fahrers angepasst werden. Die Dämpfungseigenschaften sind ebenfalls enorm. Stahl absorbiert effektiv Vibrationen. Das sorgt für ein angenehmes Fahrgefühl. Kurzum: Stahl ist ein echtes Allround-Talent.

Gravelbike Temple Cycles Adventure Disc 1

Der britische Hersteller Temple Cycles möchte diese Vorteile mit seinem Gravelbike "Adventure Disc 1" nutzen und verwendet dazu den hochwertigen, wärmebehandelten Reynolds 725 Stahl. Der sehr klassisch wirkende Stahlrahmen soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Temple Cycles hier einen Tausendsassa konstruieren möchte. Das Adventure Disc 1 soll möglichst viele Aspekte des Radfahrens bedienen. Der Einsatzzweck soll vom großen Abenteuer, über flotte Gravelrides, leicht zu fahrenden Asphalt und epischen Bikepacking-Touren reichen.

Wir haben das Stahlfahrrad einem ausführlichen und diesmal besonderen Test unterzogen und sind dazu unter anderem vor standesgemäßer Kulisse in einem Stahlwerk von Thyssen-Krupp unterwegs gewesen.

Klassisch und schlicht, so ist der erste Eindruck des Adventure Disc 1. Runde Rohrformen, hoch angesetzte Sitzstreben und verchromtes Aluminium an der Sattelstütze lassen es eher nach einem Café-Racer aussehen als nach großem Abenteuer. Doch das täuscht erheblich. Ausgestattet mit Shimanos GRX 800 gibt es einen ersten Hinweis, wohin die Reise führt. Mit 11-42er-Kassette hinten und vorn mit 1fach-Kurbelgarnitur sowie 42 Zähnen bestückt, ruft es förmlich nach dem Geländeeinsatz.

Einen zweiten Hinweis geben die Reifen. Temple Cycles spendiert dem Adventure Disc 1 die Panaracer Gravelking SK mit 38 mm. Die werden auf den robusten Hunt 4 Season-Laufrädern mit 3fach konifizierten Sandvik-Speichen aufgezogen.

Einen weiteren Hinweis auf den breitgefächerten Einsatzzweck entdeckt man am Rahmen. Dort lassen sich zahlreiche Gepäckösen finden. Im Rahmendreieck, unterhalb des Unterrohrs und auch an der filigranen Gabel. Nicht zu vergessen, an den Sitzstreben. So bietet sich dem Fahrer ein großes Spektrum an Möglichkeiten, um Taschen oder Schutzbleche anzubringen.

Aussehen ist bekanntlich nicht alles, auf die inneren Werte kommt es schließlich an. Sprich: Wie fährt sich dieses Stahlfahrrad denn nun bei einem Gewicht von 10,7 kg? Und: passt die Ausstattung zum Konzept des Bikes? Also nichts wie los und ausprobiert.

Das Stahlfahrrad im Praxistest

Sofort fällt die moderate Sitzposition auf. Weniger sportlich, eher gemütlich, aber ohne langweilig zu sein. Im Zusammenspiel mit dem bewährten und komfortablen Brooks Cambium C17 All Weather-Sattel fühlte sich unser Tester in dieser eher aufrechten Sitzposition gut aufgehoben. Trotz klassisch designter Sattelstütze, die nicht allzu sehr auf Komfort ausgelegt ist. Der Lenker mit seinen 42 Zentimetern Breite (gemessen an den Bremsgriffen) und dem kurzen 90 mm Vorbau sorgte für ein sicheres und beruhigendes Fahren. Ein Race-Feeling kommt dabei nur bedingt auf.

Im Ruhrpott gibt es nicht nur flache Strecken, sondern tatsächlich auch den ein oder anderen giftigen Asphalt-Hügel. Das Adventure Disc 1 rollte dank der leichtläufigen Reifen munter über die für ihn vorgesehene Test-Strecke an alten Bahntrassen, Industriegebieten und Radwegen.

Auf holprigen Schotterpisten gab es dann den Aha-Effekt. Die guten Dämpfungseigenschaften von Stahl spielten direkt deutlich spürbar ihren Vorteil aus. Viele Unebenheiten wurden einfach weggebügelt. Das fühlte sich nicht nur sehr komfortabel an, es ließ das Gravelbike auch sicherer steuern. Aus der Ruhe konnte das Adventure Disc 1 so leicht nichts bringen. Von einem möglichen Gewichtsnachteil des Stahlfahrrads war wenig bis gar nichts zu spüren und spielte erfreulicherweise daher keine Rolle.

Die Performance

Das Bike konnte im Gelände zwar ordentlich Tempo aufnehmen, Spritzigkeit war aber nicht seine ganz große Stärke. Die Hunt 4 Season-Laufräder sind mit 1588 g nicht die leichtesten und ließen auch die Agilität dadurch etwas vermissen, bieten aber dennoch einen guten Kompromiss zum vorgesehenen Einsatzzweck.

Die Panaracer Gravelking SK-Reifen boten guten Grip auf Schotter und flotten Lauf auf der Straße, das Profil mit seinen nah beieinander liegenden, kleinen quadratischen Stollen zeigte aber auch seine Tücken. Dort blieb häufig feiner Split oder kleine Steinchen hängen, die auch für Pannen verantwortlich zeichneten. So musste der Reifen akribisch nach jeder Fahrt zur Vorsicht nach besagten Steinchen abgesucht und dann entfernt werden. Nicht das, was man unter sorglosem Fahren versteht.

Bei der Schaltung trifft das klassische Stahlrahmen-Design auf die Moderne. Die Shimano GRX sorgte für flüssiges Schalten in jeder Situation. Die Übersetzungsbandbreite ging im Hinblick auf den Einsatzbereich in Ordnung. Auf hohe End-Geschwindigkeit ist das Bike mit 42 Zähnen vorne und 11-42er-Kassette hinten damit nicht getrimmt, reicht aber in alltäglichen Situationen und bei vielen Gravelrides trotzdem, wie bereits erwähnt, für ein flottes Vorwärtskommen völlig aus.

Überraschenderweise stammen die Bremsscheiben mit 160 mm Durchmesser vorn und hinten von Tektro und nicht Shimano. Die Brems-Performance zeigte dadurch jedoch keine Beeinträchtigung und ist top.

Wie es sich für ein klassisches Design-Konzept gehört, sind alle Züge außen ordentlich verlegt. Diese große Wartungsfreundlichkeit ist gerade auf langen Bikepacking-Touren ein immenser Vorteil. Genau, wie generell Stahlrahmen leicht zu reparieren sind. Selbst am Ende der Welt findet sich immer noch ein versierter Handwerker, für den das kein Problem ist.

Thyssen-Krupp,Stahlwerk
Oliver Hitzegrad

Fazit

Stahl ist definitiv nicht tot. Den Beweis erbringt das Temple Cycles Adventure Disc 1 ersichtlich. Allein der Komfort spricht eine deutliche Sprache und überzeugte im Test nur positiv. Auch die penibel geschliffenen Schweißnähte und die saubere Verarbeitung beeindruckten. Der Rahmen mit seinen zahlreichen Montageösen ist durchdacht und zeigte uns, dass hinter diesem Stahlfahrrad ein echtes Konzept steht. Schaltungs- und Brems-Performance gefiel dem Tester sehr gut.

Dass die Spritzigkeit unter der aufrechten Sitzposition, den breiten Lenker, sowie den schweren Laufrädern etwas leidet, muss man hinnehmen. Dennoch ist der Einsatzbereich vom Besuch im Café über einfache Gravelrides bis zur gemütlichen Bikepacking-Tour groß und wird seine Fans finden. Zu bemängeln ist die Wahl der Reifen. Sie rollen zwar prima auf der Straße und im Gelände bieten sie guten Grip, aber die Pannenanfälligkeit durch das Stollen-Profil ist hoch.

Nicht bieder, sondern attraktiv. So präsentiert sich das Stahlfahrrad Adventure Disc 1 am Ende als stimmiges Gesamtpaket, wo Fahrspaß und Komfort garantiert nicht zu kurz kommen.

FAQ zum Stahlfahrrad

5 Gründe für ein Fahrrad aus Stahl

Festigkeit/ Haltbarkeit

Steel pipe.
The Image Bank RF

Formgebung

blacksmith in the workshop, bends a pipe
Moment RF

Dämpfung

Vintage racing bicycle from the 60s with chrome steel frame
iStockphoto

Reparatur

Welder Working
iStockphoto

Kosten

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