Stahl ist ein Material beim Fahrradbau, dass sich seit vielen Jahren bewährt hat und bei vielen Rennradliebhabern immer noch einen hohen Stellenwert besitzt. Der Grund liegt auf der Hand: Stahlrahmen sind robust und vertragen hohe Belastungen, sind flexibel bei der Herstellung und können dadurch individuell auf die Bedürfnisse des Fahrers angepasst werden. Die Dämpfungseigenschaften sind ebenfalls enorm. Stahl absorbiert effektiv Vibrationen. Das sorgt für ein angenehmes Fahrgefühl. Kurzum: Stahl ist ein echtes Allround-Talent.
Gravelbike Temple Cycles Adventure Disc 1
Der britische Hersteller Temple Cycles möchte diese Vorteile mit seinem Gravelbike "Adventure Disc 1" nutzen und verwendet dazu den hochwertigen, wärmebehandelten Reynolds 725 Stahl. Der sehr klassisch wirkende Stahlrahmen soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Temple Cycles hier einen Tausendsassa konstruieren möchte. Das Adventure Disc 1 soll möglichst viele Aspekte des Radfahrens bedienen. Der Einsatzzweck soll vom großen Abenteuer, über flotte Gravelrides, leicht zu fahrenden Asphalt und epischen Bikepacking-Touren reichen.
Wir haben das Stahlfahrrad einem ausführlichen und diesmal besonderen Test unterzogen und sind dazu unter anderem vor standesgemäßer Kulisse in einem Stahlwerk von Thyssen-Krupp unterwegs gewesen.
Klassisch und schlicht, so ist der erste Eindruck des Adventure Disc 1. Runde Rohrformen, hoch angesetzte Sitzstreben und verchromtes Aluminium an der Sattelstütze lassen es eher nach einem Café-Racer aussehen als nach großem Abenteuer. Doch das täuscht erheblich. Ausgestattet mit Shimanos GRX 800 gibt es einen ersten Hinweis, wohin die Reise führt. Mit 11-42er-Kassette hinten und vorn mit 1fach-Kurbelgarnitur sowie 42 Zähnen bestückt, ruft es förmlich nach dem Geländeeinsatz.
Einen zweiten Hinweis geben die Reifen. Temple Cycles spendiert dem Adventure Disc 1 die Panaracer Gravelking SK mit 38 mm. Die werden auf den robusten Hunt 4 Season-Laufrädern mit 3fach konifizierten Sandvik-Speichen aufgezogen.
Einen weiteren Hinweis auf den breitgefächerten Einsatzzweck entdeckt man am Rahmen. Dort lassen sich zahlreiche Gepäckösen finden. Im Rahmendreieck, unterhalb des Unterrohrs und auch an der filigranen Gabel. Nicht zu vergessen, an den Sitzstreben. So bietet sich dem Fahrer ein großes Spektrum an Möglichkeiten, um Taschen oder Schutzbleche anzubringen.
Aussehen ist bekanntlich nicht alles, auf die inneren Werte kommt es schließlich an. Sprich: Wie fährt sich dieses Stahlfahrrad denn nun bei einem Gewicht von 10,7 kg? Und: passt die Ausstattung zum Konzept des Bikes? Also nichts wie los und ausprobiert.
Das Stahlfahrrad im Praxistest
Sofort fällt die moderate Sitzposition auf. Weniger sportlich, eher gemütlich, aber ohne langweilig zu sein. Im Zusammenspiel mit dem bewährten und komfortablen Brooks Cambium C17 All Weather-Sattel fühlte sich unser Tester in dieser eher aufrechten Sitzposition gut aufgehoben. Trotz klassisch designter Sattelstütze, die nicht allzu sehr auf Komfort ausgelegt ist. Der Lenker mit seinen 42 Zentimetern Breite (gemessen an den Bremsgriffen) und dem kurzen 90 mm Vorbau sorgte für ein sicheres und beruhigendes Fahren. Ein Race-Feeling kommt dabei nur bedingt auf.
Im Ruhrpott gibt es nicht nur flache Strecken, sondern tatsächlich auch den ein oder anderen giftigen Asphalt-Hügel. Das Adventure Disc 1 rollte dank der leichtläufigen Reifen munter über die für ihn vorgesehene Test-Strecke an alten Bahntrassen, Industriegebieten und Radwegen.
Auf holprigen Schotterpisten gab es dann den Aha-Effekt. Die guten Dämpfungseigenschaften von Stahl spielten direkt deutlich spürbar ihren Vorteil aus. Viele Unebenheiten wurden einfach weggebügelt. Das fühlte sich nicht nur sehr komfortabel an, es ließ das Gravelbike auch sicherer steuern. Aus der Ruhe konnte das Adventure Disc 1 so leicht nichts bringen. Von einem möglichen Gewichtsnachteil des Stahlfahrrads war wenig bis gar nichts zu spüren und spielte erfreulicherweise daher keine Rolle.
Die Performance
Das Bike konnte im Gelände zwar ordentlich Tempo aufnehmen, Spritzigkeit war aber nicht seine ganz große Stärke. Die Hunt 4 Season-Laufräder sind mit 1588 g nicht die leichtesten und ließen auch die Agilität dadurch etwas vermissen, bieten aber dennoch einen guten Kompromiss zum vorgesehenen Einsatzzweck.
Die Panaracer Gravelking SK-Reifen boten guten Grip auf Schotter und flotten Lauf auf der Straße, das Profil mit seinen nah beieinander liegenden, kleinen quadratischen Stollen zeigte aber auch seine Tücken. Dort blieb häufig feiner Split oder kleine Steinchen hängen, die auch für Pannen verantwortlich zeichneten. So musste der Reifen akribisch nach jeder Fahrt zur Vorsicht nach besagten Steinchen abgesucht und dann entfernt werden. Nicht das, was man unter sorglosem Fahren versteht.
Bei der Schaltung trifft das klassische Stahlrahmen-Design auf die Moderne. Die Shimano GRX sorgte für flüssiges Schalten in jeder Situation. Die Übersetzungsbandbreite ging im Hinblick auf den Einsatzbereich in Ordnung. Auf hohe End-Geschwindigkeit ist das Bike mit 42 Zähnen vorne und 11-42er-Kassette hinten damit nicht getrimmt, reicht aber in alltäglichen Situationen und bei vielen Gravelrides trotzdem, wie bereits erwähnt, für ein flottes Vorwärtskommen völlig aus.
Überraschenderweise stammen die Bremsscheiben mit 160 mm Durchmesser vorn und hinten von Tektro und nicht Shimano. Die Brems-Performance zeigte dadurch jedoch keine Beeinträchtigung und ist top.
Wie es sich für ein klassisches Design-Konzept gehört, sind alle Züge außen ordentlich verlegt. Diese große Wartungsfreundlichkeit ist gerade auf langen Bikepacking-Touren ein immenser Vorteil. Genau, wie generell Stahlrahmen leicht zu reparieren sind. Selbst am Ende der Welt findet sich immer noch ein versierter Handwerker, für den das kein Problem ist.

Wir haben uns viele Gedanken um das Thema „Stahlfahrrad“ gemacht. Daher lag es nahe, das Adventure Disc 1 in würdiger Umgebung zu testen und sind dazu unter anderem in ein Stahlwerk von Thyssen-Krupp gegangen.
Fazit
Stahl ist definitiv nicht tot. Den Beweis erbringt das Temple Cycles Adventure Disc 1 ersichtlich. Allein der Komfort spricht eine deutliche Sprache und überzeugte im Test nur positiv. Auch die penibel geschliffenen Schweißnähte und die saubere Verarbeitung beeindruckten. Der Rahmen mit seinen zahlreichen Montageösen ist durchdacht und zeigte uns, dass hinter diesem Stahlfahrrad ein echtes Konzept steht. Schaltungs- und Brems-Performance gefiel dem Tester sehr gut.
Dass die Spritzigkeit unter der aufrechten Sitzposition, den breiten Lenker, sowie den schweren Laufrädern etwas leidet, muss man hinnehmen. Dennoch ist der Einsatzbereich vom Besuch im Café über einfache Gravelrides bis zur gemütlichen Bikepacking-Tour groß und wird seine Fans finden. Zu bemängeln ist die Wahl der Reifen. Sie rollen zwar prima auf der Straße und im Gelände bieten sie guten Grip, aber die Pannenanfälligkeit durch das Stollen-Profil ist hoch.
Nicht bieder, sondern attraktiv. So präsentiert sich das Stahlfahrrad Adventure Disc 1 am Ende als stimmiges Gesamtpaket, wo Fahrspaß und Komfort garantiert nicht zu kurz kommen.
FAQ zum Stahlfahrrad
5 Gründe für ein Fahrrad aus Stahl
Festigkeit/ Haltbarkeit

Stahlrahmen sind bekannt für ihre enorme Robustheit. Stahlfahrräder verpacken große Belastungen sowohl im täglichen Gebrauch als auch auf großer Reise. Schwere Lasten sind meist kein Problem, dazu sind sie weniger anfällig für Brüche oder Risse im Vergleich zu anderen Materialien wie Aluminium oder Carbon.
Formgebung

Stahl kann gebogen und geformt werden, um verschiedene Rahmengeometrien zu erreichen. Dies bedeutet für die Hersteller, Fahrräder mit unterschiedlichen Fahrpositionen und Handling-Eigenschaften zu entwerfen. Gerade die Flexibilität von Stahl ermöglicht die ganz persönliche und individuelle Anpassung des Rahmens an die eigenen Körpermaße.
Dämpfung

Im Vergleich zu steiferen Materialien wie Aluminium oder Carbon absorbiert Stahl Vibrationen besser und sorgt so für ein angenehmes Fahrgefühl. Dies ist ein großer Vorteil für Fahrer, die lange Strecken zurücklegen oder auf unebenen Straßen unterwegs sind. Die Dämpfungsfähigkeit von Stahl kann auch dazu beitragen, Ermüdungserscheinungen des Fahrers zu reduzieren und das Fahrverhalten insgesamt zu verbessern.
Reparatur

Im Falle eines Schadens kann ein Stahlrahmen in der Regel leichter repariert werden. Im Gegensatz zu anderen Materialien wie Carbon, bei denen eine Reparatur oft teuer, schwierig und meistens sogar unmöglich ist, können beschädigte Stahlrahmen geschweißt oder gelötet werden, um ihre ursprüngliche Festigkeit wiederherzustellen. Nicht ohne Grund erfreuen sich Stahlfahrräder gerade bei Reiserädern großer Beliebtheit. Selbst in den entlegensten Gegenden der Erde besteht die Chance, dass jemand vor Ort den Rahmen reparieren kann.
Kosten

Stahlrahmen sind in der Regel kostengünstiger als Rahmen aus anderen Materialien wie zum Beispiel Carbon. Dies macht sie zu einer attraktiven Option für Fahrer, die ein hochwertiges Fahrrad zu einem erschwinglichen Preis suchen. Ferner sind Stahlrahmen langlebig und können jahrelang halten, was zu einer langfristigen Kostenersparnis führen kann. Von der Nachhaltigkeit ganz zu schweigen.