Die zwei aktuell teuersten Komponentengruppen für den Gravel-Einsatz haben einige Gemeinsamkeiten: Sie schalten elektronisch auf Knopfdruck, Schaltbefehle werden per Funk übertragen. Die Disc-Stopper bremsen hydraulisch und brauchen nur wenig Handkraft. Und beide Gruppen glänzen mit hervorragender Ergonomie und Funktion.
Die Top Gravel-Schaltgruppen von Shimano und Sram
Doch die Liste der Unterschiede ist länger: Die Hydraulik arbeitet bei Shimano mit wartungsarmem Mineralöl, bei Sram mit DOT-Bremsflüssigkeit. Die ist temperaturstabiler, muss aber regelmäßig getauscht werden. Shimano setzt auf einen zentralen, fest verbauten Akku für Schaltwerk und Umwerfer, beide sind per Kabel angebunden. Sram verbaut einen abnehmbaren Akku, der dafür nicht ganz so lange hält: nach unserer Erfahrung rund 500 km im Vergleich zu ca. 1000 km bei Shimano. Das GRX-Schaltwerk kommt zierlicher und lässt sich an klassischen Schaltaugen befestigen. Es erfordert beim Set-up aber mehr Aufmerksamkeit als das mächtige Sram-Pendant. Das wird im Idealfall ohne Einstellarbeiten montiert, verlangt dafür einen Rahmen mit UDH-Ausfallende.
Der wichtigste Unterschied – und für viele wirklich eine Glaubensfrage: Die Red XPLR gibt’s nur als 1x-Gruppe, die GRX Di2 nur 2-fach. Die GRX im typischen 48/31 x 11–36-Set-up bietet einen etwas leichteren Berggang und eine dickere Übersetzung bei Top-Speed als die Red mit gängigen 40T x 10–46.

Wir haben die Shimano GRX Di2 auf den Schotterpassagen der Tour de France getestet.
Test Shimano GRX Di2
- Preis: 2250 Euro / Gewicht: 3012 g
Etwas überraschend stellte Shimano vor einigen Monaten seine Top-Gravel-Gruppe GRX Di2 (RX 825) nur als 2 x 12-fach-Ensemble vor. Die bei den mechanischen 12-fach-Gruppen optional verfügbare, beliebte Variante mit 1 x-Kurbel? Fehlanzeige. Wer damit leben kann, erhält eine ausgereifte, in vielen Punkten optimierte Nachfolgerin der 11-fach-GRX Di2. Dass Shimano auch eine 1 x-Lösung zeigen wird, steht dennoch zu erwarten.
Wie schon der Vorgänger schaltet auch die neue GRX unter allen Bedingungen stets verlässlich und butterweich. Auch der Umwerfer – von manchen als unnötige Komplikation in einem Gravel-Antrieb verteufelt – bietet in der Regel keinen Anlass zur Sorge: In puncto Umwerferperformance setzt Shimano noch immer die Standards. Sauber eingestellt, erfolgt jeder Kettenblattwechsel mit der Akkuratesse eines japanischen Arbeiters: stets pünktlich, verlässlich und zur vollsten Zufriedenheit.
GRAVELBIKE-Redakteur Felix Krakow konnte sich am Rand der Tour de France auf der Gravel-Etappe bei Troyes selbst ein Bild von der neuen Gruppe machen. Und war sehr angetan: "Die Schaltperformance insgesamt? Wie gewohnt auf sehr hohem Niveau, einen Unterschied zum Vorgänger konnte ich nicht feststellen. Beeindruckt haben mich vor allem die Hebel. Die liegen noch etwas besser in der Hand, die größeren und etwas weiter hervorstehenden Tasten lassen sich besser bedienen. Auch in der ‚Einzelzeitfahrposition‘ mit den Händen um die Hoods und den Unterarmen auf dem Lenker habe ich mich sehr wohl gefühlt."
Shimano hat die Schalt-/Bremshebel so überarbeitet, dass sie sich besser an Lenker mit Flare anpassen, die Ergonomie gefällt noch etwas besser als beim Vorgängermodell. Wie bei den Straßengruppen gibt’s innen an den Hoods je einen Zusatzschalter, der sich wunschgemäß belegen lässt: zum Gangwechsel, zum Bedienen des Radcomputers oder als Ersatz für die etwas schlecht zugängliche Bedientaste direkt am Schaltwerk. Optional lassen sich weitere Schalttasten ins System einbinden. Die Bedienlogik lässt sich für die serienmäßigen sechs Tasten via E-Tube-Project-App oder per PC an eigene Vorlieben anpassen. Auch die Bremsen mit den Ice-Tech-Scheiben überzeugten mit bekannter Performance: fein dosierbar, mit geringen Bedienkräften, bei Bedarf kräftig zupackend.
Optisch erinnert die neue Di2-GRX an die Vorgängergruppe, insgesamt wirken die Schaltungsbauteile vergleichsweise filigran und dank zentralem Akku fast zierlich. Alle nichtelektronischen Teile sind baugleich zu den mechanischen GRX-Gruppen.
Die Alu-Kurbel lässt optische Reize weitgehend vermissen und kommt recht nüchtern daher. Auf 800er-Niveau mit 48/31-Kettenblattabstufung, gibt es wahlweise noch eine günstigere Kurbel in 46/30 (600er-Serie). Größere GRX-Kettenblätter gibt es aktuell nicht, auch einen Powermeter bietet Shimano für die GRX nicht an. Weshalb Speed-Junkies oder alle, die mit Leistungsmesser fahren wollen, schon mal eine Road-Kurbel von Shimano am Gravelbike fahren. Kassetten gibt’s in 11–34er- oder 11–36er-Abstufung, was für eine sehr ordentliche Bandbreite mit ausreichend kleinen Gangsprüngen sorgt.
Fazit Shimano
Die GRX Di2 empfiehlt sich als ausgereifte, ergonomisch und funktional überzeugende Komponentengruppe mit großer Übersetzungsbandbreite. Für alle, die mit 2 x nicht hadern und am Gravelbike auf schicke Carbon-Teile verzichten können. Nicht günstig, aber noch fair bepreist.

Auf Herz und Nieren geprüft: die Sram Red XPLR AXS.
Test Sram Red XPLR AXS
- Preis: 4528 Euro / Gewicht: 2488 g
Seiner Topgruppe Red AXS mit 2 x 12 Gängen stellte Sram kürzlich die Red XPLR-Variante für Gravelbikes zur Seite: mit 1 x-Kurbel und 13-fach-Kassette. "Die ultimative Gravel-Gruppe", versprechen die Amerikaner. Wir konnten die neue XPLR bereits intensiv testen, mit erfreulichen Ergebnissen: Gut 100 Gramm leichter als die Vorgängergruppe, glänzt die Red XPLR mit vielen pfiffigen Detaillösungen, souveräner Schalt- und Bremsperformance sowie der gelungenen Vernetzung mit dem hauseigenen Hammerhead-Computer und der AXS-Smartphone-App. Die Schalt-/Bremshebel, die Flat-Top-Kette und die Bremsen der neuen Gravel-Gruppe werden von der Straßen-Red durchgereicht. Warum auch nicht: "Es braucht spürbar weniger Handkraft als bei anderen Sram-Bremsen, um viel Bremspower aufzubauen. Bremskraft, die sich fein dosieren lässt und das aus jeder Griffposition", zeigte sich GRAVELBIKE-Chefredakteur Alexander Walz nach einem Ausflug in die Alpen begeistert. Auch bei längeren Abfahrten auf Schotter mit dauerhaftem Bremseinsatz präsentierten sich die Stopper sehr geräuscharm, verlässlich und ohne Fading. Die Ergonomie der einstellbaren Hebel gefällt.
Der Verzicht auf Umwerfer und 2 x-Kurbel spart Gewicht und hilft, den Antrieb im Wortsinn einfach zu halten. Dank 13 Ritzeln reicht die Bandbreite dennoch für einen sehr weiten Einsatzbereich. Am Testrad mit 40T-Blatt an der leichten Carbon-Kurbel und der aktuell einzigen 13-fach-Kassette in 10–46er-Abstufung ein sehr praxistaugliches, breitbandiges Set-up. Größter und kleinster Gang liegen indes enger beisammen als bei Shimanos 2 x-Set-up, dafür gibt es wahlweise Kettenblätter mit 38, 40, 42, 44 und 46 Zähnen. Wer weiß, was er will, kann die Konfiguration besser an die eigenen Bedürfnisse anpassen als bei Shimano.
Die Kassette präsentiert sich als 288 g leichtes Schmuckstück: die drei größten Ritzel aus Alu, der Rest am Stück aus Stahl gefräst. Ersatz wird aber teuer: Für 675 Euro Listenpreis bieten andere schon komplette Gruppen an. Die Kassette baut etwas breiter als 12-fach-Modelle, die Abstände zwischen den Ritzeln bleiben unverändert. Das zusätzliche Ritzel ist leicht nach innen versetzt, das Ritzelpaket passt deshalb auf 12-fach-XDR-Freiläufe.
Das riesige Schaltwerk lässt keine Zweifel aufkommen, dass es für Heavy-Duty-Einsätze gemacht wurde. Allerdings passt es nur an Rahmen mit UDH-Ausfallende (vgl. S. 19). Vorteil – neben der universellen und robusten Bauweise: Das Schaltwerk muss nicht eingestellt werden, das Feintuning erfolgt ggf. elektronisch. Fast alle Einzelteile lassen sich separat ersetzen. Mehr als ein Gimmick ist das untere Schaltwerksröllchen ("Magic Wheel"), das nicht blockiert, selbst wenn sich etwa ein Ast darin verfängt.
Je ein Zusatzschalter in den Hoods wertet die Armaturen weiter auf, die Einbindung von Zusatzschaltern (Blips) ist möglich, ebenso die Konfiguration per AXS-App. Die Schaltung selbst funktionierte jederzeit problemlos, an Schalttempo und -performance gab’s nix auszusetzen. Sram-typisch ist die Red XPLR optional mit Powermeter zu haben, ohne kostet sie 500 € weniger.
Fazit Sram
Mit Powermeter und vielen Kettenblattoptionen ist die Red XPLR AXS nach Bedarf konfigurierbar, aber etwas weniger breitbandig. Funktional top, hochwertige Materialien, allerdings nur mit UDH-Rahmen kompatibel. Leichter als Shimanos GRX Di2, aber auch wesentlich teurer.