Das nennt man dann wohl eine klassische Win-Win-Situation, denn besser hätten die Marketingstrategen von Merida den Start des neuen Silex nicht planen können. Genau einen Tag vor der Vorstellung des Gravelbikes vor Presse und Händlern holt sich Radprofi Matej Mohorič auf dem Silex den Weltmeistertitel. Und stand dann zur Vorstellung des Bikes bestens gelaunt Rede und Antwort. "Eigentlich war dieser Sieg gar nicht so geplant. Ich wollte das Rennen nur fahren, um einen schönen Tag auf meinem Gravelbike zu genießen", gesteht Mohorič.

Das erfolgreiche Konzept des Merida Silex wurde zum Modelljahr 2024 in vielen Details weiterentwickelt.
Als einziger von drei WM-Startern aus dem von Merida ausgerüsteten Team Bahrain-Victorious entschied sich der Slowene für das nominell etwas weniger sportliche Gravelbike. Schließlich ist bei Merida eigentlich das Scultura Endurance GR für den Renneinsatz vorgesehen. Doch unter anderem mehr Reifenfreiheit und die etwas komfortablere Geometrie scheinen ihn überzeugt zu haben. Wobei Mohorič die komfortablere Position nicht nur durch den Einsatz eines 140 Zentimeter langen Vorbaus gleich mal gehörig verschärft hat. "Das war vielleicht ein bisschen viel. Beim nächsten Mal nehme ich wohl einen kürzeren Vorbau", sagt er.
Aber zur Sache. Und damit meinen wir natürlich das neue Rad. Denn das Silex tritt bei Merida in große Fuß- oder besser gesagt Reifenspuren. Schließlich entwickelte sich das im Jahr 2018 vorgestellte erste Version des Silex zu einem echten Verkaufsschlager. Auch Gravelbike hatte das Rad bereits in der zweiten Ausgabe des Magazins getestet. Fazit damals: "Das Silex präsentiert sich als sehr zuverlässiger und praktischer Allrounder, an dem vor allem komfortorientierte Fahrer und Bikepacking-Fans ihre Freude haben".
Was ist geblieben?
Verständlich: Als eines der erfolgreichsten Pferde im Stall wollte Merida das Silex nicht radikal verändern. "Vielmehr wollten wir die Silex-DNA weiterentwickeln und modernisieren", erklärt Merida Produktmanager Hannes Noller. Ziel: Ein vielseitiges Gravelbike mit eher komfortabler Sitzposition, das gerade auch Einsteiger:innen anspricht. Und das dank vieler Montagepunkten für Schutzbleche, Radtaschen und beim Alu-Modell auch Gepäckträger alles mitmacht. Und zwar vom WM-Rennen über die Fahrt zur Arbeit bis zu langen Bikepacking-Abenteuern. So haben die Gravelbike-begeisterten Merida-Entwickler mit dem Silex bereits Events wie Badlands, Basajaun oder Traka erfolgreich absolviert.
Was ist neu am Merida Silex 2024?
Ein kleines Update für die Geometrie durfte es aber doch sein. "Das Rad ist einen Tick länger, die Front einen Tick tiefer", so Noller. Zudem wurde das Steuerrohr etwas kürzer und die Gabel dafür etwas länger dimensioniert. Wesentlicher Hintergrund: So soll das neue Merida auch optisch etwas sportlicher wirken. Als positiver Nebeneffekt lässt sich so zudem eine Gravel-Federgabel verbauen, ohne die Geometrie zu beeinflussen. So wie etwa die Rudy von RockShox. Ab Werk gibt es diese Ausstattungsvariante allerdings zunächst nicht. Auch bei einem weiteren Hauptaugenmerk in der Entwicklung des neuen Silex spielt die Gabel eine wichtige Rolle: Der Reifenfreiheit. "Als wir den Vorgänger vorgestellt haben, waren 35 Millimeter schon viel", so Noller. Das neue Silex indes fasst auf 28-Zoll-Felgen 45 Millimeter breite Pneus. Dazu wurde unter anderem die rechte Kettenstrebe abgesenkt. Und wer genau hinguckt erkennt, dass auch noch ein bisschen mehr gehen dürfte. Ausprobieren konnten wir das allerdings noch nicht.
Die in der Geometrie des Silex wohl gravierendste Veränderung ist der um anderthalb Grad flachere Lenkkopfwinkel. Mit jetzt 69,5 Grad solle er mehr Stabilität vermitteln. Optisch ansprechend, aber zumindest bei Mechanikern nicht unumstritten, ist zudem die integrierte, durch den Steuersatz verlaufende Kabelführung. Apropos integrierte Kabelführung: Die Gabel ist für den Einsatz mit Licht und Nabendynamo vorbereitet, das Stromkabel lässt sich also auch "unsichtbar" durch das Innere der Carbon-Gabel führen.
Für besondere Bremspower sollen die durch die Bank bei allen Modellen verbaute Bremsscheiben mit 180 Millimetern Durchmesser vorne und hinten sorgen. Dazu gibt es bei den Carbon-Modellen noch den hauseigenen Disc Cooler, der Bremswäre effektiv ableiten und so noch mehr Bremsleistung bieten soll. "Gerade bei Bikepacking-Touren mit voller Beladung ist die starke Bremse ein großer Vorteil", sagt Hannes Noller.
Als weitere Features bietet das Silex eine ins Unterrohr integrierte Halterung für magnetische Fidlock-Trinkflaschen. Wer hingegen lieber auf klassische Flaschenhalter setzt, kann den entsprechenden Kunststoffeinsatz im Unterrohr einfach gegen eine Version mit klassischen Anschraubpunkten austauschen.
Nicht nur für Einsteiger:innen bietet Merida übrigens auch wieder eine Aluminium-Version des Silex. Die Geometrie entspricht der des Carbon-Rahmens. Auch die Gabel ist die gleiche. Allerdings fehlen die Disc Cooler an den Bremsen und der integrierte Fidlock-Halter im Unterrohr. Dafür lässt sich an dem Alu-Silex ein Gepäckträger montieren. Der Gewichtsunterschied zwischen den beiden Rahmen liegt laut Merida bei 680 Gramm.

Erster Praxistest
Zum Premieren-Test haben wir die Luxusversion des Bikes erhalten, das Silex 10K. Der metallic grün in der Sonne schimmernde Carbon-Rahmen wurde hier mit dem Feinsten ausgestattet, was Sram im Portfolio seiner elektronischen AXS-Schaltgruppen bietet. So wurden etwa Hebel und Kurbel von der Sram Red mit einem X01-Schaltwerk kombiniert.
Dazu gibt es Carbon-Laufräder von Reynolds, bestückt mit 45 Millimeter breiten Maxxis Rambler Reifen. Im Sitzrohr steckt zudem eine Vario-Sattelstütze von RockShox. Entscheidender Nachteil dieses Modells: Diese Top-Version des Silex wird zunächst in Deutschland gar nicht in den Verkauf gehen. Hier wird zunächst das Silex 7000 das höchste der Gefühle sein. Es basiert zwar auf dem identischen Rahmen, kommt aber mit der mechanischen Shimano GRX 1x12-Schaltgruppe und Alu-Laufrädern.

Ein längerer Reach sowie ein flacherer Lenkkopfwinkel sollen für noch mehr Stabilität sorgen. Gerade mit Gepäck soll dies Vorteile bringen.
In den Hügeln der Emilia-Romagna durften wir uns mit dem Silex austoben. Die in der Geometrie gleiche, jedoch deutlich günstigere Alu-Version konnten wir vor Ort leider nicht testen. Aber das holen wir bald nach. Versprochen.
Trotz der nominell im Vergleich zum Vorgänger gar nicht so stark veränderten Geometrie: Das neue Silex fühlt sich ab dem ersten Pedaltritt spürbar erwachsener und aggressiver als sein Vorgänger an. Dabei beweist es auf den abwechslungsreichen Strecken durch Italien, dass es sich so ziemlich überall wohlfühlt. Auf flachen Straßen, Schotterwegen und auch Wiesen legt es einen flotten Auftritt hin. Matej Mohorič lässt grüßen. Im Anstieg gibt es sich dank des vergleichsweise geringen Gewichts spritzig. Und wenn es richtig steil wird, kommt die Eagle-Kassette mit gewaltigen 52 Ritzeln zur Rettung. Nur wenn in diesen sehr steilen Passagen noch grober Schotter liegt, erreichen die 45 Millimeter breiten Reifen irgendwann ihre Grenzen. Aber fairerweise muss man sagen, dass es hier wohl nur wenigen Reifen anders erginge.
Die Sitzposition fühlt sich angenehm, aber nicht übertrieben aufrecht an. Auch sonst bietet das Silex nicht nur aufgrund der breiten 45er-Reifen ordentlichen Komfort. Nur die im ausgefahrenen Zustand recht unnachgiebige Vario-Sattelstütze mindert den Dämpfungskomfort im Heck geringfügig.
Ihre Vorteile spielt die absenkbare Sattelstütze dann in der Abfahrt aus. Hier macht das Silex richtig Spaß. Ganz gleich ob auf breiten Schotterwegen oder gerne auch mal etwas ruppigeren Passagen oder leicht technischen Singletrails: Dank der gelungenen Kombination aus satter Schotterstraßenlage und berechenbarem Handling ist das Silex jederzeit Herr der Situation. Es setzt stets genau das um, was der Mensch im Sattel von ihm will. Nie versucht es, seinen eigenen Willen durchzuboxen. Wirklich aus der Ruhe bringen ließ es sich nur beim obligatorischen Halt an der Gelateria, was aber auch nur dem beinahe zu späten Ausklicken aus dem Pedal geschuldet war. Mutmaßlich hatte das Bike einfach noch keine Lust auf eine Pause.
Fazit: Im ersten Test erweist sich das Silex als gelungene und vielseitige Weiterentwicklung des Erfolgsmodells. Sowohl Gravelbike-Einsteiger als auch Fans ausufernder Bikepacking-Trips dürften mit diesem Rad glücklich werden. Und dass es gerne auch mal etwas flotter unterwegs ist, hat das Merida Silex spätestens im Zusammenspiel mit Gravelbike-Weltmeister Matej Mohorič überzeugend bewiesen.
Überblick Merida Silex Modelle
Das neue Silex gibt es bisher in insgesamt fünf Ausführungen und Ausstattungen. Alle wichtigen Spezifikationen findest du in der Tabelle. Erhältich sind die Bikes laut Hersteller ab dem 1. Quartal 2024.
Interview mit Gravel-Weltmeister Matej Mahorič

Matej Mohori&; vom Team Bahrain-Victorious und amtierender Gravel-Weltmeister.
"Das Rennen war härter als jeder Klassiker!"
Exklusiv: Matej Mohorič im Interview
Der frischgebackene Gravel-Weltmeister stand uns Rede und Antwort
Matej Mohorič, herzlichen Glückwunsch zum Gewinn der Gravelbike Weltmeisterschaft. Du hast als Rennradprofi Etappen bei allen drei Grand Tours gewonnen, warst diverse Male slowenischer Meister und hast mit Mailand-Sanremo einen Klassiker des Radsports gewonnen. Wie fühlt es sich an, jetzt auch mal ein richtiges Rennen zu gewinnen?
Matej Mohorič: "Das ist etwas Besonderes für mich, denn es ist die Rückkehr zu meiner Liebe. Als kleines Kind wollte ich eigentlich Offroad fahren. Damals mit dem Mountainbike. Aber all meine Freunde sind Rennrad gefahren. Also habe ich mitgemacht und plötzlich war ich Rennradprofi. Das WM-Rennen war sicherlich einer der schönsten Tage, die ich je auf einem Fahrrad erleben durfte. Und zwar gar nicht so sehr aufgrund des Ergebnisses, sondern vielmehr wegen der Strecke."
Wie ist das Rennen denn aus deiner Sicht gelaufen?
"Ich habe mir die Videos gestern nach dem Rennen angesehen. Das wirkte deutlich weniger anstrengend, als es wirklich war. Es war an manchen Stellen wirklich hart. Aber ich habe es genossen. Manche sagen, es hätte zu viel Asphalt gegeben. Das finde ich aber nicht. Er wurde nur genutzt, um die Gravel-Abschnitte zu verbinden. Da hattest du dann zumindest mal zwei bis drei Minuten, in denen du etwas trinken und essen konntest. Nur hier und am Start konntest du dich wirklich mal ans Hinterrad hängen und etwas Energie sparen. Ich fand es übrigens gut, dass es am Start erst mal über lange, breite Schotterwege ging. So konnte sich das Feld gut sortieren. Die Strecke war unglaublich lang und herausfordernd. Gemessen an den Leistungsdaten war es härter als jeder Klassiker im Radsportkalender. In der letzten Stunde des Rennens waren alle am Ende. Und dann kam zum Schluss noch der härteste Anstieg des Tages."
Was war für dich der rennentscheidende Moment?
"Ich glaube das Rennen wurde entschieden, als wir uns nach etwa anderthalb Stunden mit sieben Fahrern absetzen konnten. Dann hatte Wout van Aert seinen dritten Reifenschaden. Zudem hatte er bereits einen Sturz hinter sich. Wir haben im nächsten Anstieg weiter reingetreten und plötzlich waren wir nur noch zu dritt. Und ich wusste, dass ich von uns dreien die besten Chancen auf den Sieg habe. Immer vorausgesetzt natürlich, dass ich von Defekten verschont bleibe. Denn ich war der leichteste der drei. Damit hatte ich im besonders hügeligen Finale einen großen Vorteil."
Kanntest du die Strecke bereits?
"Ja, ich bin die ersten 15 und die letzten 40 Kilometer vorher abgefahren. Eigentlich war dieser Sieg gar nicht so geplant. Ich wollte das Rennen nur fahren, um einen schönen Tag auf meinem Gravelbike zu genießen."
Das hat ja auch ganz gut funktioniert.
"Das stimmt. Letzte Woche habe ich im Finale des Crorace gemerkt, dass ich in wirklich sehr guter Form bin. Da habe ich kurz gedacht, ich hätte mich stärker auf die Gravelbike-WM konzentrieren und den Kurs komplett abfahren sollen. Aber dann habe ich die Zeit doch lieber mit meinen Kindern verbracht, nach diesem langen Sommer auf dem Rennrad."
Warum hast du dich für das neue Merida Silex entschieden, anstatt das Scultura Endurance GR zu nehmen?
"Weil es mehr Offroad-Möglichkeiten bietet, mit Platz für breitere Reifen und einem längeren Radstand. Der Kurs war ganz anders als im vorigen Jahr. Diesmal war es ein echter Gravelbike-Kurs. Manchmal erinnerte die Strecke sogar eher an einen MTB-Marathon."
Verrate uns ein bisschen was zu deinem Setup.
"Ich wollte vorne mindestens ein 50er-Kettenblatt für die schnellen Abschnitte haben. Denn im Flachen sind wir auf Asphalt fast einen Schnitt von 50 km/h und auf Schotter über 40 km/h gefahren. Und für die steilen Anstiege am Ende wollte ich eine 1:1-Übersetzung mit einem kleinen 34er-Kettenblatt vorn und einem 34er-Ritzel hinten. Das war perfekt für mich. Im kommenden Jahr würde ich das Cockpit verändern. Ich habe versucht die Sitzposition von meinem Rennrad zu übernehmen, aber für das Gravelbike ist es vielleicht etwas zu lang. Daher habe ich mich für einen kleineren Rahmen in Größe S und einen längeren 140-Millimeter-Vorbau entschieden. Da würde ich eher auf einen kürzeren Vorbau und einen negativen Winkel gehen. Ansonsten war das Setup perfekt."
Was für Reifen bist du gefahren?
"Ich bin die Terra Speed von Continental in 40 Millimeter Breite gefahren. Das erschien mir noch leicht genug für die Anstiege, aber vielleicht hätten 45 Millimeter Breite Reifen sogar noch besser funktioniert. Auf jeden Fall hättest du weniger Reifenschäden, aber damit hatte ich zum Glück ohnehin keine Probleme."
Was sind jetzt als amtierender Gravelbike-Weltmeister deine weiteren Pläne auf dem Gravelbike?
"Ich habe schon als Junior und U23-Fahrer Weltmeisterschaften gewonnen. Allerdings konnte ich das Weltmeistertrikot nie im Rennen tragen, weil ich im folgenden Jahr jeweils in der nächsthöheren Kategorie gefahren bin. Diesmal will ich sicherstellen, dass ich das Trikot auch tragen kann. Deshalb werde ich dem Team Druck machen, damit ich viele Gravelbike-Rennen fahren kann. Merida wird mich dabei sicherlich unterstützen."
Wie wird sich das Thema Gravelbike weiterentwickeln?
"Ich denke gerade bei den Hobbysportlern wir das Thema immer größer. Viele nutzen das Gravelbike auf der Straße, fahren damit aber schmalere Straßen mit weniger Verkehr und fühlen sich dort sicherer. Außerdem findest du auf dem Gravelbike einfacher eine schöne Runde in deiner Nähe als auf dem Rennrad. Auch als Sport wird das Gravelbike weiter an Relevanz gewinnen. Zumal die Rennen etwas ganz Besonderes sind, mit dieser tollen Atmosphäre und dem gemeinsamen Start von Profis, Masters und Hobbysportlern. Das hat eine große Zukunft. Und die Rennen sind viel spannender als auf der Straße. Ich fand es schade, dass sie die ersten zwei Rennen unseres Rennens nicht übertragen haben. Denn das war wirklich intensiv und chaotisch. Das wären tolle Bilder gewesen."
"Was sagst du dazu, dass das Frauenrennen nicht übertragen wurde?"
MM: "Das war ganz klar der Tiefpunkt der Weltmeisterschaften. Ich hoffe sie lernen daraus und ändern es für die Zukunft. Zumal der Frauenradsport an Fahrt aufnimmt. Es wird immer professioneller und spannender anzusehen, auch im Fernsehen."