Peter: Ich fahre den G-One RS hinten und den R vorne, beide in 45 Millimeter – in Tubeless, das ist ja quasi ein Must-have auf dem Gravelbike. Die Kombi funktioniert einfach immer gut, auf der Straße, im Gelände, ich komme überall gut damit klar. Oliver: Ich habe gerade Gravel-Reifen und MTB-Reifen ausprobiert, darum habe ich auf meinem Crux einen Cross-Country-MTB-Reifen Air Trak 2.2 montiert. Ich muss sagen: Volumen ist schon nicht schlecht. Ist natürlich extrem abhängig vom Terrain und Untergrund. Bei viel Asphalt und feinem Gravel würde ich auch einen schmaleren Reifen nehmen, aber auf ruppigem Untergrund läuft das größere Volumen einfach besser über Wurzeln und Absätze.

Peter ist als Senior Advisor Product Management R & D Road Gravel Cross bei Schwalbe maßgeblich für die Gravel-Reifen verantwortlich. Privat ist der Gravel-Veteran mit dem Bike gerne auch auf langen Reisen unterwegs – zum Beispiel in der Wüste.
Oliver: Im Alltag auf meinem Bike fahre ich immer einen Allrounder, den Pathfinder. Aber wenn es um ein Event geht, wie das UCI Gravel oder ähnliches, dann würde ich schon immer sehr spezifisch auswählen. Peter: Ich fahre gerne immer eine Kombi. Natürlich wechsle ich auch durch, das ist ja schon berufsbedingt: Die Reifen, die ich entwickle, fahre ich natürlich auch.

Der Senior Technology Product Manager bei Specialized verantwortet Strategie, Entwicklung und Rennsportbetreuung der Road- und Gravel-Reifen bei der US-Marke. Oliver ist privat meist auf dem Rennrad oder Gravelbike unterwegs.
Peter: Ganz ehrlich, das schaffe ich rein zeitlich gar nicht. Natürlich untersuchen wir Konkurrenzprodukte und machen unser Benchmarking, aber es klappt einfach nicht, alle zu fahren. Oliver: Wir kaufen alles, was interessant ist, und schauen uns das an. Spannende Sachen, in welche Richtung man vielleicht gerade selber denkt, wo man einen genaueren Einblick haben will, das fährt man dann auch. Also ich probiere schon immer wieder auch mal andere Reifen aus.
Oliver: Bei uns ist das ganz klar der Pathfinder. Das ist auch der Reifen, der zigfach auf unseren Gravelbikes montiert ist – und der wird dann eben auch stark nachgekauft. Peter: Das ist bei uns der G One Allround, den wir 2015 eingeführt haben. Das ist zahlenmäßig immer noch der am meisten verkaufte Schwalbe-Reifen. Wobei man sagen muss, dass der nicht nur auf Gravelbikes, sondern auch auf Urban- und Commuter-Bikes montiert wird. Im ambitionierten Gravel-Bereich ist die R-Linie am meisten montiert, der R, RS und ganz neu der RX. Für mich ist Gravel eigentlich eine Mischung aus Straße und Gelände, und dafür ist der RS einfach der beste Gravel-Allrounder, der ist auch sehr beliebt.
Peter: Im OE-Bereich, also an Bike-Hersteller für die Erstbestückung, sind das mittlerweile eindeutig 45 Millimeter. Im Aftermarket – an Endkunden – noch viel 40 Millimeter. Aber man merkt, dass sich 45 Millimeter immer stärker verkaufen, weil die Leute eben immer häufiger Bikes haben, die Platz für etwas breitere Reifen bieten. Oliver: Das ist bei uns ähnlich: Die 40-Millimeter- Reifen liegen immer noch leicht vorn. Das ist historisch bedingt, weil wahnsinnig viele Bikes im Markt gar keinen Platz für breitere Reifen bieten. Wie Peter sagt: Die älteren Bikes sind der limitierende Faktor. Wir verkaufen insgesamt immer mehr Gravel-Reifen, das ganze Wachstum ist bei den 45er-Reifen, die 40 Millimeter stagnieren.
Peter: Man muss da unterteilen. Es es gibt ja viele, die das Gravelbike als Urban- oder Commuter-Bike nutzen. Das sind Räder um 1200 Euro oder darunter, die das günstige Hardtail abgelöst haben. Die fahren den Reifen erst mal runter und suchen dann einen, der vor allem pannensicher ist. Dann gibt es die Leute, die den nächsten Schritt machen und ambitioniert graveln, die mal Bikepacken gehen, eine längere Tour planen oder mal ein Event mitfahren. Ich würde schätzen, es sind 40 Prozent, die wirklich über ihre Reifen nachdenken. Oliver: Ich würde sagen, die allerwenigsten probieren wirklich mal ein anderes Profil oder eine andere Breite aus. Auch wenn Reifen relativ günstig sind, zahlt man halt doch um die 100 Euro für einen neuen Satz. Nur um mal was auszuprobieren, ist das doch viel Geld. Das muss dann schon dein Hobby Nummer eins sein. Wirklich umbauen und experimentieren, das machen eigentlich nur wirklich ambitionierte Racer.
Peter: Bei Rennen fahren natürlich 90 Prozent Tubeless. Aber im Alltag? Schwer zu sagen. Oliver: Ich weiß auch nicht, wie viele wirklich umrüsten.
Peter: Vor allem die Ambitionierten und Technikbegeisterten versuchen, ihr Bike über die Reifen zu optimieren. Ich vermute, dass viele das Bike erst mal so fahren, wie sie es gekauft haben, also mit Schlauch. Und erst nach einer Weile darüber nachdenken, auch mal Tubeless auszuprobieren. Ich fände es super, wenn die Bike-Hersteller bei einem neuen Rad gleich Tubeless- Milch mitliefern würden. Tubeless-Ventile sind ja manchmal dabei, auf vielen Felgen ist ab Werk ein Tubeless-Band montiert, also braucht man nur noch die Milch.
Peter: Ich finde, jeder sollte auf dem Gravelbike Tubeless fahren. Die Wahrscheinlichkeit, keinen Platten zu bekommen, ist extrem viel höher als mit Schlauch. Der Pannenschutz ist ja nicht nur für Ambitionierte, sondern auch beim Commuting oder in der Stadt wichtig. Dazu hast du weniger Rollwiderstand, mehr Komfort und besseren Grip. Oliver: Tubeless ergibt für alle Sinn, die regelmäßig fahren und ihr Bike selbst pflegen. Aber ganz ehrlich: Wer seltener oder über Monate gar nicht fährt, für den kann ein Schlauch die bessere Wahl sein. Tubeless ist wartungsaufwendiger. Und manchmal hast du trotzdem einen Schleicher, weil die Milch nicht richtig abdichtet. Oder sie trocknet aus, dann hast du einen Klumpen im Reifen, den kriegst du nicht gut raus. Das Argument mit dem Pannenschutz gilt nur bei flüssiger Milch. Im Gravel-Bereich sind viele Neulinge unterwegs, viele fahren gar nicht so oft, und über den Winter steht das Bike. Tubeless brauchen Leute, die im absoluten Performance-Bereich unterwegs sind: mit möglichst niedrigem Luftdruck und daher durchschlaggefährdet. Es gibt mittlerweile gute Alternativen: Mit einem TPU-Schlauch spart man gegenüber einem Butyl-Schlauch viel Gewicht und etwas Rollwiderstand, das ist für viele ein super Performance-Package, das viel weniger Aufwand bedeutet als Tubeless.
Peter: Man muss überlegen, wo man fahren will. Im Alltag brauche ich maximalen Pannenschutz. Im Performance-Bereich sind Gewicht und Leichtlauf entscheidend. Wer das Gravelbike ambitioniert nutzt, sollte sich überlegen: Auf welchem Untergrund bin ich unterwegs? Wie viel Prozent Straße, wie viel Gelände? Wenn ich zum Bikepacken gehe, ist der Pannenschutz natürlich wieder wichtiger, da sollte man nicht voll auf Leichtbau gehen. Oliver: Es kommt darauf an, was man fährt. Viele fahren meist bei Trockenheit, nicht im tiefen Matsch und hauptsächlich auf "Hardpack", also griffigem Untergrund. Da ist ein Allrounder wie unser Pathfinder optimal. Den nimmt man so breit wie möglich, und dann geht es hauptsächlich darum, den richtigen Luftdruck zu finden.
Peter: Eher die Breite. Das Profil natürlich auch, je nachdem, wo ich fahre. Aber für mich sind 45 Millimeter immer noch die Breite für fast alle Einsatzzwecke. Wenn ich auf 50 oder 55 Millimeter gehe, fühlt es sich schon eher wie ein MTB an. Das Bike wird träge, verliert das direkte Fahrgefühl. Deshalb weiß ich auch nicht, ob es sinnhaft ist, ein Bike schon ab Werk mit so breiten Reifen auszurüsten. Aber das muss jeder Hersteller für sich entscheiden. Oliver: Die Breite ist wichtiger, würde ich sagen. Mehr Volumen ist meistens entscheidender als das Profil.

Der Luftdruck kann beim Gravel-Reifen ein entscheidender Punkt sein.
Oliver: Rollwiderstand ist wichtiger. Peter: Kommt wieder darauf an, wo ich fahre. Aber grundsätzlich spielt das Gewicht eine untergeordnete Rolle.
Oliver: Einen schlechten Reifen kann man durch den Luftdruck nicht besser machen, aber einen guten Reifen durch falschen Luftdruck schlechter. Nur der richtige Luftdruck holt das Maximale aus dem Reifen raus. Peter: Der Luftdruck ist megawichtig für Grip und Traktion. Bei schmalen Reifen macht der Luftdruck die Auflagefläche größer oder kleiner, verändert so die Eigenschaften extrem. Breite Reifen haben ohnehin mehr mechanischen Grip und bessere Traktion. Auf der Straße verbessert mehr Luftdruck den Rollwiderstand, bei Nässe und im Gelände bringt weniger Luftdruck mehr Grip und Kontrolle. Das merkt man extrem, wenn man den Luftdruck mal probehalber in 0,2-Bar-Schritten erhöht.





