Gravelbike Bockstein Mauerweg im Test

Leichtgewichtiger Schotterflitzer aus Berlin
Das Gravelbike Bockstein Mauerweg im Test

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Zuletzt aktualisiert am 23.05.2024
Bockstein Mauerweg,Gravelbike,Seitenansicht
Foto: Thomas Terbeck

Schönefeld, Lichtenrade, Henningsdorf. Ist das Bockstein Mauerweg Gravelbike erst einmal ausgepackt, fallen die vielen, auf dem Oberrohr lackierten Ortsnamen auf. Wer in Geschichte aufgepasst hat: Dies sind die Orte der ehemaligen Grenzanlagen entlang der Mauer, der einstigen innerdeutschen Grenze. Damals gefürchtetes Grenzgebiet, heute prädestiniertes Gelände für feinste Gravelrides. Die Zeiten haben sich zum Guten gewandelt, Bockstein setzt mit "seinem" Mauerweg neue, positive Akzente.

Überzeugender Rahmen

Top ist der Rahmen, der aus einem leichten Kohlefaserverbund, im Monocoque-Verfahren hergestellt wird, und in Größe M (Testbike) nur 1060 g wiegt. Die Carbon-Gabel ist mit 460 g ebenfalls erfreulich leicht. Des Weiteren ist der Rahmen bereits für eine interne Kabelführung und mögliche 2-fach-Schaltungen vorbereitet. Denn: bei Bockstein lässt sich das Bike nach eigenen Wünschen konfigurieren, dementsprechend ist die beim Testbike vorhandene Ausstattung keine Serie, sondern eine Option.

Spannende Komponentenauswahl

Unser Bockstein Mauerweg wurde mit Campagnolos Ekar 1×13-fach-Gruppe mit 9-42-Kassette ausgestattet, was der Vielseitigkeit des Bikes, was Geschwindigkeit und Klettervermögen angeht, entgegenkommen soll.

Eine Besonderheit stellen die in eigener Produktion hergestellten und in über zweieinhalb Jahren selbst entwickelten Aikon-Laufräder G740, hookless, dar. Wo bei herkömmlichen Tubeless-Felgen ein spezielles Felgenband zum Einsatz kommt, um die Speichenlöcher abzudichten, hat Bockstein das sogenannte T3-System eingeführt, das für "Tapeless Tubeless Technology" steht. Das bedeutet, dass das Felgenbett komplett geschlossen ist und die Felgen somit kein Felgenband mehr benötigen. Dazu werden die Felgen mit Revolite Messerspeichen von DT Swiss versehen, die hochwertige und leichte Nabe kommt von der italienischen Premium-Marke Carbon-Ti. Das Gewicht der Laufräder beträgt 1300 g.

Für Fans des Leichtbaus eine Info: Wer alternativ die Aikon G725 im Konfigurator auswählt, kann weitere, satte 300 g sparen. Die Besonderheit: Bei diesen Laufrädern werden Polymer-Fadenspeichen verwendet. Diese Kunststofffaser soll sogar reißfester als Stahl sein und kann in Wunschfarbe geordert werden. Das dicke Ende kommt bekanntlich immer am Schluss: Der Preis für die "Wonder-Wheels" beträgt schlappe 2895 Euro und somit 1550 Euro für 300 g weniger Gewicht.

Auf den holprigen Schotterpfaden an Rhein und Ruhr, auf den wir das Bockstein Mauerweg getestet haben, kamen René Herse Hurricane Ridge Extralight-Pneus in 700c × 42 zum Zuge. Dies ist zugleich die maximale Reifenbreite, alternativ können 650B-Reifen mit maximal 48 mm Breite montiert werden. Zugreifen: beim Testbike nahm der 420 mm breiten BBB Gravel-Lenker mit unseren Händen Kontakt auf, gethront wurde auf den SQlab 614-Sattel, der uns sänftenartig über die Buckelpisten tragen sollte.

Das Bockstein Gravelbike: wohin mit dem (Mauer)Weg?

Schnell und agil soll das Berliner Gravelbike sein. Rahmen und Komponenten sprechen eine deutliche Sprache. Die Leichtigkeit stand eindeutig im Vordergrund. Das Gewicht des Rahmens sowie die bewusst leicht und dennoch stabil konstruierten G740-Laufräder gieren nach Geschwindigkeit. Rasant über Schotterpisten und Waldautobahnen zu brettern und auf die Jagd nach Ruhm und Ehre zu gehen ist das, was das Mauerweg möchte. Bikepacking ist natürlich möglich, die Gabel ist jedoch nur bedingt für Gepäck geeignet, sie besitzt keine Montageösen. Ebenso fehlt diese für Top Tube-Bags mittlerweile beliebte Montagemöglichkeit am Oberrohr.

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Thomas Terbeck

Hinaus in die Wildnis

Ein Tritt in die Pedale, ein Grinsen im Gesicht und das mit 8,2 kg* nachgewogene Mauerweg sprintet nach vorn. Flinke Links-Rechts-Kombinationen gepaart mit schnell wechselnder Kurvenlage; dass dies ein Bike für Race und flotte Tempo-Nummern ist, kann definitiv nicht geleugnet werden. Das steife Tretlager sorgt für direkte Kraftübertragung, gerade im Sprint machte dies unserem Testfahrer ordentlich Spaß. Passend fanden wir dazu die Übersetzung, die es sowohl erlaubt richtig Dampf zu machen, aber dennoch genug Reserven für die meisten Anstiege besitzt.

Die Ergonomie der Brems-Schalthebel von Campagnolo gefällt gut, über den "kleinen" Daumentaster rechten Hebel lässt sich jedoch nach wie vor kontrovers diskutieren. Dem einen liegt die Schaltung, dem anderen nicht. Der Schaltvorgang der mechanischen Campa ist für unseren Geschmack jedoch etwas zu ruppig und undefiniert, funktioniert aber zuverlässig und einwandfrei.

Die Sitzposition ist sportlich,leicht gestreckt, ohne unbequem zu sein. Der ergonomische BBB-Gravel-Lenker schmeichelt den Händen, ist griffig im Ober- und bequem im Unterlenker. Dazu weist er einen angenehmen, nicht zu starken Flare auf und passt zum schnittigen Charakter des Mauerwegs. Er gewährleistet stetiges, sicheres Handling. Trotz Provokationen in Form von Fahrens über abschüssigen, rumpeligen Buckelpisten und Geschepper-Abfahrten der Halden im Ruhrpott, wo es ordentlich zur Sache geht. Die Bremsen verzögern dabei top, sind prima dosierbar. Der Abstand der Bremshebel zum Lenker lässt sich zur Optimierung an die eigenen Finger anpassen.

Ein Kritikpunkt gibt es dennoch: Auf holprigem Untergrund dürfte der Komfort am Heck etwas höher sein, die Sattelstütze schluckte die Schläge nicht immer befriedigend. Mit Tubeless-Bereifung und entsprechendem Luftdruck lässt sich dieses Manko etwas ausgleichen, der SQlab-Sattel brauchte am Gesäß etwas Eingewöhnung, zeigte seine Stärke dann aber gerade auf längeren Touren.

Im wahrsten Sinne des Wortes "profilieren" konnten sich die René Herse-Pneus, die sich dank ihrer Stollenanordnung nicht nur auf Feld-, Wald- und Schotterwegen sicher in den Boden gruben, sondern auch auf Asphalt einen rollfreudigen Eindruck hinterließen. Auffällig: aufgrund der Anordnung dieser Stollen wurden auf Schotterwegen viele kleine Steinchen oder Rollsplit aufgeworfen, was sich mit einem Geprassel gegen das Unterrohr bemerkbar machte. Keine echte Schwäche, aber das Unterrohr sollte bei dieser Reifenwahl besser mit einer Lackschutzfolie versehen werden. Zum leichtläufigen Gesamteindruck trugen die Aikon G740-Laufräder mit der Carbon-Ti X-Hub SP-Nabe bei, die noch leichtere Laufräder nicht vermissen ließen. Prima.

Fazit

Bockstein bietet mit dem Gravelbike Mauerweg einen echten Geheimtipp. Wer auf der Suche nach einem leichten, schnellen und agilen Gravelracer mit hohem Spaß-Faktor ist, findet auch dank der Individualisierungsmöglichkeiten ein spannendes, durchdachtes Konzept vor. Der hochwertig verarbeitete und zeitgemäße Rahmen gefällt, die saubere und sorgfältige Montage aller Komponenten sticht hervor. Auch die hauseigenen Laufräder überzeugen durch Leichtigkeit und Robustheit auf sämtlichen Geläuf. Kritik gibt es am Heck, dies dürfte etwas komfortabler dämpfen. Der Preis für das Testbike beträgt 4700 Euro, andere Hersteller verbauen dafür jedoch auch schon mal eine elektronische Schaltung, haben aber auch je nach Firmengröße ganz andere Möglichkeiten. Dafür ist das Mauerweg kein Bike von der Stange, das relativiert den Preis.

Mehr Infos zum Bockstein Mauerweg auf der Website des Herstellers.