Ein Gravelbike mit Staufach im Unterrohr und Dämpfer zwischen Vorbau und Steuerrohr: Im Jahr 2014 als abenteuerlustiges Rennrad vorgestellt, erscheint das beliebte Gravelbike aus Kalifornien jetzt in seiner bereits vierten Generation. Beim Launch-Event in Slowenien konnten wir die neuen Modelle aus Carbon und Aluminium nicht nur unter die Lupe nehmen, sondern auch erste Rides absolvieren.
Schon auf den ersten Blick lässt sich feststellen: Mit dem neuen Diverge 4 ist Specialized ganz offensichtlich einem erfolgreichen Konzept treu geblieben. Denn zumindest optisch lässt sich das laut Hersteller komplett neu entwickelte Rad kaum vom im Jahr 2019 vorgestellten Vorgänger unterscheiden. Doch im Detail spendieren die Kalifornier ihrem Allround-Gravelbike eine ganze Reihe von Neuerungen – und sprechen vom dem vielseitigsten Diverge aller Zeiten.
Unterschiede im Detail
Ein für das Auge etwa kaum zu erkennender Unterschied an der neuen Generation ist die überarbeitete Geometrie. Das von Diverge 2 auf Diverge 3 um 8 Millimeter nach oben gesetzte Tretlager etwa wandert wieder um 5 Millimeter nach unten. Damit soll vor allem dem Trend zu größeren Reifen Rechnung getragen werden. Mehr Reach soll den Einsatz kürzerer Vorbauten erlauben, ein flacherer Lenkwinkel für mehr Stabilität bei hohen Geschwindigkeiten sorgen. Last but not least wachsen die Kettenstreben um 5 Millimeter an, um mehr Reifenfreiheit bei ausbalanciertem Handling zu erlauben.
Apropos Reifenfreiheit: Wie schon beim Vorgänger setzt Specialized sowohl beim Carbon- als auch beim Alu-Diverge auf massive, besonders schlanke Kettenstreben. Nach 35 Millimetern beim Ur-Diverge über 42 und 47 Millimetern bei Generation 2 und 3 wächst die vom Hersteller angegebene maximale Reifenfreiheit damit auf jetzt 50 Millimeter an. Mit noch 8 Millimetern Spielraum als Sicherheitsreserve wohlgemerkt.

Mehr Reifenfreiheit durch schlanke und längere Kettenstreben: bis zu 50 Millimeter breite Pneus passen laut Specialized in die neuen Diverge-Modelle.
Dämpfer-Update für Future Shock
Eine weitere Neuerung betrifft ein Alleinstellungsmerkmal des Diverge: Der praktisch unsichtbar zwischen Steuerrohr und Vorbau platzierte Future Shock Dämpfer kommt in der neuen, dritten Generation zum Einsatz. Der bereits aus Modellen wie dem Specialized Roubaix Rennrad bekannte Dämpfer bietet weiterhin 20 Millimeter Federweg, soll aber besser gedichtet und einfacher zu warten sein, als es noch beim Vorgänger der Fall war.
Bei den Top-Modellen Diverge Pro und Diverge Pro LTD kommt der per Drehknopf verstellbare Future Shock 3.3 mit hydraulischer Dämpfung zum Einsatz. Ebenfalls hydraulisch gedämpft, aber nicht per Drehknopf einstellbar ist das Future Shock 3.2 System, welches an den mittelpreisigen Modellen Diverge Comp und Diverge Expert zum Einsatz kommt. Die beiden Alu-Varianten Diverge E5 Sport und E5 Comp sowie das günstigste Carbon-Modelle Diverge Sport setzen auf Future Shock 3.1, das ohne Hydraulik kommt. Praktisch: Das Diverge wird mit drei farbig markierten Future-Shock-Federn verkauft, die sich zur Anpassung des Dämpfungsverhaltens austauschen lassen. Ein Nachteil des Systems: Da der Dämpfer den Weg vom Vorbau Richtung Steuerrohr blockiert, ist eine integrierte, unsichtbare Führung der Bremsleitungen sowie etwaiger Schaltzüge am Diverge nicht möglich.

So sieht das Future-Shock-System aus, wenn es nicht im Bike verbaut ist. Die drei farbig markierten Federn lassen sich zur Anpassung der Dämpfungscharakteristik austauschen.
Future Shock wurde übrigens auf besonders Betreiben des Ex-Rennradprofis Peter Sagan speziell für das harte Kopfsteinpflaster-Rennen Paris-Roubaix entwickelt. Besonderheit des Systems ist es, dass nicht das komplette Fahrrad, sondern nur der Mensch im Sattel gefedert wird. Durch die geringeren Vibrationen verspricht Specialized nicht nur mehr Komfort, sondern auch mehr Power. Konkret wird ein Vorteil von 11 Watt bei einer Geschwindigkeit von 20 km/h genannt. "Die neue Version dämpft nicht nur noch geschmeidiger, mit ihr habe ich auch erstmals selbst auf richtig rauem Terrain keine Durchschläge mehr gespürt", verriet uns Peter Sagen während des Launch-Events in Slowenien. Wie in alten Zeiten nahm er gemeinsam mit seinem ehemaligen Sprint-Anfahrer Daniel Oss an dem Event teil.

Wieder vereint: die beiden Ex-Radprofis und langjährigen Teamkollegen Daniel Oss und Peter Sagan beim Launch-Ride des neuen Specialized Diverge.
Passend zum Dämpfer an der Front soll die Carbon-Sattelstütze Roval Terra für Komfort am Heck sorgen. Konkret verspricht Specialized einen Flex von bis zu 18 Millimetern. Dazu kommt der zusätzliche Komfortgewinn durch die breiteren Reifen. Dieses Dämpfungs-Plus scheint Specialized auch dazu bewogen zu haben, die vollgefederte STR-Version für das neue Diverge 4 nicht anzubieten.
Der Kofferraum fürs Gravelbike
Neben Geometrie und Dämpfung gibt es ein weiteres wesentliches Element am Diverge, dem Specialized ein Update gönnt: das mit dem Vormodell eingeführte SWAT-Staufach im Unterrohr. In den Carbon-Rahmen wächst es mit der neuen Version SWAT 4.0 etwas an. Specialized spricht von rund zehn Prozent mehr Stauraum im Rahmen und einer rund fünf Prozent größeren Öffnung. Ganz neu bringen die Kalifornier das Staufach zudem erstmals auch an ein Alu-Gravelbike – als einer der ersten Hersteller überhaupt.

Das Fach im Unterrohr des Diverge bietet jetzt 10 Prozent mehr Stauraum. So lassen sich zum Beispiel ziemlich viele Gummibärchen unterbringen.
Interessant: Der ebenfalls neu entwickelte Aluminium-Rahmen soll sich laut Entwicklern nicht vor dem Carbon-Rahmen verstecken müssen. Allerdings wird er nur mit eher Richtung Einsteiger-Gravelbike orientierter Ausstattung angeboten. So kommt das 2299 Euro teure Diverge E5 Sport mit der Shimano Cues Schaltung, das bei 2799 Euro liegende Diverge E5 Comp mit der mechanischen Sram Rival. Eine Ausstattungsvariante mit elektronischer Schaltung sucht man vergeblich, auch als Rahmenset ist das Alu-Diverge nicht erhältlich.
Die neun Diverge-Modelle im Einsatz
"Nur gucken, nicht anfassen!" Von wegen: Zum Launch durften wir das Diverge auch gleich zum Tanz über den Schotter bitten. Oder besser gesagt die Diverges. Mit dem Carbon-Modell Diverge Expert AXS konnten wir eine 65 Kilometer lange Runde mit mehr als 800 Höhenmetern absolvieren. Tags darauf ging es mit dem Alu-Modell Diverge E5 Comp auf eine 42-Kilometer-Tour mit mehr als 700 Höhenmetern.

Dank starker Dämpfungseigenschaften nimmt das Diverge auch ruppigen Passagen den Schrecken.
Dabei überzeugten beide Bikes vom Stand weg mit souveränem Handling, viel Fahrkomfort und starken Allround-Fähigkeiten. Egal ob auf schnellen Schotter-Passagen oder technischeren Abschnitten: Das Diverge fühlte sich im Süden Sloweniens spürbar wohl. Der vielleicht eindrücklichste Unterschied des Alu-Modells im Vergleich zum mehr als doppelt so teuren Carbon-Diverge ist die Schalt-Performance von Srams mechanischer Apex-NX-Eagle-Kombi im Vergleich zur elektronischen Rival XPLR AXS. Wer einmal die Vorzüge des schnell und exakt schaltenden 13-fach-Systems genießen durfte, möchte kaum zurück zur 12-fach-Mechanik. Auch die Unterschiede des Future Shock 3.1 Dämpfers im Vergleich zur sanfter ansprechenden Hydraulik-Variante 3.2 sind spürbar, aber nicht elementar. Der deutliche Gewichtsnachteil des Alu-Diverge von insgesamt 1,6 Kilogramm indes lässt sich am Anstieg nicht verhehlen. Dank der deutlich breiter abgestuften Übersetzung des Eagle-Schaltwerks kann das günstige Modell diesen Malus aber zumindest ein Stück weit kaschieren.

Flott unterwegs: In der Ebene und bergab macht das etwas schwerere Alu-Diverge eine gute Figur.
Egal ob Carbon oder Alu: Insgesamt machen beide Varianten des neuen Specialized Diverge richtig viel Spaß. Und sie zeigen, dass Specialized durch ein Preisfenster von 2299 bis 9999 Euro für beinahe jeden Anspruch das passende Diverge im Portfolio hat.