Border Bash Aragon: Gravel-Träume im Schatten der Pyrenäen

Reportage: Border Bash Aragon
Gravel-Träume im Schatten der spanischen Pyrenäen

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Zuletzt aktualisiert am 04.12.2024
Border Bash Aragon: Auf der Brücke
Foto: Maty Podroužek

"Mal trägt dein Bike dich, mal trägst du dein Bike." Bei der Premiere im Jahr 2023 wurde dieser Ausspruch zu so etwas wie dem Motto des Border Bash Aragon. Doch nach der zweiten Ausgabe in diesem Jahr ist klar: Der Spruch war unvollständig. Korrekt muss es heißen: "Mal trägt dein Bike dich, mal trägst du dein Bike. Und mal schwimmt dir dein Bike davon." Oder zumindest fast davon.

Gravel-Träume beim Border Bash Aragon
Maty Podroužek

Es begab sich bei der Querung des Rio Alcanare in den Hügeln der Provinz Huesca. "Letztes Jahr führte der aber deutlich weniger Wasser", sagt Xiqui noch, als er sich die Radschuhe auszieht. Sein Gravelbike in der rechten und die Schuhe in der linken Hand macht er sich auf den Weg durch den Bach. Das Wasser ist nicht tief, vielleicht bis zum Knie. Aber es ist sehr, sehr kalt. Und die Strömung ist ordentlich. Fast ist der Mann aus Barcelona schon am anderen Ufer, da rutscht ihm ein Schuh aus der Hand. Entschlossen hechtet Xiqui seinem Treter hinterher, bevor dieser endgültig von der Strömung erfasst wird. Jetzt ist der Mann zwar klatschnass, aber der Schuh ist gerettet.

Ein Gravelbike lernt schwimmen

Kleiner Haken an der Erfolgsstory: Beim rettenden Sprung hat Xiqui sein Fahrrad losgelassen. Während er mit seinen Schuhen in der Hand zum Ufer watet, hört er plötzlich die Rufe seiner Freunde am Ufer: "Xiqui! Das Fahrrad! Das Fahrrad!" Schnell dreht er sich um, sieht das mit dem Hinterrad zuerst an ihm vorbeitreibende Carbon-Bike. Geistesgegenwärtig wirft er die Schuhe ans Ufer und greift in letzter Sekunde zu. Irgendwie erwischt er noch den Lenker und zieht sein Rad aus den Fluten. (Hier gibt's die Szene im Insta-Reel!)

Das Publikum johlt. Speziell als Xiqui merkt, dass er zwar Schuhe und Rad gerettet hat. Aber jetzt wieder am falschen Ufer steht. Das Wasser tropft ihm aus den nassen Klamotten. "Xino xano", sagt er, als er die Bachquerung erneut in Angriff nimmt. Der katalanische Ausspruch beschreibt fast schon eine Lebensweise. Auf Deutsch bedeutet er in etwa: "Ganz ruhig, das wird schon". Oder um es mit den Paragraphen 2 und 3 des kölschen Grundgesetzes zu übersetzen: "Et kütt wie et kütt" und "Et hät noch immer jot jejange."

Flussquerung beim Border Bash Aragon
Maty Podroužek

Fest steht: Wir haben die Geschichte des Tages. Und natürlich wurde alles per Smartphone-Kamera festgehalten. "Fehlten nur noch Bier und Chips", sagt Staffan, nachdem er das Spektakel um seinen guten Freund vom Ufer aus beobachtet hat – mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Doch Obacht, Staffan: Karma is a bitch!

"It’s not a race!"

Bier und Chips gab es aber tatsächlich auch. Einige Kilometer zuvor hatte Bash-Organisator Ondrej am Vortrag Getränke und Snacks am Flusslauf versteckt. Damit wir sie beim Picknick am Wasser während unserer Tour genießen können. "Wenn ich das meinen Freunden zu Hause erzähle!", schwärmt Iker. Der Mann kommt aus Bilbao. Bis zu diesem sehr warmen und sehr sonnigen Tag im Mai bedeutete Radsport für ihn: losfahren und so schnell wie möglich am Ende der Strecke ankommen. "Ich habe noch nie erlebt, dass man zwischendurch anhält und einen Kaffee oder ein Bier trinkt. Und schon gar nicht in einer solch malerischen Umgebung", erklärt er und staunt. Damit wären wir auch bei einem weiteren Motto des Border Bash Aragon: "It’s not a race!" Das waren Ondrejs erste Worte bei der Begrüßung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Vortag. Ach ja, ein wesentlicher Vorteil des Picknick-Spots: Diesmal gibt es eine Brücke über den Bach.

Pause beim Border Bash Aragon
Maty Podroužek

Von Böhmen nach Aragon

Bleibt die Frage, warum Ondrej die Menschen hier über eine Brücke im Norden Spaniens führt. Denn Ondrej ist Tscheche. Die Ursprünge des Border Bash liegen praktisch vor seiner Haustür im Böhmischen Wald. 2019 lud er erstmals zum Border Bash Bohemia. Die Idee: Ein langes Wochenende mit Freunden, Feiern und Fahrradfahren. Wobei jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer frei entscheiden kann, welche Streckenlänge und welches Tempo es sein darf. Und wer mag, darf jederzeit abkürzen. Oder auch Umwege fahren. It’s not a race. Dieses Format gefiel seinen Freunden Staffan und Xiqui so gut, dass sie es auch in ihre persönliche Lieblingsregion bringen wollten. "Von Barcelona aus haben wir hier in den vergangenen Jahren viele Strecken erkundet", verrät Staffan. Dabei ging es immer weiter gen Westen. Bis sich die beiden schließlich in die Sierra de Guara verliebt haben.

Border Bash Aragon: Mohnblüten
Maty Podroužek

"Und jetzt sind wir hier und zeigen anderen Menschen diese Welt", sagt Staffan, während wir durch den Naturpark "Sierra y Cañones de Guara" radeln. Tatsächlich versprühen die Berge und Schluchten Guaras einen beinahe magischen Charme. Grün, auf und ab, am Horizont die mächtigen Berge der Pyrenäen. Als wir auf einem perfekten Schotterweg durch ein riesiges Feld roten Klatschmohns fahren, überreizt die Natur fast schon. Das Blumenmeer im Vordergrund, die schneebedeckten Pyrenäengipfel im Hintergrund, darüber der stahlblaue Himmel: Hier kippt die perfekte Gravel-Idylle fast schon ins Kitschige. Aber auch nur fast.

Im Gravel-Partybus gen Süden

Tatsächlich verschlägt einem die Natur hier im Norden Spaniens immer wieder die Sprache. Schon alleine dafür lohnt sich die ein wenig aufwendigere Anreise. Schade: Eigentlich wollte Ondrej einen Reisebus organisieren, der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ab Berlin mit Halt in mehreren deutschen Städten direkt zum Campingplatz nach Aragon bringt. "Leider haben sich nicht genügend Mitfahrer gefunden", erklärt Ondrej, warum er die Idee nicht umsetzen konnte. Aber im Gravel-Partybus entspannt gen Süden und wieder zurück? Definitiv eine spannende Option fürs nächste Jahr.

Border Bash Aragon: Schotterwege
Maty Podroužek

Aber wir wollten ja noch über die Sache mit dem Karma sprechen. Denn merke: Wer freitags seinen Freund auslacht, ist samstags ganz schnell selbst das Opfer.

Unter den Augen der Geier

Beim großen Ride am Samstag sind wir keine zehn Kilometer unterwegs, als die Gruppe einen ungeplanten Zwischenstopp einlegt. "Ich habe einen Platten", ruft Staffan. Schnell wird klar, dass die üblichen Tubeless-Rettungsmaßnahmen nicht greifen. Das Felgenband ist defekt, ein Schlauch muss her. "Das kommt davon, wenn man in der Nacht vor dem Event noch schnell auf Tubeless umrüsten will", murmelt Staffan, während er den Schlauch einzieht. Alles unter den neugierigen Blicken der Geier, die in beachtlicher Zahl am Himmel über uns kreisen. Und machen wir es kurz: Ein Reifenschaden jagt den anderen. Nach rund 70 Kilometern sind so ziemlich alle Flicken und Ersatzschläuche der Reisegruppe aufgebraucht. Staffan sitzt vor einer Bar im kleinen Örtchen Sieso de Huesca. Er bestellt ein Bier und verkündet: "Das war’s. Ich bin raus." Zum Glück hat er Xiqui. "Xino xano", ruft er aus, nimmt mit seinem Bike die Abkürzung zum Campingplatz, holt das Auto und sammelt Staffan nebst defektem Bike ein. "Mal trägt dein Bike dich, mal trägst du dein Bike. Und mal fährst du die letzten Kilometer im Auto." Aber was soll's. Ist ja schließlich kein Rennen. Zum Glück!

Border Bash Aragon: Schlauchwechsel
Maty Podroužek

Das Base-Camp

Der Campingplatz Cañones de Guara y Formiga bildet die perfekte Basis für das Border Bash Aragon. Hier am Rande des Dörfchens Panzano lässt es sich im Zelt oder in Holzhütten mit zwei kleinen Schlafzimmern, Küchenzeile und Bad übernachten. Panzano wiederum zählt zur Gemeinde Casbas de Huesca. Durch den Hauptort führen auch die Bash-Strecken.

Border Bash Aragon: Start am Campingplatz
Maty Podroužek

Border Bash Aragon 2025 mit neuem Format

Vom 24.-27. April 2025 findet die nächste Ausgabe des Border Bash Aragon statt. Diesmal allerdings im neuen Format. Nach der Anreise am Donnerstag führt die erste Etappe am Freitag auf 69 Kilometern zum Refugio de Nocito. Dort wird übernachtet, ehe es am Samstag auf anderer Strecke zurück ins Base Camp am Campingplatz Cañones de Guara y Formiga geht. Am Sonntag steht dann noch ein finaler Ride auf dem Programm, bevor das Event seinen Abschluss findet.

Das Bike zur Story

Autor Felix war beim Border Bash Aragon auf einem Finna Taroko unterwegs. Das Carbon-Gravelbike kommt von einer in Deutschland wenig bekannten Marke aus Barcelona. Den Fahreindruck zum Rad gibt es hier.

Border Bash Aragon: Das Dörfchen Bierge
Maty Podroužek

Mit dem Rad durch die Sierra de Guara

Viele Routen für so ziemlich alle Arten von Fahrrädern gibt es auf der Website bguara.com. Hier finden sich auch Tipps zu Unterkünften, Restaurants und vielen Aktivitäten in der Region.