Höhentraining für den Feinschliff der Radform – wie das gelingt, erklären Sportwissenschaftlerin Ronja Klees und Rennrad-Coach Christian Schrot. Und sie zeigen smarte Alternativen für Hobbysportler.
Was passiert beim Höhentraining?
Jeder, der schon mal im Hochgebirge unterwegs war, kennt das Phänomen: Über 2000 Metern fällt das Atmen schwerer und die Leistung nimmt ab. Denn dort oben gelten andere Gesetze. Drückt man mit 200 Watt sonst entspannt aufs Pedal, stößt man bei derselben Leistung in der Höhe plötzlich an seine Grenzen. Der Grund: Zwar liegt der Sauerstoffgehalt der Luft auch in der Höhe bei etwa 21 Prozent. Allerdings nimmt in der Höhe mit sinkendem Luftdruck der Sauerstoffpartialdruck ab – der Körper kann daher weniger Sauerstoff aufnehmen und zu Energie verarbeiten. Folge: Die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2 max) verringert sich – alle 1000 Höhenmeter gehen ca. sechs Prozent an VO2 max gegenüber dem Meeresniveau verloren. Und das wirkt sich auf die Leistungsfähigkeit aus – die Schwellenleistung sinkt mit zunehmender Höhe ab. Und wir müssen das Tempo drosseln.

Andorra ist wohl einer der bekanntesten Orte für das Höhentraining. Kein Wunder ist Andorra Wahlheimat vieler Rennrad- und Mountainbikeprofis.
Warum macht Höhe leistungsfähiger?
Radprofis und manche ambitionierte Amateursportler nutzen die akuten Leistungseinbußen in der Höhe gezielt für ihr Training – denn durch die besonderen Umstände bei "dünner" Luft werden im Körper gleichzeitig Anpassungsmechanismen in Gang gesetzt.
In Studien wurde ermittelt: Sportler verzeichnen nach einem Höhentrainingslager eine Steigerung der VO2 max um bis zu acht Prozent gegenüber dem Ausgangswert.

Die Sierra Nevada in Südspanien bietet auf rund 2300 Metern Höhe ideale Bedingungen für Höhentraining. Mit stabilen Wetterverhältnissen, langen Anstiegen und modernen Trainingszentren.
Dafür ist nicht nur das reine Training in der Höhe verantwortlich – am größten sind die Effekte, wenn Sportler sich auch abseits des Trainings in der Höhe aufhalten, sprich: oben übernachten. "Die Steigerung der VO2 max nach einem Höhentrainingslager liegt vor allem am erhöhten Herzminutenvolumen – das Herz kann nach dem Höhentraining mehr Blut pro Minute durch den Kreislauf pumpen und so die Muskeln mit Sauerstoff versorgen", erklärt Sportwissenschaftlerin Ronja Klees die Hintergründe. Die Effekte sind zwar leider nicht dauerhaft, halten aber immerhin bis zu vier Monate nach einem Höhentrainingslager an.
Die besten Orte für Höhentraining
Der ideale Bereich für ein Trainingslager liegt laut Coach Christian Schrot zwischen 1900 und 2300 Metern – dort ist der Reiz stark genug, ohne die Regeneration zu stark zu belasten.
XC-Mountainbike-Profis verbringen oft sogar die Pausen zwischen den World-Cup-Stopps in Höhenlage. Livigno bietet mit eigenem Bikepark ideale Trainingsbedingungen. Andere Orte wie etwa Tignes eignen sich besonders gut fürs Rennradtraining.

Der italienische Ort Livigno liegt auf 1800 Metern Höhe und bietet mit dem weitläufigen Streckennetz und optimalen Trainingsbedingungen den idealen Einstieg ins Höhentraining – sowohl für RennradfahrerInnen als auch für MountainbikerInnen.
Die Formen des Höhentrainings
In großer Höhe übernachten und trainieren – oder doch besser im Tal schlafen? Höhentraining gibt es in drei verschiedenen Formen – die Tabelle erläutert die Vor- und Nachteile der jeweiligen Konzepte.
Timing & Dauer: Wann wirkt Höhentraining?
Bis sich die sogenannten Höheneffekte einstellen, braucht es eine gewisse Zeit. "Vor allem in der Blutbildung stellen sich langfristige Effekte erst ab etwa zwei Wochen Höhenaufenthalt ein", erklärt Christian Schrot, warum die Profis oft für bis zu drei Wochen in der Höhe verweilen. Und da sie mehrmals im Jahr dort trainieren, läuft die Akklimatisierung schneller ab. Das ideale Timing ist dabei unterschiedlich: "Ein erster Leistungspeak tritt an den ersten ein bis drei Tagen nach dem Höhentraining auf", erklärt Sportwissenschaftlerin Ronja Klees. "Ein zweiter Höhepunkt ist dann nach über drei Wochen festzustellen." Für die rund zweieinhalb Wochen dazwischen ist sich die Forschung uneins. Langfristige Effekte wie ein erhöhtes Blutvolumen sind sogar bis zu vier Monate nach einem Höhentrainingslager messbar.

Höhentraining eignet sich auch prima für Hobbysportler*innen!
Praktische Umsetzung: So gelingt der Einstieg
Vor einem Höhentrainingslager gilt: Ausgeruht in die Höhe – zum Beispiel durch ein paar Tage mit reduziertem Training. "Wer kürzlich krank war, noch krank ist oder an Verletzungen wie von einem Sturz laboriert, sollte die Höhe besser meiden", rät Coach Christian Schrot. Doch auch wer sich fit fühlt, sollte die ersten Tage in der Höhe behutsam angehen. Vor allem leichte Kopfschmerzen oder schlechter Schlaf sind an den ersten Tagen an der Tagesordnung. "Daher sollte die ersten vier bis fünf Tage idealerweise nur im Grundlagenbereich gefahren werden", rät Schrot. Erst wenn sich der Ruhepuls wieder eingepegelt hat, sind höhere Umfänge und Intensitäten möglich. Harte VO2 max Intervalle sollten dennoch besser im Tal absolviert werden, längere Sweet-Spot- oder Schwellenintervalle können durchaus weiter oben gefahren werden. Hier rät Schrot, alle 1000 Höhenmeter 5 bis 10 Prozent von den gewohnten Trainingsbereichen abzuziehen. Dennoch sollte man sich in der Höhe aufgrund der langsameren Regeneration nie komplett verausgaben und auf eine adäquate Verpflegung beim Training sowie danach achten. Vor allem der Flüssigkeitsbedarf steigt in der Höhe stark an.
Smarte Alternativen für Hobbysportler

Höhentraining beim Schlafen - geht ganz einfach im Bikehotel Freiburg.
Hotels mit sogenannten "Höhenzimmern" erlauben Übernachtungen auf individuell einstellbarer Höhe, während man tagsüber auf Meereshöhe trainiert. Ein herausragendes Sporthotel ist das Syncrosfera Fitness & Spa im spanischen Denia. In Deutschland ist das Bikehotel Freiburg sehr bekannt. Es verfügt über sechs Zimmer mit Höhensimulation und bietet dank der Nähe zu Schwarzwald und Kaiserstuhl ideale Trainingsbedingungen.

Höhentraining im eigenen Schlafzimmer geht prima mit einem leihbaren Höhenzelt.
Höhenzelte holen die Höhe nach Hause – indem ein Generator der Luft Sauerstoff entzieht. Solche Zelte sind in der Anschaffung zwar sehr kostspielig, lassen sich aber auch bei diversen Anbietern ausleihen (z.B. für 240 Euro pro Woche).